S&E Glossary

Einschränkungen für den Transport sind mit der Kennzeichnung nicht verbunden. Ebenfalls zeitgleich wurde die GHS-Richtli- nie 5 der EU in Kraft gesetzt, die die Grundlage der nationalen deutschen Gefahrstoffverordnung 6 ersetzt. Somit ergeben sich neue Gefahrensym- bole und eine Totenkopf-Kennzeichnung erfolgte durch die meisten Hersteller nicht. Kennzeichnung: Nach Gefahrstoffverordnung R 60 – kann die Fortpflanzungs- fähigkeit beeinträchtigen. R 61 Kann das Kind im Mutterleib schädigen. Nach GHS H360 – Kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder das Kind im Mutterleib schädigen. Borsalze waren zuvor gemäß Gefahrstoffver- ordnung nicht eingestuft und damit kennzeich- nungsfrei. Dass borhaltige Holzschutzmittel in der Regel als „gesundheitsschädlich beim Ver- schlucken„ ( ) eingestuft waren, beruhte auf Formulierungsbestandteilen, die z. B. die Pene- tration verbessern sollten, wie z. B. Alkoholen. Bewertung Betrachtet man diese Formulierungen und die oben kurz genannten Eigenschaften von Bor- salzen bzw. die angeführten Versuchsergebnisse, so kann man grundsätzlich eigentlich keine Ein- wände gegen diese Bewertung vorbringen: Ca. 20–40 g Borsäure können für einen Erwachse- nen tödlich sein (auch mit ca. 40g Kochsalz ist die gleiche Wirkung zu erreichen). Da der Orga- nismus von Kindern in der Regel empfindlicher ist, genügt ein einfaches Gedankenexperiment sich vorzustellen, dass das Kind im Mutterleib geschädigt wird, wenn die Mutter eine tödliche Dosis Borsalz aufnimmt. Aber: Wie kann Borsalz aufgenommen wer- den? Borsalze haben keinen messbaren Dampf- druck. Aus dem behandelten Holz gelangt Bor also mit absoluter Sicherheit nicht in die Wohn- räume, im Gegensatz zu den klassischen che- mischen Holzschutzmitteln. Diese fehlende Exposition wird bei der Be- wertung aber nicht beachtet. Betrachtet wird nur isoliert der Wirkstoff, nicht ob er überhaupt an oder in den Menschen gelangen kann. Bei der Verarbeitung durch Spritzen/Sprü- hen kann der Holzschützer aber mit borhaltigen Nebeln in Kontakt kommen. Die Sicherheitsda- tenblätter und die auf ihnen aufbauenden Be- triebsanweisungen fordern daher eine entspre- chende persönliche Schutzausrüstung, wenn die Gefahr der Belastung besteht. Dies forderten die Sicherheitsdatenblätter aufgrund der bekannten Eigenschaften, zudem bereits lange vor 2009. Die Sicherheitsvorkehrungen und Schutzmaßnahmen auf der Baustelle sind durch die Neueinstufung praktisch unverändert geblieben. Schutzmaßnahmen Bei fachgerechter Anwendung durch sach- kundige Fachfirmen ist eine Aufnahme von Bor- salzen nicht möglich und vom behandelten Holz geht aufgrund der nicht erfolgenden Emission keine Gefahr aus. Die notwendige Schutzausrüstung für die Verarbeitung besteht aus: – Streichen/Bohrlochtränkung: Gummi-Hand- schuhe – Spritzen: P2-Maske mit Partikelfilter Die bereist seit längerem geforderten Betriebs- anweisungen (gem. §20 GefStV.) für den Um- gang mit borhaltigen Holzschutzmittel müssen daher nicht geändert werden. Ausblick Wie wird nun der gewöhnliche Kunde reagie- ren, wenn er auf dem Etikett oder den Begleitpa- pieren die Gefahrenkennzeichnung, insbesonde- re die keimschädigende Wirkung sieht? Hat der Kunde die Kenntnisse die Einstufung kritisch zu hinterfragen oder wird er vordergründig das „Gift-Symbol“ sehen? Kann der Kunde, der in seinem Alltag keinen Umgang mit Gefahrstoffen hat, der keine beson- dere Sachkunde vorzuweisen hat, das System der Kennzeichnung überhaupt durchschauen? Hier hängt viel von der Vorbildung des Kun- den und der Aufklärung und Information des ausführenden Holzschutzfachunternehmens bzw. geprüften Schädlingsbekämpfers ab. Aber: Welcher möchte sich in dieses Risiko begeben? Oft wird der Verweis auf die zunehmende, unüberschaubare Vielzahl unsinniger, nicht nachvollziehbarer EU-Regelungen helfen, die z. B. auch den Brandschutz verkomplizieren, die Nutzung von bewährtem Saatgut unmöglich ma- chen, den Krümmungsradius von Gurken regeln, dabei aber den Geschmack nicht beachten usw. oder gar durch den Umgang mit der Euro-Schul- den-Krise zu einer Trotzreaktion führen können. Viele Industriezweige sind bereits den ein- facheren Weg gegangen Borsalze aus ihren Pro- dukten zu entfernen (Waschmittel) oder diese unter 5,5% zu reduzieren (Dämmstoffe). Im Holzschutz geht dies kaum. Weniger Wirkstoff bringt auch Wirkungsverluste mit sich. Bedeutet dies daher die Abkehr zu anderen Wirkstoffen, zu einer Renaissance von z. B. Py- rethroiden, die zwar teilweise kritisch gesehen werden, von der EPA in den USA sogar verboten sind, die aber im Gegensatz zu Bor keine akute Toxizität aufweisen? Und es wird noch komplizierter: Seit Jahrzehnten wurde durch die Regel- werke, insbesondere DIN 68800 (alt, bis 2011) Fachbereiche Sachverständige die Verwendung bauaufsichtlich zugelassener Holzschutzmittel gefordert. Die Zulassung wur- de durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) erteilt, nachdem – die Wirksamkeit durch Versuch oder Litera- turdaten nachgewiesen war – das Umweltbundesamt die tolerierbare Wech- selwirkung mit der Umwelt bestätigt hatte und – die gesundheitliche Tolerierbarkeit durch das Bundesgesundheitsamt bzw. seinem Nachfol- ger, das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz (BgVV) bzw. das Bundes- institut für Risikobewertung (BIR) geprüft war. Zusätzlich erfolgte eine Fremdüberwachung durch eine Materialprüfanstalt. Dies stellte seit Jahrzehnten ein Qualitäts- managementsystem lange vor Erfindung der ISO 9000ff Standards und dergleichen dar, fehlte aber in den meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten. Mit Umsetzung der Biozidrichtlinie wurde nun die Baua theoretisch zuständig (siehe oben). Da aber der Anhang1 der Biozidrichtlinie mit Stand von Januar 2013 nur einige wenige zugelas- sene Wirkstoffe aufweist und die Hersteller der Biozidprodukte (die anwendungsfertigen Holz- schutzmittelpräparate) ab der Aufnahme eine 2-Jahresfrist zur Ausarbeitung und Einreichung der Unterlagen haben, laufen die Zulassungs- verfahren durch die jeweiligen nationalen Be- hörden noch. Für viele Präparate, die mehrere Wirkstoffe enthalten, konnten sogar die Anträge noch nicht gestellt werden. Altpräparate, die vor 2008 auf dem Markt waren, konnten beim DIBt eine Verlängerung be- antragen. Das DIBt musste jedoch zwischenzeit- lich seine Struktur von einer sachbearbeitenden Behörde zum fachlichen Entscheider umändern, da sich UBA und BIR aus der Zuarbeit zurück- gezogen hatten. Dies führte zu der paradoxen Situation, dass die Zulassungen vieler Holzschutzmittel und aller Schwammsperrmittel am 31. 12. 2010 ausgelau- fen waren. Erst im Laufe des Jahres 2011 bzw. 2012 erfolgten einige Verlängerungen der Pro- dukte, für die eine Zulassung bei der Baua oder den entsprechenden nationalen Institutionen beantragt worden war. Aus vormals über 200 Holzschutzmitteln (Holzschutzmittelverzeichnis 2009) waren rund 20 übrig beblieben (www.DIBt.de und auch www. DHBV.de). Mit dem in naher Zukunft zu erwartenden ersten Zulassungen durch die Baua, gemäß Bio- zid-Richtlinie, würde sich die paradoxe Situation ergeben, dass dann zwar die Verkehrsfähigkeit gegeben, die Verwendbarkeit auf der Baustelle (Zulassung DIBt) aber fehlen würde. Zwei zu- ständige Behörden in einem Land wären aber auch im Sinne der EU nicht sinnvoll. Daher hat das DIBt mit Schreiben vom No- vember 2012 seinen Rückzug aus der Zulassung mit sofortiger Wirkung erklärt. Neue DIBt-Zulas- sungen wird es somit nicht geben. Die Bestehen- den behalten ihre Gültigkeit bis zum Vorliegen Schützen & Erhalten · März 2013 · Seite 21

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