S&E Glossary
Fachbereiche Sachverständige Gerichtliche Kostenbeamte kürzen Sach- verständigen immer häufiger die in der Rechnung für die Erstellung des Gut- achtens angegebenen Stundenzahlen. Unter Hinweis auf § 8 Abs. 2 JVEG wird angeführt, dass nur die „erforderliche“ Zeit erstattungsfähig sei, nicht aber die vom Sachverständigen tatsächlich ver- brauchte Zeit. In den IfS Informationen 4/2009 wird auf den Seiten 25 und 26 der Fall eines Sachverständi- gen geschildert, wo diesem von der Kostenbe- amtin die geltend gemachten 18 Stunden für die Ausarbeitung und das Diktat des Gutachtens auf die Hälfte reduziert wurde. Zur Begründung gab die Kostenbeamtin an, dass in der Regel eine Stunde Aufwand für zwei Gutachtenseiten anzusetzen sei. Anmerkung: Solch eine Rechnung ist dem Verfasser dieses Artikels selber auch schon von einem Kostenbeamten vorgelegt worden. Man fragt sich, ob die Kostenbeamten für diese Entscheidung die erforderliche Sachkun- de mitbringen. Da sie diese natürlich nicht mit- bringen, sollten solch einschneidende Kürzun- gen unterbleiben. Im vorliegend beschriebenen Fall hat al- lerdings der Bezirksrevisor die Reißleine gezo- gen und die Kürzung durch die Kostenbeamtin für nicht zulässig gehalten. Allerdings hat er den Sachverständigen aufgefordert, eine nach- vollziehbare Aufschlüsselung der Zeiten für die Ausarbeitung nachzureichen. Der Bezirksrevisor hat somit dem Sachverständigen die Beweislast auferlegt, alle geltend gemachten Zeiten für die Erstellung des Gutachtens nachprüfbar zu dokumentieren. Er hat ihn damit aufgefordert auch Zeiten nachvollziehbar zu erfassen, wel- che benötigt werden für z. B. alle gedanklichen Überlegungen, die mit der Gutachtenerstellung in Zusammenhang stehen. Diese werden aber erfahrungsgemäß ja zum einen nicht alle ver- schriftlicht oder sonst wie reproduzierbar festge- halten und zum anderen auch nicht immer dann, wenn man am Schreibtisch direkt am Gutachten arbeitet, getätigt. Dr. Bleutge (Redaktion „IfS Informationen“) hat dem Sachverständigen einen Vorschlag ge- macht, wie er seinen Antrag auf gerichtliche Festsetzung begründen kann. Diese Begründung wird im Folgenden wegen ihrer Klarheit und deut- lichen Worte sowie ihrer Nachvollziehbarkeit un- gekürzt als Zitat wiedergegeben: „Mit meinem Schreiben vom 22.4.2009 habe ich Ihnen bereits eine genaue Aufstellung mei- nes Zeitaufwandes für den Punkt „Ausarbeitung und Diktat des Gutachtens“ vorgelegt. Eine noch spezifiziertere Aufgliederung des erforderlichen Zeitaufwands ist mir nicht möglich und im Üb- rigen auch nicht erforderlich. Die in meiner Abrechnung aufgegliederten Stunden sind gemäß Ihren Vorgaben ausrei- chend differenziert und nach- vollziehbar. Ich habe mich bei der Aufschlüsselung meines Zeitaufwands an die Vorgaben und Musterrechnungen der Kommentarliteratur gehalten (vgl. Bayerlein, Praxishand- buch Sachverständigenrecht, 4. Aufl. 2008, S. 649; Bleut- ge, Kommentar zum JVEG, 4. Auf!. 2008, §8 Rdn. 2 u. S. 365; Haas/Frost, Der Sachverständige des Hand- werks, 6. Auf!. 2009, S. 426). Eine noch tiefer gehende Aufschlüsselung meiner eingesetzten Stundenzahl ist schon gedanklich nicht mög- lich. Ich kann nicht die Dauer jeder einzelnen Überlegung, jeden Abschnitts der gedanklichen Vorbereitung, jeder Recherche und jeder ein- zelnen Formulierung der späteren schriftlichen Ausarbeitung dokumentieren und zeitlich mit Minuten angeben und diese Minuten anschlie- ßend zu Stunden zusammenziehen. Die von mir eingesetzte Stundenzahl war auch erforderlich im Sinne des § 8 Abs. 2 JVEG. Sie entspricht der Zeit, die ein mit der Materie vertrauter Sachverständiger von durchschnittli- chen Fähigkeiten und Kenntnissen bei sachge- mäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität zur Beantwortung der vorge- gebenen Beweisfrage benötigt. Eine Überprü- fung mit der Folge einer Kürzung der von mir eingesetzten Stundenzahl kommt nur dann in Betracht, wenn der von einem Sachverständi- gen angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch er- scheint. Das hat mir der Bezirksrevisor bisher nicht vorgeworfen. Im Übrigen wäre der Be- zirksrevisor für die Begrün- dung einer Kürzung auch be- weispflichtig. Die von ihm in seinem Rundschreiben heran- gezogenen Entscheidungen des BVerfG vom 26.7.2007 und des BGH vom 16.12.2003 sind mir aufgrund von Veröffentlichun- gen in der Zeitschrift „lfS-ln- formationen“ des Instituts für Sachverständigenwesen in Köln wohl bekannt. In diesen Ent- scheidungen ging es aber nicht darum, dass die betreffenden Sachverständigen ihre erforderliche Zeit geschätzt haben, sondern dass die Anweisungsbeamten bzw. die Gerichte Kürzungen aufgrund von eige- nen Schätzungen vorgenommen haben, weil sie selbst keine Sachkunde hatten und daher dem Sachverständigen nicht mit fachlich nachvoll- ziehbaren und nachprüfbaren Gründen nachwei- sen konnten, dass das Gutachten oder die dafür erforderlichen gedanklichen und tatsächlichen Vorarbeiten auch in weniger Stunden hätten er- stellt bzw. erbracht werden können. Gerade das BVerfG hat deutlich gemacht, dass die erforderli- che Stundenzahl für die Erledigung des Gutach- tens vom Bezirksrevisor oder vom Gericht nicht geschätzt werden darf. Logischerweise müsste ein Gericht zur fachlichen Begründung einer beabsichtigten Herabsetzung der Stundenzahl mangels eigener Sachkunde erneut einen Sach- verständigen hinzuziehen. So jedenfalls sieht es das BVerfG, das übrigens dem Sachverständigen erlaubt, auch seine gedankliche Vorbereitung zeitlich in Rechnung zu stellen. Daher gilt nach wie vor der von der Recht- sprechung und Kommentarliteratur entwickelte Grundsatz, dass der Angabe des Sachverständi- gen über die tatsächlich benötigte Stundenzahl zu glauben ist und nur dann eine Nachprüfung oder gar eine Herabsetzung in Betracht kommt, wenn die Stundenzahl im Verhältnis zur erbrach- ten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (OLG Düsseldorf, 18.9.2008, DS 2009, 198; OLG Bran- denburg, 18.12.2008, DS 2009, 199; Meyer/Hö- ver/Bach, 24. Aufl. 2007 Rdn. 8.49; Schneider, Kommentar zum JVEG, § 8 Rdn. 53). Die Beweis- pflicht für die Begründung, dass die angegebene Stundenzahl nicht erforderlich gewesen sei und dass das Gutachten auch in kürzerer Zeit hätte erarbeitet werden können, liegt beim Anwei- sungsbeamten bzw. beim Gericht (Schneider, §8 Rdn. 56; Meyer/Höver/Bach, Rdn. 8.49). Ich beantrage daher gerichtliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 mit dem Antrag, meine beiden Rechnungen in der geltend gemachten Höhe zu begleichen.“ Gegensatz – tatsächlicher und geschätzter Zeitaufwand ... ... für die Erstellung eines Gutachtens Foto: Peter Kirchhoff · www.pixelio.de Es schreibt für Sie: Dipl. Holzwirt Georg Brückner Fachbereichs- leiter Sachver- ständige Roggenkamp 7a 59348 Lüdinghausen Telefon: (0 2591) 949653 Telefax: (02591) 949654 E-Mail: brueckner@dhbv.de
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