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Schützen & Erhalten · September 2011 · Seite 20 Sachverständige – was kann (darf) man von Ihnen im Rahmen einer Privatbeauftragung erwarten? Dipl.-Holzwirt Ing. Georg Brückner, Dipl.-Ing. Architekt Michael Diehl Fachbereiche Sachverständige Sachverständige werden heute in vielen Bereichen des täglichen Lebens hinzuge- zogen. Dabei kann es unter anderem um Klärungen in Streitsachen, um Erklärungen technischer Zusammenhänge in Verbin- dung mit juristischen Fragestellungen, um Beweissicherungen, um fachliche Be- wertung von Ausführungen oder auch um fachliche Begleitung, z.B. von Baumaßnah- men, bis hin zu Tatsachenentscheidungen im Rahmen von Schiedsverfahren gehen. Das Institut für Sachverständigenwesen schreibt auf seiner Internetseite „http://www.ifsforum . de/detail.php?id=1635&parent=71“ zu den An­ forderungen an Sachverständige, wie folgt: „Sachverständige nehmen aufgrund ihrer Sachkunde und Erfahrung zu tatsächlichen Sach- verhalten Stellung und erteilen fachlichen Rat, beantworten aber keine Rechtsfragen und subsu- mieren schon gar nicht tatsächliche Sachverhalte unter rechtliche Tatbestände. Mithin haben Sach- verständige die Aufgabe, unparteiisch, unabhän- gig und objektiv den vom jeweiligen Auftraggeber vorgegebenen Sachverhalt fachlich zu beurteilen oder zu bewerten, so dass das Gutachtenergeb- nis von jedermann, dem das Gutachten vorgelegt wird, akzeptiert werden kann. Der Sachverständige muss also glaubhaft und vertrauenswürdig sein, so dass seine gutachterliche Aussage verkehrsfähig wie eine Urkunde ist. Mit Hilfe seiner Gutachten können gerichtliche Streitigkeiten vermieden oder, falls es dazu kommen sollte, richtige und gerech- te Entscheidungen getroffen werden.“ Ob der Sachverständige nun als öffentlich bestellter und vereidigter oder zertifizierter oder staatlich anerkannter oder „nur“ als Sachverstän­ diger tätig ist, eins sollte in jedem Fall selbst­ verständlich sein, dass er über eine besondere, d.h. überdurchschnittliche Fach- und Sachkun­ de in seinem Fachgebiet verfügt und diese bei seiner Arbeit auch einsetzt. Diese grundlegende Erwartung an den Sach­ verständigen erweist sich allerdings nicht sel­ ten als ein schönes Ideal, das der Realität nicht Stand hält. Ist der Sachverständige im Bereich der Pri­ vatwirtschaft tätig, wird von ihm neben seiner untersuchenden Arbeit auch häufig die Tätig­ keit eines maßnahmenbestimmenden und -be­ gleitenden Fachplaners erwartet. Insbesondere wenn es um Objektivität in Zusammenhang mit seiner „besonderen Fachkunde“ geht. Wenn dann noch eigene wirtschaftliche Interessen oder eine maßlose Überschätzung der eigenen Fähigkeiten hineinspielen, kann es dabei zu großen wirt­ schaftlichen Schäden kommen, sowohl beim Auftraggeber als auch beim Sachverständigen, häufig in Zusammenhang mit gerichtsgängigen Verfahren. Mögen Patentrezepte häufig griffiger erscheinen und forsch vorgetragene Pauschalur­ teile mehr Aufsehen erregen, faktisch sind beide selten hilfreich. Nur wer die Zusammenhänge er­ kennt, kann situationsbezogen richtige Entschei­ dungen treffen. Die nachfolgend aufgezeigten zwei Bei­ spiele aus den Bereichen des „Schimmels“ und des „Holzschutzes“ stehen stellvertretend und sollen die Situation verdeutlichen. Selbstver­ ständlich könnten aus anderen Bereichen, von ihren Auswirkungen her, vergleichbare Beispiele angeführt werden. Im Bereich der „Schimmelbegutachtungen“ fragt man sich das ein oder andere Mal, ob hier nicht weit über das Ziel hinausgeschossen wird. Unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes werden zum Teil nicht nachvollziehbare Maß­ nahmen in die Wege geleitet. Belegt wird die­ ses in den schriftlichen Ausführungen zumeist mit schwer verständlichen und meist auch nicht nachvollziehbaren Laborberichten. Eine allge­ meinverständliche Erklärung sucht man häufig vergebens. Der Abriss eines ganzen Dachstuhls oder eine unerbittliche Freilegungssucht bei der Suche nach „Befall“ sind dann die Folge. Unter dem Motto „hier muss doch irgendwo Schimmel sein“, wird bis in die innersten Bereiche des Estrichs oder in die äußersten Bereiche der Ge­ bäudeaußenhaut gesucht. Hierzu hat sich bereits Prof. Dr.-Ing. Os­ wald im September 2004 in seiner Artikelserie „Schwachstellen“ im Fachblatt db deutlich wie folgt geäußert: „Häuser werden meist in Wind und Wetter er- richtet. Baustellen sind nicht keimfrei und Bau- leute hantieren nicht in OP-Montur. Baufeuchte ist bei der Großzahl der zum Teil seit Jahrhunderten verwendeten Bauweisen unvermeidbar. Wie soll man da die völlige Schimmelpilzfreiheit – gerade von Neubauten – gewährleisten? Der Mensch ist im Verlauf der gesamten Evolution ständig in der Na- tur und in seinen Behausungen, beim Essen und bei allen übrigen Aktivitäten, unterschiedlichen Schim- melpilzbelastungen ausgesetzt und hat sich dieser Exposition angepasst. Es ist ein Irrweg, Schimmel nur deshalb zum Umweltgift zu erklären, weil eine kleine Gruppe der Bevölkerung auf einige Schim- melarten mit Krankheitssymptomen reagiert. Wa- rum erklärt man da nicht auch gleich Hausstaub generell zum Umweltgift und alle damit „kontami- nierten“ Gebäude so lange für unbewohnbar, bis langwierige Labortests die „Unbedenklichkeit“ bescheinigen? Es geht letztlich um die kulturell und volkswirtschaftlich relevante Frage, welche Ri- siken dem Bürger in einem der wenigen „reichen“ Länder dieser Erde zugemutet werden dürfen. In den armen, meist tropischen Ländern würde für diesen Aufwand nicht nur das Geld fehlen – an- gesichts des für Schimmel „idealen“ Klimas wären die Bemühungen wohl auch aussichtslos. Dies ist selbstverständlich meine Meinung zu diesem Thema – konkreter ausgedrückt, die Meinung eines erfah- renen Bausachverständigen, der seit mehr als drei Jahrzehnten kontinuierlich mit Schimmelpilz als harmloser Begleiterscheinung von Feuchteschäden in Berührung kam. Man wird mir Betriebsblindheit und Unbelehrbarkeit vorwerfen und ich sehe wohl realistisch, dass meine Auffassung wenig Akzep- tanz finden wird.“ Seine damalige Schlussfolgerung aus dem o.a. Zitat, die „Beobachtung, Entdeckung, Bestim- mung, Bewertung und Beseitigung von Schimmel ist längst ein Geschäft geworden, das boomt“, hat sich bis heute mehr als bestätigt. Verstehen Sie uns nicht falsch, der Ge­ sundheitsschutz der Nutzer eines Gebäudes hat oberste Priorität. Besteht im Gebäudeinneren Schimmelbefall und sind dadurch übernormale Hintergrundbelastungen hinausgehende Beein­ trächtigungen gegeben, sind natürlich fachge­ rechte bekämpfende Maßnahmen einhergehend mit fachgerechten Behebungen der Ursachen erforderlich, aber bitte auch nur dann! Ob hier undurchsichtige Laborberichte oder das alleinige Anschlagen eines Schimmelhundes ausreichen, ist dabei sehr in Frage zu stellen. Jedem Exper­ ten dürfte doch bekannt sein, dass es kein 100% schimmelfreies Haus gibt. So steril können und dürfen wir überhaupt nicht leben. Reagieren die Hunde immer nur bei massivem Befall oder kann es auch schon bei kleinsten Schimmelvorkom­ men zu einem Anschlagen kommen? Nehmen wir ein anderes Fachgebiet: den Holzschutz. Das Durchbohren von Deckenbalken zur Ermittlung von Fäulnis mithilfe von Bohr­ widerstandmessgeräten ist, mit ausreichender Erfahrung des Untersuchenden, eine sehr gute Hilfe, um mögliche Schädigungen zu lokalisieren. Wichtig bei dieser Untersuchungsmethode ist, dass rechtwinklig zur Längsachse der Balken das Holz durchbohrt wird. Dummerweise sind so aber die im Mauerwerk befindlichen Auflagerbereiche des Balkens ohne größere Freilegungsarbeiten nicht zu erreichen. Aber gerade der Verzicht auf solche Freilegungen durch Einsatz dieser zerstö­ rungsarmen Untersuchungsmethode macht den Reiz für ihren Einsatz aus. Erfahrene Sachver­ ständige wissen um die Möglichkeit, dass beim schrägen Einbohren in einen Balken die Gefahr einer erheblichen Ablenkung der sehr biegsamen Bohrnadel besteht. Letztendlich erhält man nicht wie gewünscht das Bohrdiagramm eines schräg durchdrungenen Balkenquerschnitts, sondern eines nicht nachvollziehbaren kurvigen Verlaufs durch den Balken. Welche Balkenbereiche dabei erfasst wurden, kann nicht nachvollzogen wer­ den und folglich ist das Bohrdiagramm nicht auswertbar. Wird es trotzdem zur Beurteilung

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