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Schützen & Erhalten · Juni 2021 · Seite 31 FACHBEREICHE I SACHVERSTÄNDIGE nicht dennoch ein jedenfalls von einer Mehrheit getragener Konsens für eine Ansicht gebildet hat, der lediglich von einer nicht unbedingt absolut, aber doch relativ als solche anzusehenden Minderheit engagiert in Frage gestellt wird; immerhin erwähnt der Gutachter selbst, dass unbelüftete Konstruktionen zumindest in Forschungsberichten (so- gar) „favorisiert“ würden. Nicht zuletzt in der Rechtswissenschaft ist es in dieser Hinsicht häufig schwierig festzustellen und dann gegebenenfalls schon wieder insofern umstritten, welche Meinung in bestimmten Rechtsfragen nun gerade die „herrschende“ ist. Es kann insoweit auch nicht außer Acht gelassen werden, dass nach der Fassung der DIN 4108 aus dem Jahr 2014 eine Zulässigkeit von unbelüfteten Dächern, bei denen sich Holz oder Holzwerkstoffe zwischen Dachabdichtung und diffusionshem- mender Schicht befinden, erneut nicht generell ausgeschlossen, sondern ledig- lich von einem rechnerischen Nachweis abhängig gemacht wird; dass der in dem vorliegenden Rechtsstreit bestellte Sachverständige dies selbst für „Unsinn“ hält, sagt über die allgemeine Aner- kennung einer solchen Bauweise nach dem Maßstab einer Meinungsmehrheit erneut nichts aus. Seine Bezugnahme auf zwei Werke der Fachliteratur, welche seine Auffassung stützen, ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, um den stattdessen erforderlichen Überblick über den Meinungsstand in seiner Gesamtheit und eine danach vorzunehmende Ge- wichtung zu gewährleisten.“ Praxishinweis hierzu von RA Prof. Dr. Heiko Fuchs, Mönchengladbach, in der IBR Immobilien- & Baurecht, Ausgabe 5/2021, Seite 235. „Auch das OLG Hamm (IBR 2021, 136) geht bei in diesem Zeitraum errich- teten Warmdächern nicht von einem Mangel aus. Die Vermutungswirkung zu Gunsten von DIN-Normen wird aber zunehmend kritisch gesehen (Ritter-Höll/ Vogel, BauR 2019, 1681). Unklar bleibt auch, wie die Vermutung konkret wider- legt werden kann (dazu Seibel, NZBau 2020, 558).“ Neben der Frage „Technische Regel – allgemein anerkannt?“ sind auch noch weitere Fragen in diesem Verfahren zu klären, wie z.B. – die planerische Leistung des vom Kläger im Vorfeld der Maßnahme hinzugezogenen Sachverständigen – eine evtl. erforderliche Mängelanzei- ge durch den Beklagten – der Anteil der nachträglich durchge- führten Arbeiten am Dach in Bezug auf die entstandenen Schäden – … Ist die gesamte Sache unklar und viel zu kompliziert für eine klare Entscheidung, endet es in Bauprozessen meistens … in einem Vergleich. So auch beim OLG Ros- tock, welches vorschlägt den Rechtsstreit wie folgt zu lösen: „Tenor: I. Den Parteien wird unter wirtschaftli- chen Gesichtspunkten der Abschluss eines wie folgt zu formulierenden Vergleiches vorgeschlagen: 1. Der Beklagte verpflichtet sich zur Erledigung dieses Rechtsstreits, an den Kläger 14.500,00 Euro zu zahlen. 2. Mit diesem Vergleich sind sämt- liche wechselseitigen Forderun- gen der Parteien aufgrund des Auftrages gemäß dem Verhand- lungs- und Vergabeprotokoll vom 07.04.2010 über Dachdecker- und Zimmererarbeiten bei dem Bauvorhaben „Sanierung des ###“, seien sie erkennbar oder nicht, erledigt. 3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3, der Beklagte zu 1/3. II. Es besteht Gelegenheit zur Stellung- nahme auf den Vergleichsvorschlag und auf die unten erteilten Hinweise binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. III. Der Streitwert des Berufungsverfah- rens wird vorläufig auf bis zu 45.000,00 Euro festgesetzt.“ In seiner Begründung führt das OLG Rostock unter II. (Gründe: II.) aus: „II. Nach all dem ist eine Fortführung des Rechtsstreits mit dem Ziel einer streitigen Entscheidung für beide Parteien mit er- heblichen Prozess- und auch wirtschaft- lichen Risiken verbunden. Ausdrücklich ohne das Ergebnis einer fortgesetzten Beweisaufnahme vorwegnehmen zu wollen, könnte es perspektivisch doch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, die Anerkennung einer Dachkonstruktion der vorliegend streitigen Art durch eine Mehrheit der technischen Fachleute als mit den Regeln der Technik übereinstimmend zu einem zehn Jahre zurückliegenden Zeitpunkt zwar nicht in der Lehre, aber (auch) in der Praxis festzustellen. Selbst wenn die- ser Beweis gelänge, ergäbe sich wegen einer Mitverantwortung des Klägers eine deutliche Reduzierung seiner Forderung, während anderenfalls weiterer Beweis zu erheben wäre zu Ausführungsmängeln des Daches mit einem voraussichtlichen Kostenaufwand, der demjenigen um- fangreicher Nacharbeiten wahrscheinlich schon selbst nahe käme; führte eine solche Beweisaufnahme nicht zu einem vollen Erfolg für den Kläger, könnte ein (bloß) teilweises Obsiegen in der Hauptsache durch eine entsprechende Kostenquotelung im wirtschaftlichen Ergebnis wieder entwertet werden. Für den Beklagten ergäben sich bei unge- wissem Ausgang der Beweisaufnahme umgekehrt entsprechende Risiken, welche für die Bildung einer Vergleichs- quote aufgrund der weit überwiegenden Darlegungs- und Beweislast des Klägers für diesen jedoch höher zu gewichten waren.“ Der gesamte Wortlaut des Beschlus- ses vom 23.09.2020 des OLG Rostock lohnt sich zu lesen und kann unter verschiedenen öffentlich zugänglichen Datenbanken im Internet eingesehen werden. Geben Sie hierzu in Ihre Inter- netsuchmaschine „OLG Rostock“ und „4U 86/19“ ein. ©vectorjuice
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