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Schützen & Erhalten · Juni 2005 · Seite 30 AUS DER PRAXIS Der Bautenschützer als Künstler? Eine nicht alltägliche Herausforderung Bautenschützer stehen seit jeher in dem Ruf, Feuchtig- keitsprobleme des alltägli- chen Baugeschehens un- kompliziert und zielgerecht anzugehen und stets Lö- sungen parat zu haben. Grundlage dafür sind die geistige Beweglichkeit und das gewerkübergreifende Denken und Handeln. Ein Ereignis aus der Praxis soll dies verdeutlichen. „Willkommen in Hamburg. Wir freuen uns Sie im Hamburger Hafen begrüßen zu dürfen“. So schallt es immer wieder in kurzen Abständen aus einem großen Lautsprecher Richtung Elbe. Dann ertönen die National- hymnen. Die Flaggenparaden bie- ten dazu ein eindrucksvolles und immer wieder neues Schauspiel für die unzähligen Touristen. Die- se sind ganz gebannt oder ver- sonnen. Den teilweise hochhaus- hohen Schiffen aus aller Welt winken sie freudig zu. Die Rede ist von der Schiffbegrüßungsanlage „Willkomm Höft“ am Schul- auer Fährhaus in Wedel. Nur einen Steinwurf entfernt erinnern in einer Nach- kriegssiedlung die Straßen- namen an Städte in den ehemaligen deutschen Ost- gebieten. Inmitten dieser Häuseransammlung ist eine bescheidene kleine Parkan- lage angeordnet. Auf einem Sockel mit der Inschrift „HEIMAT WIR BLEIBEN DIR TREU“ steht ein athletischer Jüngling. Er schaut auf- wärts Richtung Sonne. Die Taube in der erhobenen rechten Hand ist zum Ab- flug bereit. Ein Symbol und Hoffnung auf eine bessere und friedliche Zukunft. Obwohl sich der Jüng- ling über die Jahre nicht bewegt hat, war er doch in die Jahre gekommen. Ermü- dungs- und Verschleißer- scheinungen in Form von Rissbildungen und Bindemittel- auswaschungen waren unüberseh- bar. Der weitere Verfall war ab- zusehen. Ein Funktionär der Hei- matvertriebenen mochte da nicht ruhen. Immer wieder sprach er beim Bauamt der Stadt Wedel vor. Die Dienstwege sind bekanntlich lang und so verstrichen noch einige Jahre bis man endlich zu Tat schritt. Aber dann ging es los. Denkmal und Kunst. Das passt irgendwie zu- sammen. Also forderte das Stadtbauamt einen begnadeten Künstler auf, ein Sanierungskonzept für das Standbild zu ent- wickeln. Der handelte wie beauftragt und machte die Bauprominenz dank seiner utopischen Preis- vorstellungen sprachlos. Ein Denkmal ist auch ein Bauwerk. So sah man in den örtlichen Bauunternehmen, die man jetzt anfragte, die Hoff- nung auf eine schnelle Lösung. Fehlanzeige. Keines der örtlichen Unternehmen sah sich in der Lage, diese Aufgabe zu lösen. Man war der Verzweiflung nahe. Doch der Verbandsfunktionär ließ nicht locker. In diesem Spannungsfeld zwischen den knappen finanzi- ellen Mitteln und der Bereitschaft zur Restaurierung des Standbil- des erinnerte man sich an das Motto „Wenn’s keiner kann, dann...“ des Bautenschützers aus der Nachbarkommune. Dieser sah keinerlei Probleme. Und so wur- de man sich schnell handelsei- nig. Die dann eingeleiteten Maß- nahmen zur Instandsetzung er- folgten nach den einschlägigen Arbeitsweisen der Betonsanie- rung. Die Figur wurde teilweise bis auf die metallische Stützkon- struktion freigelegt. Besonders betroffen waren aufgrund der langen Standzeit die Beine. Die Bereiche wurden neu aufgefüt- tert und ohne jede Form model- liert. Den eingeweihten Fachmann befriedigt der jetzt hergestellte Zustand natürlich nicht. Er lässt zu deutlich die Alt- und Neube- reiche erkennen. Diese gleichen sich zwar im Verlauf der Zeit an und vermitteln dem Betrachter dann ein einheitliches Erschei- nungsbild. Doch es war geboten, diesen Zeitraum abzukürzen. Dies erreichte man mit einem ganz einfachen Trick. Die Statue wurde ganzheitlich mit schlichter grauer Dichtungsschlämme einmassiert und nach Austrocknung mehrfach mit einer trans- parenten Siloxan-Imprä- gnierung geflutet. Als Fazit bleibt, Bau- tenschützer müssen sich auch in schwierigen Zei- ten keine Sorgen um Auf- träge machen. Vorausset- zung ist, dass sie sich ei- nen Ruf als Problemlöser erarbeitet haben und ihm auch gerecht werden. Nur wer Masse macht ist aus- tauschbar. Und deshalb kann der Jüngling wieder zuversichtlich der Sonne entgegen schauen. In die- sem Sinne ist der Bauten- schützer, wenn es der An- spruch erfordert, auch Künstler. Dieter Pietsch Bilder: Mike Speer

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