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Schützen & Erhalten · Juni 2004 · Seite 15 In der letzten Zeit taucht wieder öfter eine sehr „umweltfreundliche und schonende“ Sanierungs- methode auf. Viele Haus- besitzer haben Angst, dass bei einer Trockenle- gung ihr Haus „Schaden“ erleidet. Deswegen haben es manche Firmen leicht, ihre „mauerwerksscho- nenden“, jedoch auch fragwürdigen Verfahren anzubieten. Es fällt auf, dass insbesondere die Anbieter von elektrophysi- kalischen Verfahren mit fragwür- digen Argumenten sehr aggres- siv im Wettbewerb auftreten. Diese sind sehr geschickt dar- in, die jeweils anderen Verfah- ren schlecht zu machen. Man brauche sich nur die Prospekte und Homepages die- ser Anbieter anzusehen, die die sogenannte schonende Mauer- werkstrockenlegung verkaufen. Fast alle Anbieter haben Hin- weise darauf, dass die jeweils andere „Seite“ viele Fehler und Mängel hat und zu Schäden führt. Sie scheuen sich nicht Ver- gleiche anzustellen, zum Teil werden Bilder gezeigt (z.B. Zie- gelsteine die aus einem Sockel ausgebrochen sind etc.), die sehr spektakulär aussehen. Je- doch fehlt es immer an Fach- argumenten. Es handelt sich um eine Ver- fahrensvariante, die immer wie- der in mehr oder weniger mo- difizierter Weise auftaucht, nämlich um die „Trockenle- gungsart“ mittels „Elektro-Os- mose„ oder anderer elektrophy- sikalischer Methoden. Dabei soll mittels elektrischer Energie das Wasser in das Erdreich zurück- gedrängt werden. Es sind viele Parameter ent- schlüsselt, die „Saugfähigkeit“ der meisten Baustoffe ist gut erforscht. Diese Saugfähigkeit ergibt sich aus den Parametern: – Anzahl und Verzweigung der Kapillaren – Durchmesser, nach Größe und Häufigkeit eingeteilt – Oberflächenbenetzung dieser Kapillaren Weitere Fakten sind bekannt Aus praktischen Versuchen lässt sich ermitteln, in welcher Zeiteinheit wie viel Liter Was- ser „aufgesaugt“ werden kann. All das sind klassische physi- kalische Werte. Die Ergebnisse haben für jedermann Gültigkeit und sind nachvollziehbar. Praktische Ver- suche von Fachleuten bestäti- gen diese Ergebnisse eindeutig. Um diese Verfahren nicht wei- ter aufzuwerten, sollte vorab gesagt werden, dass diese in der Praxis nicht funktionieren. Durch Versuche an den Hochschulen in Delft, (NL) so- wie an der E.T.H. in Lausanne und Zürich (CH) wurde genau ermittelt, in welcher Zeit wie viel Liter Wasser „aufgesaugt“ werden und außerdem wie hoch dann diese Feuchtigkeit „auf- steigen„ kann. Wird nun diese Saugfähig- keit ermittelt, ergibt sich aus den vorgenannten Fakten rein rechnerisch eine Saugspannung von plus/minus 60 Volt. Jetzt kann man sich im Einzelfall darüber streiten, ob nun 30 oder besser 90 Volt richtig sind. Je- doch auch einem Laien wird klar, dass eine größere Kraft aufge- wendet werden muss, als die der Saugfähigkeit. Eine andere Untersuchung der Universität in Wien kommt zum Ergebnis, dass die Leistung des Saugens ca. fünfzehn Me- ter beträgt und bei Anlegen einer Feldstärke von zweihun- dert Volt pro Meter nur eine Be- einflussung von zehn Zentime- tern möglich ist. Es ist somit absoluter Non- sens, mit irgendeinem elektro- physikalischen Verfahren, des- sen Spannung z.B. 5–10 Volt geringer ist als die der Saug- fähigkeit einen signifikanten Effekt erreichen zu wollen. So gibt es noch andere be- kannte Größen, die eine Funk- tion verhindern, z.B. das Zeta- potential. Es ist dies der Effekt, der dadurch entsteht, dass eine Ladungstrennung an den Kapil- laroberflächen stattfindet, so- bald Flüssigkeit in einer Kapil- lare transportiert wird. Dabei sind die Effekte des Saugens bei Ziegel und Kalkmörtel unter- schiedlich zu bewerten, weil diese in einem umgekehrten Verhältnis (unterschiedliche Potentiale) zueinander stehen. Eine weitere Problematik ergibt sich aus dem bekannten Effekt, dass Wasser bei Anlegen von Spannungen von über 1,3 Volt zersetzt wird. Dabei kommt es zu einer Aufspaltung: an der Anode entsteht nasszierender Sauerstoff (sehr aggressiv), deswegen kommt es auch so- fort zu einer Korrosion der Elek- troden und an der Kathode wird Wasserstoff (ab 4% = Knallgas) erzeugt. Nun gibt es einige Sicher- heitsbestimmungen, die auch am Bau einzuhalten sind, weil bei der Zersetzung von Wasser auch Wasserstoff entsteht. Die- ses Gas ist leichter als Luft. Es müsste dafür gesorgt werden, dass diese Räume ausreichend be- und entlüftet werden. Die- se Anlagen unterliegen auch den Bestimmungen der VDE-Vor- schriften. All das sind klassische, phy- sikalische Werte. Die Ergebnis- se sind verbindlich und nach- vollziehbar. Von anerkannten Fachleuten durchgeführte Kon- trolltests bestätigen diese Er- gebnisse eindeutig. Die „Saugfähigkeit“ muss immer erst überwunden werden! Von keinem der Anbieter, die sich mit irgendwelchen „Zauber- kästchen“ auf dem Markt tum- meln, wird die Frage beantwor- tet: welche Vorgänge und Phänomene oder welche Natur- gesetze für die beschriebene Funktion verantwortlich sind. Es ist falsch, eine wissen- schaftliche Versuchsanordnung von Reuss (einem anerkannten Physiker der vor 200 Jahren ex- perimentierte) für einen Beweis der Funktionsfähigkeit dafür herzuziehen. Dieser hat Wasser im Labor in einem Glasrohr (und einiger Besonderheiten) durch Anlegen einer bestimmten Span- nung und Elektroden von a (An- ode) nach b (Kathode) trans- portiert. Es ist zwar richtig, dass die- ses Experiment funktioniert. Es ist jedoch falsch daraus abzuleiten, dass bei einem an- deren Material als dem im Ex- periment erwähnten oder bei unterschiedlichen Baustoffen (zum Teil auch versalzen) mit unterschiedlicher elektrischer Leitfähigkeit dieses Experiment in die Praxis der Mauertrocken- legung zu übertragen ist. Neue Forschungs- ergebnisse liegen vor Sehr interessante Ergebnisse wurden von der Akademie Es- slingen in Zusammenarbeit mit der *WTA. – Wissenschaftlich- Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege – im Dezember 1999 vorgestellt. DIE FACHBEREICHE Bautenschutz Elektroosmose Ein Erfahrungsbericht

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