S&E Glossary
Fachbereiche Arbeitskreis Heißluft A 3„frischer“ Mehlauswurf Der klassische und allge- mein anerkannte Nachweis 1 ei- nes vitalen Befalls ist das Auf- finden von „frischem“ Auswurf von Fraßmehl bzw. Fraßkot. Ein weiteres häufig zitiertes Merk- mal, welches als Beweis einer Vitalität gilt, sind die klassi- schen „Mehlhäufchen“ oder die an senkrechten Holzflä- chen findbaren „Ausmehlungs- fahnen“. Nachfolgend werden meist diese drei Kategorien des Beweises für eine aktuelle Aktivität angeführt: a) Es zeigen sich an diversen Ausflugslöchern frische Häufchen von Fraßmehl bzw. Kot der Holzschädlinge. b) An senkrechten Holzflächen sind unterhalb von Ausflugslöchern deutliche Fraßmehlfah- nen zu finden. c) Aussagen von dritter Seite (z. B. „Die waren vorher noch nicht da!“) Dieses vermeintlich sichere Merkmal wird zur- zeit durch Diskussionen innerhalb von Fach- kreisen in seiner Absolutheit massiv in Zweifel gezogen. Zentraler Punkt dieser Zweifel ist die mangelnde Abgrenzung von Spuren, die von Prä- datoren auf der Jagd oder von Insekten (Insec- ta) und Spinnentieren (Arachnida) im Rahmen eines sogenannten „Sekundärbefalls“ hinter- lassen werden. Es bleiben nach Betrachtung der erörter- ten Tätigkeitsspuren erhebliche Zweifel, ob es bei der Spurenfeststellung a) immer gelingt die Spuren der Tätigkeit von Holzschädlingen von denen seiner Jäger zu trennen. Die Spurenfeststellung nach b) erscheint noch kritischer, da hier neben Spuren von Prä- datoren und „Sekundärnutzern“ auch reine Aus- mehlungen infolge von Erschütterungen oder sonstigen mechanischen Einflüssen ursächlich sein können. (Der Begriff „Sekundärnutzer“ wird hier ein- geführt, da kein umgreifender Begriff für die In- sekten und Spinnentiere, welche ausschließlich der „selektiven Wahrnehmung“ sollte den Untersuchenden zu einer äußerst vorsichtigen Be- wertung dieser oft vermeintlich sicheren Feststellung von Sei- ten Dritter bewegen. A 2 „frische“ Fraßgänge Eine sichere Unterschei- dung zwischen „alten“ und „fri- schen“ Fraßgängen lässt sich in den meisten Fällen kaum in einer Weise finden, dass sich daraus Aussagen über eine ak- tuelle Vitalität treffen lassen. Sicherheiten gibt es meist eher über ein hohes Alter der Fraßgän- ge und dabei in der Form, dass Fraßgänge, z. B. in Bodendielungen, bereits vor längerer Zeit angeschliffen wurden oder das verdeckt liegen- de Fraßmehl, z. B. bei Nadelhölzern, bereits so deutlich ins gelbliche oxidiert ist, dass diese mit Sicherheit als „alt“ eingestuft werden können. Die gerade bei Befall durch die Larven des Haus- bocks immer wieder zu findende Ableitung, dass nach Entfernen der die Fraßgänge oberflächlich abdeckenden, papierdünnen Holzhaut das weiß- lich erscheinende Fraßmehl zwangsläufig frisch sein muss, kann so nicht bestehen bleiben. Der Prozess des „Vergilbens“ von Fraßmehl ist stark von den Faktoren Sauerstoff und Licht abhän- gig und deren partielle Einwirkungsintensität ist meist so unterschiedlich, dass sich daraus keine nachweisbaren Rückschlüsse auf das Befallsal- ter ziehen lassen. Auch hier treffen wir im Untersuchungsall- tag immer wieder auf das Phänomen, dass von dritter Seite darauf hingewiesen wird, dass die- se Fraßgänge vor kurzer Zeit noch nicht da wa- ren. Der Fachmann oder Sachverständige stößt erstaunlich oft auf ein langes Beharren dieses persönlichen Eindrucks und große Skepsis ge- genüber den Fachaussagen. Auch der Hinweis, dass z. B. die Fraßgänge bei Böden und Möbeln bereits vor längerer Zeit angeschliffen wurden oder mit alter Farbe gefüllt sind, führt nur wi- derwillig zu einer Aufgabe dieser sehr subjekti- ven Erinnerung. 1 siehe: GROSSER DIETGER, (1985): Pflanzliche und tierische Bau- und Werkholzschädlinge. DRW-Ver- lag, Leinfelden-Echterdingen S. 99, S. 107 etc. oder: SUTTER HANS-PETER (Bern 2002): Holzschädlinge an Kulturgütern erkennen und bekämpfen. 4. Aufl., Haupt Verlag, S. 145. 2 Als Kleptoparasitismus wird das Ausnutzen von Leis- tungen anderer Lebewesen bezeichnet, beispiels- weise das Stehlen von Nahrung oder das Ausnutzen von Nistgelegenheiten. 3 Probiose (auch Karpose genannt) ist eine ökologische Interaktion von artfremden Organismen (interspezifi- sche Wechselbeziehungen), bei der einer der beiden Partner einen Vorteil aus dem Zusammenleben zieht, ohne dem anderen zu nutzen oder zu schaden. 4 Synökie = Nutzung der Wohnstätte eines anderen Lebewesens, wenn zum Beispiel kleinere Tiere da- durch Schutz finden. Der Gastgeber duldet die Ein- mietung durch Gäste, solange die Gäste seine Nah- rungsreserven nicht wesentlich beeinflussen. 5 Metabiose ist ein stark einseitiges Abhängigkeits- verhältnis einer Art von der Tätigkeit einer anderen. Das heißt die Sekundärnutzer dieser Minierungen der Holzschädlinge sind auf das Vorhandensein dieser Gänge angewiesen. die Gänge und Öffnungen der Holzschädlinge nutzen, verwendbar erscheint. Auch die aus der Parasitologie stammenden Begriffe „Kleptopa- rasitismus“ 2 , „Probiose“ 3 (hier die der „Synö- kie“ 4 ) oder „Metabiose“ 5 treffen diesen Vorgang nur ungenau.) Der Befallsnachweis nach c) ist grundsätz- lich mit Vorsicht zu bewerten. Die Brisanz dieser Betrachtungen ist für den beruflichen Alltag des mit Holzschutz befass- ten Ausführungsbetriebes und des Holzschutz- sachverständigen außergewöhnlich hoch. Auch erscheint es dringend notwendig, die entspre- chenden Forschungsinstitute zu näheren Un- tersuchungen anzuregen. Es würde den Verfas- ser freuen, wenn es durch diesen Artikel in den Fachkreisen zu weiterführenden Diskussionen kommen würde. Verfasser: Lutz Parisek ö.b.u.v. Sach- verständiger für Holzschutz Am Schlossgarten 3 96194 Walsdorf Telefon: (09549) 8266 Telefax: (09549) 8382 E-Mail: info@parisek-saniert.de Schützen & Erhalten · März 2009 · Seite 22
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