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FACHBEREICHE Sachverständige Schützen & Erhalten · September 2007 · Seite 14 Es schreibt für Sie: Dipl. Holzwirt Georg Brückner Fachbereichs- leiter Sachver- ständige Roggenkamp 7a 59348 Lüdinghausen Telefon: (0 25 91) 94 96 53 Telefax: (0 25 91) 94 96 54 E-Mail: brueckner@dhbv.de Unverwertbarkeit des Gutachtens bei fehler- haft durchgeführter Ortsbesichtigung Verhandlung an den Sachver- ständigen Fragen zu stellen (§ 411 Abs. 4 ZPO, § 492 Abs. 1 ZPO i. V. m. 5 397 Abs. 1 ZPO). Es handelt sich dabei nicht um eine bloße Förmlichkeit, sondern durch die Mitwirkung der Parteien bei der Beweisaufnahme sol- len etwaige Unklarheiten und Unzulänglichkeiten beseitigt und gegebenenfalls Fehler korrigiert werden. Das Sach- verständigengutachten ist für den Prozessausgang fak- tisch oft entscheidend. Des- halb müssen die Parteien sich darauf verlassen kön- nen, dass der Sachverständi- ge in seinem Ergebnis noch nicht festgelegt ist, solange die Parteien ihr Fragerecht noch nicht ausgeübt haben und die Begutachtung nicht abgeschlossen ist. Im Streit- fall rechtfertigt die Stellung- nahme des Sachverständigen vom 2. November 2006 die – wenn auch nur subjektive – Befürchtung der Antragstel- lerin zu 2, eine Wiederholung des ohne ihre Ladung und in ihrer Abwesenheit durchge- führten Ortstermins sei sinn- los, weil der Sachverständige nicht mehr unvoreingenom- men sei. Das Landgericht hat dem Sachverständigen in der Verfügung vom 6. Oktober 2006 mitgeteilt, aufgrund der unterbliebenen Bekannt- gabe des Ortstermins gegen- über der Antragsgegnerin zu 2 sei zu erwägen, einen er- neuten Ortstermin mit allen Parteien durchzuführen und das Gutachten aufgrund die- ses Ortstermins neu zu er- statten. Daraufhin hat der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 2. No- vember 2006 erklärt: „Eine Wiederholung der vor Ort durchgeführten Untersuchun- gen wird zu keinem anderen Ergebnis kommen. Dabei wird es unerheblich sein, wer die- se Untersuchungen durch- führt.“ Außerdem heißt es in seiner Stellungnahme, die fehlende Anwesenheit der Antragsgegnerin zu 2 beim Ortstermin habe keinen Ein- fluss auf den Ausgang der Untersuchung gehabt, inso- fern sei es ,,abwegig“, das Gutachten in Frage zustellen und gänzlich zu verwerfen. Aufgrund dieser Äußerungen ist es verständlich, dass die Antragsgegnerin zu 2 den Eindruck gewonnen hat, der Sachverständige schließe von vornherein die Möglichkeit aus, dass Einwendungen oder Anregungen der Antragsgeg- nerin zu 2 eine Änderung seiner Auffassung zur Folge haben können. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die Antragsgegnerin zu 2 habe nicht aufgezeigt, auf- grund welcher Einwände ab- weichende Feststellungen vor Ort zu erwarten seien. Zum einen sind entsprechende Hinweise in der Beschwerde- schrift vom 4. Dezember 2006 enthalten. Zum ande- ren lässt sich im voraus nicht hinreichend beurteilen, wel- che Fragen und Anregungen der Antragsgegnerin zu 2 sich im Falle einer – vom Landgericht erwogenen – Wiederholung des Ortster- mins ergeben werden. 3. Die Frage, wer die ggf. anfal- lenden Kosten für eine wei- tere Begutachtung zu tragen hat, ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Fundstelle: juris ZPO §§ 42 Abs. 2, 485 Man wundert sich immer wie- der, dass Sachverständige bei der Durchführung von Ortsbe- sichtigungen entweder beide Prozessparteien nicht laden oder eine Partei ausschließen, weil die Gegenpartei dieser den Zutritt zum Grundstück verwehrt. Gutachten, die auf solchen rechts- widrig zustande gekommenen Orts- oder Objektsbesichtigungen beru- hen, können von den Gerichten nicht verwertet werden. Zudem verliert der Sachverständige seinen gesamten Vergütungsanspruch, wenn er grob fahrlässig gehandelt hat. Diese Grundsätze gelten auch in Verwaltungsgerichtsverfahren. Darauf macht das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 12.4.2006 (AZ: 8 B 91/05) ausdrücklich auf- merksam. Nach § 97 Satz 1 VwGO werden die Beteiligten von allen Beweisterminen benachrichtigt und können der Beweisaufnahme bei- wohnen. Diese Vorschrift gilt zwar unmittelbar nur für die Beweisauf- nahme durch das Gericht und nicht für die Ermittlung von Tatsachen durch den Sachverständigen zur Vorbereitung seines Gutachtens; sie ist aber auf Sachverhaltsermittlun- gen durch den Sachverständigen, insbesondere Ortsbesichtigungen, entsprechend anwendbar. Der Entscheidung des BVerwG können folgende Leitsätze entnom- men werden: 1. Den Beteiligten eines Ge- richtsverfahrens steht das Recht zu, auch bei den Er- mittlungen des Sachverstän- digen zur Vorbereitung des Gutachtens anwesend zu sein. 2. Unterbleibt die Benachrichti- gung der Beteiligten von der Ortsbesichtigung, ist das Ver- fahren unabhängig davon fehlerhaft, ob dies auf der unterlassenen Anordnung des Gerichts nach 5 404a Abs. 4 ZPO oder darauf beruht, dass der Sachverständige die An- ordnung missachtet hat. Bei- des führt regelmäßig zur Un- verwertbarkeit des Sachver- ständigengutachtens. 3. In der Regel wird sich nicht feststellen lassen, welches Ergebnis die Ortsbesichti- gung bei Anwesenheit der Beteiligten gehabt hätte. 4. Aufgrund der Rüge eines Beteiligten wegen der unter- bliebenen Benachrichtigung muss das Gericht den Sach- verständigen zur Wiederho- lung der Ortsbesichtigung in Anwesenheit der Beteiligten veranlassen oder eine eigene Ortsbesichtigung mit den Beteiligten und dem Sach- verständigen durchführen. 5. Erst auf Grund einer solchen Besichtigung, einer eventuel- len Stellungnahme der Betei- ligten und einer gegebenen- falls erforderlichen münd- lichen oder schriftlichen Ergänzung des Sachverstän- digengutachtens wäre eine prozessordnungsgemäße Überzeugungsbildung durch das Gericht auf der Grund- lage der Beweisaufnahme möglich. 6. Ausnahmen sind nur dann zulässig, wenn der Beteilig- ten den Verstoß zwar rügt, das Ergebnis des Gutachtens aber nicht infrage stellt oder wenn der Beteiligte auf die Einhaltung der Benachrichti- gung nachträglich ausdrück- lich oder konkludent durch rügelose Einlassung verzich- tet. Fundstelle: NJW 2006, S. 2058 = BauR 2006, S. 1451.

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