S&E Glossary

Betriebswirtschaftslehre Die Mitarbeiter/-Chefbewertung – Teil 1 – Gute Mitarbeiter waren schon immer gesucht, nicht erst seit dem demographi- schen Wandel mit rückläufiger Geburten- rate. Nur hat sich seitdem der Wettbewerb um gute Mitarbeiter deutlich verschärft, was sich auch in absehbarer Zeit kaum ändern dürfte. Erschwerend kommt hinzu, dass es Berufsbilder im Handwerk gibt, die eine deutliche Präferie- rung erfahren. So steht nach wie vor der Beruf des Kraftfahrzeugmechatroniker auf der obersten Skala der handwerklichen Berufswünsche junger Menschen, die Berufsgruppen des Bau- und Aus- bauhandwerks folgen erst später. Grund genug, dass „betroffene Betriebe“ nicht nur über zu- künftige Mitarbeiter nachdenken, sondern auch alles daran setzen, um die Bestehenden zu hal- ten. Hier stellt sich dann die schwierige Frage, mit welchen Maßnahmen dieses Ziel am besten zu erreichen ist? Oftmals wird versucht die Mitarbeiterbin- dung über eine Erhöhung des Stundenlohnes zu bewerkstelligen. Wie sich bei Mitarbeiter- befragungen im Handwerk gezeigt hat, spielt die monetäre Ausgestaltung des Arbeitsverhält- nisses nicht mehr die entscheidende Rolle für die Mitarbeiterloyalität, sofern natürlich eine gewisse Größe erreicht wurde. In Zeiten feh- lender Fachkräfte kann es sich sowieso kaum noch ein Betrieb erlauben, lediglich den Min- destlohn zu zahlen, wenn er nicht Gefahr lau- fen möchte, einen qualifizierten Gesellen an den Mitbewerber zu verlieren. Heute zählen weiche Faktoren, wie die regionale Nähe zur Wohnstät- te, das Betriebsklima, der Umgang zwischen Chef und Mitarbeiter und den Kollegen unter- einander zu den Gründen, warum Mitarbeiter in ihrem Betrieb arbeiten. Und insbesondere das Betriebsklima wird entscheidend von der Qualität der internen Kommunikation und der persönlichen Wahrnehmung eines jeden Betei- ligten bestimmt. Diese weicht allerdings nicht selten zwischen Chef und Mitarbeiter ab, was zu Konflikten führen kann. Um dem entgegen- zuwirken, hat sich das Instrument der Mitarbei- ter- und Chefbewertung bewährt. Hierbei wird zum einen der Mitarbeiter vom Chef und auch von sich selbst nach verschiedenen Kriterien bewertet und der Chef von allen Mitarbeitern. Im Vorfeld der Durchführung werden vom Un- ternehmer die Mitarbeiterkriterien festgelegt, die ihm in seinem Betrieb mit seinen Rahmenbedin- gungen wichtig sind. Hierbei geht es nicht nur um die hard facts, wie die Beherrschung einer Handwerkstechnik oder deren Schnelligkeit, son- dern auch weiche Faktoren, wie ein vorhandener Führerschein, die Bereitschaft zu Überstunden oder Auswärtsbaustellen. Danach wird über ein Punktesystem eine Wertigkeit vergeben. Das Kriterium, das für den Betrieb den höchsten Nutzen hat, erhält eine höhere mögliche maximale Punktezahl als Be- reiche, die einen geringeren Stellenwert haben. Beispielsweise das Vorhandensein eines Füh- rerscheins schlägt mit 3 Punkten zu Buche, bei einer guten handwerklichen Ausführung kann der Mitarbeiter im besten Fall 10 Punkte erreichen. Die Mitarbeiter werden im Vorfeld der Mit- arbeiterbewertung über Ziel und Ablauf infor- miert, um auch die Akzeptanz der Befragung zu erhöhen. Gerade bei der erstmaligen Durchfüh- rung einer Bewertung ist es notwendig auch Be- fürchtungen entgegen zu treten, insbesondere den Bedenken, dass die Bewertung sich (was meist vermutet wird) negativ auf die Bezahlung auswirken könnte. Nach der Erstellung des Bewertungsbogens bewertet sowohl der Mitarbeiter sich selbst, als auch der Chef den Mitarbeiter. Bei größeren Be- trieben eventuell unter Hinzuziehung des Mei- sters, der den Mitarbeiter im Regelfall betreut und eine Aussage zur jeweiligen Qualifikation des Mitarbeiters treffen kann. Um darzulegen, dass es bei der Bewertung um eine ehrliche Reflektion der Fähigkeiten und Potenziale eines jeden Mitarbeiters geht, mit dem Ziel den Betrieb insgesamt voranzubringen, erfolgt parallel vom Mitarbeiter eine Chefbe- wertung. Hier hat er die Möglichkeit, Punkte zu vergeben für Eigenschaften und Leistungen, die der Chef erbringt. Zum Beispiel wie gut er die Baustellen organisiert, ob er bei den Kol- legen und den Kunden beliebt ist oder ob die Mitarbeiter sich gerecht und menschlich be- handelt fühlen. Diese Chefbewertung erfolgt anonym, um eine realistischere Einschätzung zu erhalten. Sowohl die Chef-, als auch die Mitarbeiter- bewertungen werden dann hinsichtlich ihrer Punktezahl ausgewertet und bilden die Grundla- ge für die nachgelagerten Einzelgespräche. Hier erfolgt dann die direkte Gegenüberstellung der Mitarbeiterbewertung, die der Chef vorgenom- men hat zur Einschätzung des jeweiligen Mitar- beiters von seinen Eigenschaften und Fähigkei- ten. Gerade dieses Gespräch, nach dem Motto: „Wo sehe ich Dich, wo siehst Du Dich“, führt zu interessanten Ergebnissen. Außer diesen in der Regel sehr konstruktiven Einzelgesprächen, wo auch dem Mitarbeiter das Ergebnis der Chefbewertung der Kollegen kom- muniziert werden sollte, können über die Abwei- chungen der Summe aller Einzelbewertungen zur jeweiligen maximalen Punktezahl die Bereiche eruiert werden, in denen der Betrieb sich noch weiterentwickeln sollte. Wäre beispielsweise der Leistungsbereich „Fähigkeiten und Kenntnisse bei der Schimmel- beseitigung“ für den Betrieb so wichtig, dass ein Mitarbeiter im Idealfall 10 Punkte hätte er- reichen können, der Gesamtdurchschnitt aller bewerteten Mitarbeiter aber lediglich bei nur 6 Punkten liegt, zeigt dies einen deutlichen Handlungsbedarf für Schulungsmaßnahmen auf. Wird die Bewertung regelmäßig einmal im Jahr durchgeführt, kann im Zeitablauf sowohl die Entwicklung des Gesamtbetriebes, als auch jeden Mitarbeiters und des Chefs selbst festge- stellt werden. Natürlich kann es auch Probleme bei dem Ablauf einer Mitarbeiterbewertung geben. Die Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, an einer Mitarbeiterbewertung teilzunehmen. Wenn sich ein Mitarbeiter bzgl. einer Eigenbewertung bzw. einer Bewertung des Chefs verweigert, so gibt es keine arbeitsrechtlichen Mittel, um ihn dazu zu zwingen. Es gehört schlichtweg nicht zu den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen eines Mitarbeiters, sich an einer solchen Bewertung zu beteiligen. Eine Verweigerung der Eigenbewertung und auch der Bewertung des Chefs darf aus arbeits- rechtlicher Sicht jedoch nicht dazu führen, dass ein Mitarbeiter deswegen negativer be- wertet wird. Bei der Mitarbeiterbewertung muss auch be- achtet werden, dass teilweise Datenerhebungen über Mitarbeiter unzulässig sein können. So könnte die Datenerhebung, dass sich ein Mit- arbeiter weigert an einer Mitarbeiterbewertung aktiv teilzunehmen und dies mit einer gerin- geren Punktzahl hinsichtlich des Engagements eines Betriebs bewertet wird, unzulässig sein. Auch die Fragestellung bzw. die Bewertung einer Mitarbeiterin bzgl. einer evtl. zukünftigen Fami- lienplanung wäre eine solch unzulässige Frage- stellung bzgl. der unzulässigen Datenerhebung. Bei der Datenerhebung und der Fragestellung muss also beachtet werden, dass nicht jede Fra- ge zulässig ist. Im Groben kann sich bzgl. der Fragestellung daran orientiert werden, ob eine solche Frage in einem Einstellungsgespräch zu- lässig wäre. Es schreibt für Sie Diplom-Betriebswirt Wolfgang Krauß Seit über 22 Jahren in der betriebswirtschaftlichen Beratung von Handwerks­ betrieben tätig Weichselbrunn 8 83137 Schonstett Mobil: (0172) 7499102 E-Mail: wolfgangkrauss-beratung@t-online.de Internet: www.beratungfuershandwerk.de Es schreibt für Sie RA Andreas Becker Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Schiffgraben 17 · 30159 Hannover Telefon: (0511) 374841-0 Telefax: (0511) 374841-20 E-Mail: info@kb-recht.de Internet: www.kb-recht.de Schützen & Erhalten · März 2015 · Seite 30

RkJQdWJsaXNoZXIy OTg3NzQ=