S&E Glossary

BGH zur Wirkung der Streit- verkündung gegenüber Sach- verständigen anzugreifen. Eine Streitverkündung ist also überhaupt nicht geboten. Entscheidend dürfte aber die Frage sein, wie sich der Sachver- ständige in einer solchen Situati- on nach Zustellung der Streitver- kündungsschrift verhält. Üblicherweise wird ein Streitver- kündeter mit der Streitverkündungs- schrift aufgefordert, der verkünden- den Partei beizutreten und diese zu unterstützen. Darüber hinaus wäre zu beachten, daß ein Streithelfer sich mit seinem Vorbringen nicht in Wi- derspruch zum Vorbringen der von ihm unterstützten Partei bringen darf; jedenfalls wird davon abweichender Vortrag nicht beachtet. Tritt ein Sachverständiger tat- sächlich auf Seiten einer der Par- teien bei, dann ist es zwangsläufig um seine Unparteilichkeit gesche- hen, weil er damit zugleich erklärt, daß er einer Partei helfen will. Das OLG Frankfurt hat mit Ur- teil vom 15.07.2004 (AZ: 1 U 78/ 01) entschieden, daß ein Sachver- ständiger mit Erklärung des Bei- tritts auf einer Seite aus dem Ver- fahren ausscheidet, und zwar nach § 41 ZPO (wie ein Richter, der selbst Partei ist oder der zu einer Partei im Verhältnis eines Mitberechtig- ten, Mitverpflichteten oder Regreß- pflichtigen steht). Damit wird dem Streitverkün- deten eine richterähnliche Positi- on zugeschrieben; ob dies richtig ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Immerhin zeigt aber die Praxis, daß ein Gutachten in aller Regel maß- gebenden Einfluß auf die Entschei- dung hat, daß also ein Sachverstän- diger das Ergebnis eines Rechts- streits zumindest mitbestimmt. Der Sachverständige befindet sich mit einer Streitverkündung zunächst in einer Zwickmühle. Setzt er sich gegen die per Streitverkün- dung vorgenommenen Angriffe nicht zu Wehr, so könnte dies da- hin mißverstanden werden, daß ihm auf die Angriffe nichts ein- fällt. Tritt er auf einer Seite bei, um sich zu verteidigen, dann hat er Partei ergriffen und ist nicht mehr unparteilich. Dann dürfte auch sein Gutachten nicht mehr für die Entscheidung verwertet werden können und es stellen sich weitere Fragen, z.B. wie mit den Kosten des Sachverständigen für die Erstellung seines Gutachtens umzugehen ist, usw… Ganz so problematisch ist die Position des Sachverständigen bei Lichte besehen aber auch nicht. Hat man die Absicht durchschaut, dann kann man sich hierauf einrichten. Ein Sachverständiger wäre nach meiner Einschätzung gut beraten, wenn er nach Zustellung einer Streitverkündungsschrift dem Ge- richt mitteilt, daß er die gegen ihn gerichteten Vorwürfe sachlich für unbegründet hält, daß er aber nicht die Absicht habe, im laufenden Rechtsstreit einer Partei beizutreten und daß er selbstverständlich bereit ist, sein Gutachten zu er- läutern, sofern dies von ihm ge- wünscht wird. Mit diesem Vorge- hen unterläuft er die Absicht des Streitverkündenden. Zugleich sollte der Sachverstän- dige jedenfalls diese Vorgänge sei- ner Haftpflichtversicherung mittei- len; vorsorglich. Was soll passieren, wenn der Sachverständige sich so verhält? Angriffe gegen ein Gutachten sind alltäglich. Hiermit muß jeder Sach- verständige mit der gebotenen Sachlichkeit und Gelassenheit um- gehen können; gegebenenfalls soll- te er Korrekturen oder Richtigstel- lungen vornehmen. Jeder Sachver- ständige ist für den Inhalt seines Gutachtens verantwortlich und unter den Voraussetzungen des § 839 a BGB in der Haftung. Ein Sachverständiger hat auch die Möglichkeit, auf vorgebrachte Kritik zu reagieren, wenn er näm- lich hierzu angehört wird oder mit der Ergänzung seines Gutachtens beauftragt wird. Sollte dies unter- bleiben, so könnte er hierauf zu- rückkommen und seine Auffassung rechtfertigen, sofern ihm tatsäch- lich eine Regreßklage zugestellt wird. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich (wie immer), mit dem Anwalt seines Vertrauens Kontakt aufzu- nehmen. Mit freundlichen Grüßen H. R. Jürgens, Rechtsanwalt Köln, 20. Februar 2006 Sehr geehrter Herr Grabow, in einer soeben veröffentlichen Entscheidung des BGH vom 12. Januar 2006 AZ: VII ZR 207/04 ist eine umstrittene Teilfrage vom BGH geklärt worden: Wird einem Sachverständigen im Laufe des Rechtstreits der Streit verkündet, dann ist er nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen. Die Gründe, die bei einem Rich- ter nach § 41 ZPO kraft Gesetzes zum Ausschluß führen (also in Sache, in denen der Richter zum Beispiel selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei im Ver- hältnis eines Mitberechtigten, Mit- verpflichteten oder Regreßpflich- tigten steht), gelten nicht für ei- nen Sachverständigen, wenn er nach Streitverkündung einer Par- tei des Rechtstreits betritt. Der BGH stützt dies darauf, daß es in der ZPO keine vergleichbare Regelung für den Ausschluß eines Sachver- ständigen gibt. Das im Rechtstreit erstellte Gutachten bleibt deshalb grund- sätzlich auch nach Beitritt des Sachverständigen verwertbar. Dabei muß es aber nicht blei- ben. Der BGH weist in den Ent- scheidungsgründen darauf hin, daß ein Sachverständiger nach § 406 ZPO mit den Gründen, die den Aus- schluß eines Richters von der Aus- übung des Richteramtes vorsehen, wegen Befangenheit abgelehnt werden kann, wenn er beigetreten ist. Wer einem Sachverständigen den Streit verkündet, der wird – jedenfalls dann, wenn der Sach- verständige beitritt – den zweiten Schritt nicht auslassen und einen Befangenheitsantrag stellen, wenn er das eigentlich verfolgte Ziel, daß Gutachten unverwertbar zu ma- chen, erreichen will. Es spricht also nach wie vor alles dafür, daß ein Sachverstän- diger gut beraten wäre, einen Be- tritt zugunsten einer Partei nach Streitverkündung zu unterlassen. Ob die Streitverkündung (auch ohne Betritt) dazu führt, daß der Sachverständige dann in einem späteren Rechtstreit (Regreß nach § 839 a BGB) an das Urteil ge- bunden wäre, ist noch nicht höchst richterlich geklärt worden, so daß in diesem Punkt weiterhin eine er- hebliche Unsicherheit besteht. Es dürfte allerdings konsequent sein, die sogenannte Interventi- onswirkung (Bindung an das Ur- teil) nicht gelten zu lassen, weil der Sachverständige nach wohl zutreffender (aber umstrittener) Meinung nicht „Dritter“ in dem vor- angegangenen Rechtstreit war. Kopie des vollständigen Urteils füge ich als Anlage bei. Mit freundlichen Grüßen H. R. Jürgens, Rechtsanwalt Schützen & Erhalten · März 2006 · Seite 16 DIE FACHBREICHE Sachverständige Foto: www.pixelquelle.de

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