S&E Glossary
Schützen & Erhalten · Juni 2009 · Seite 18 Fachbereiche Sachverständige Am 1. Oktober 2009 tritt die Novelle der Energieeinsparverordnung in Kraft. Mit ihr werden sowohl die wärmeschutz- technischen Anforderungen als auch der ordnungsrechtliche Durchsetzungswille deutlich verschärft. Jetzt heißt es für Gebäudeeigentümer, Bauunternehmer und Sachverständige mehr denn je auf- zupassen. Weltweit steigt die Nachfrage nach Energie ganz erheblich, Energie wird ein immer knapperes Gut. Deshalb ist die nachhaltige und sichere Ver- sorgung mit Energie zu tragbaren Preisen eine dringliche Staatsaufgabe. Neben der Erschließung alternativer Energiequellen muss unabdingbar die Effizienz beim Energieverbrauch verbessert werden – Energiesparen heißt die Devise. Die Bundesregierung macht Druck. Und wir werden alle ob der bürokratischen und finanziellen Be- lastungen stöhnen. Als selbst Betroffener muss ich mir aber eingestehen, dass mir die Krisen- prävention lieber ist als morgen tief in der Ener- giekrise zu stecken. Außerdem erkenne ich auch Ansätze für eine Geschäftsbelebung. Welche Novitäten und Änderungen birgt nun die neue Energieeinsparverordnung (EnEV’09) gegenüber ihrer Vorgängerin (EnEV’07)? Es sind derer viele: hebt man sie im Text mit roter Schrift hervor, dann halten sich Schwarz und Rot die Waage. Ein bisschen Systematisierung sollte uns jedoch helfen, die Übersicht zu behalten (ich setze jedoch voraus, dass die wichtigsten Bestimmungen der EnEV’07 bekannt sind, s. a. S&E 2008 Hefte 1–4). Die Novitäten und Änderungen können drei Kategorien zugeordnet werden: 1. Anforderungen Die Obergrenze für den zulässigen Jahres- Primärenenergiebedarf wird durchschnittlich um 30% gesenkt. Die Gebäudehülle muss zukünf- tig um 15% besser gedämmt sein als bisher. Im Gebäudebestand können alternativ (bei größe- ren baulichen Änderungen an der Gebäudehülle, z. B. Dach, Fassade, Fenster) die Anforderungen (U-Werte) an diese Bauteile um durchschnittlich 30% verstärkt werden. Zwingend ist die Wärmedämmung der obers- ten Geschossdecke (oder alternativ des Daches) auf maximal 0,24W/m²K zu verbessern. Für be- gehbare oberste Geschossdecken ist diese Pflicht bis spätestens Ende 2011 zu erfüllen. Für Klimaanlagen wird eine generelle Pflicht zum Nachrüsten von automatischen Einrich- tungen der Befeuchtung und Entfeuchtung ein- geführt. Ab 01.01.2020 sind elektrische Spei- cherheizungen (keine Fußbodenheizungen!) mit einem Alter von mindestens 30 Jahren in größeren, schlecht gedämmten und ausschließ- lich mit solchen Heizungen beheizten Gebäuden (Wohngebäude mit mindestens sechs Wohnein- heiten, Nichtwohngebäude mit mehr als 500m² Nutzfläche) außer Betrieb zu nehmen. Trotz anhaltender Schimmelpilzprobleme auch in hochgedämmten Gebäuden wird dem Feuchteschutz in den Regularien der EnEV nach wie vor keine Aufmerksamkeit gewidmet. 2. Berechnungs- bzw. Nachweis- verfahren Der zulässige Grenzwert für den Jahres-Pri- märenergiebedarf von Wohngebäuden wird nicht mehr wie bisher tabellarisch vorgegeben, sondern ist im Referenzgebäudeverfahren zu ermitteln. Neben dem Berechnungsverfahren einheitlich nach DIN V 18599 ist für Wohngebäude alternativ die DIN EN 832 in Verbindung mit DIN V 4108-6 und DIN V 4701-10 noch zulässig. An den Gebäude-Energieausweisen wur- den unauffällige inhaltliche Änderungen vor- genommen. 3. Vollzug Der Bußgeldkatalog wurde einschneidend erweitert – jetzt ist Schluss mit lustig! Wer Ge- bäude nicht anforderungsgerecht errichtet oder Änderungen nicht anforderungsgerecht ausführt, begeht zukünftig eine mit Bußgeld (bis 50.000 Euro!) bewehrte Ordnungswidrigkeit. Die Bereit- stellung und/oder Verwendung falscher Daten ist etwas billiger: bis 15.000 Euro. Anforderungsge- recht heißt in diesem Zusammenhang, die An- forderungen der EnEV’09 zu erfüllen. Über die anforderungsgerechte Ausführung der Bau- und Installationsleistungen ist neuer- dings eine Unternehmererklärung auszufertigen, vom Gebäudeeigentümer mindestens 5 Jahre aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen (wie bisher wohl nur in Bayern und Sachsen so vorgeschrieben). Das Nichtausstellen der Unternehmererklärung gilt als Ordnungswidrigkeit (Bußgeldandrohung: bis 5.000 Euro). Für die Einhaltung der EnEV’09 an den heiz- technischen Anlagen werden dem Bezirksschorn- steinfeger im Rahmen der Feuerstättenschau Kontroll-, Prüf-, Hinweis- und Meldepflichten übertragen. Von der befreienden Einschränkung, dass man bei der Ordnungswidrigkeit mit Vorsatz oder grob fahrlässig (leichtfertig) handelte, kann man bei dem o. g. ziemlich dicht gestrickten Netz der Voll- zugsregelungen kaum Gebrauch machen. Welche Konsequenzen erwachsen uns daraus? Als Gebäudeeigentümer werden wir angehal- ten, noch höhere Anforderungen an den Wärme- schutz zu erfüllen und im Neubau in Erfüllung des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EE- WärmeG) einen spürbaren Anteil des Wärmebe- darfs durch erneuerbaren Energien (z. B. Solar, Biomasse) zu decken. Im Gebäudebestand ist der Vollzug gegenüber dem Gebäudeeigentümer weiterhin allein auf die Marktmechanismen ab- gestellt (mit Ausnahme der Zugänglichmachung des Energieausweises). Als Bauunternehmer hingegen trifft es uns hart: Einhaltung der EnEV bei nahezu allen Bau- leistungen an der Gebäudehülle und Ausstellung einer diesbezüglichen Unternehmererklärung; alles mit Bußgeldandrohung. Der Unternehmer muss also die EnEV’09 kennen und den Wär- meschutz richtig berechnen können. Was aber, wenn der Bauherr bei der Außenputzerneuerung beispielsweise verlangt, rechtswidrig keine Ver- besserung des U-Wertes der Außenwand vorzu- nehmen? Ist Rechtsbeugung auf Verlangen keine Ordnungswidrigkeit mehr? Eigentlich müsste in solch einem Falle der Bauherr bei der zuständi- gen Behörde eine Befreiung erwirken. Als Energieberater und Sachverständiger könnte man die fachmännische Begründung zum Befreiungsantrag zuarbeiten. Es ist zu erwarten, dass die Gebäudeeigen- tümer den starken Druck aus der EnEV’09 zuneh- mend auf die Unternehmer und Energieberater entladen wollen, die Haftungsrisiken werden stei- gen. Welcher Bauherr wird unwidersprochen nach Ausführung einer „erzwungenen“ Wärmeschutz- nachrüstung Schimmelpilzbefall dulden? Wer sich da auf den ominösen Temperaturfaktor 0,7 verlässt, wird wohl nicht den Joker sondern den Schwarzen Peter in seiner Hand halten. Andererseits ist der Wärmeschutz ein er- giebiges Marktsegment, das nicht zu bedienen, sich nicht jeder Unternehmer leisten kann. Also: rechtzeitig schlau machen! Und bereits für das Jahr 2012 kündigte die Bundesregierung in ihrem Energie- und Klimaschutzprogramm die nächste Verschärfung des Energieeinsparrechts an. Dr.-Ing. Manfred Wolf, Ingenieurbüro Energie-Umwelt-Bautenschutz Zum Lindenhof 12, 09212 Limbach-Oberfrohna Telefon (03722) 818998, E-Mail: manfred.wolf2@gmx.de Was man über die Novelle der Energieeinspar- verordnung wissen sollte Foto: 123rf.com
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