Schützen & Erhalten · Juni 2009 · Seite 6
Eine kurze Unaufmerksamkeit, infolge seiner
verzehrenden Schaffenskraft, so Gaudi Experte
Miguel, war wohl der Grund, dass der kreative
Baumeister unmittelbar vor der Sagrada Familia
von einer Straßenbahn überfahren wurde und drei
Tage später starb. Nach seinem Tod 1926 wur-
den die Bautätigkeiten gestoppt und erst nach
Ende des Franco Regimes im Jahre 1975 wieder-
aufgenommen. Heute gehören zur Dombauhütte
mehr als 300 Beschäftigte. Die entstehende Ka-
thedrale ist nicht nur die bekannteste Attraktion
Barcelonas, sondern auch das meist besuchtes-
te Gebäude Spaniens. Und
„wenn ich nur eine
Stunde zum Besuch Barcelonas hätte, würde ich
die Sagrada Familia besuchen“
riet uns Miguel.
Die spindelartigen 115m hohen Türme erinnern
an eine Sandburg und der geplante Hauptturm
über der noch nicht errichteten Hautkuppel soll
sogar einmal den Kölner Dom überragen. Mit 170
Meter ist er Jesus Christus gewidmet.
„Mit den
komplexen Verzierungen und dekorativen Elemen-
ten will uns der Baumeister Geschichten erzählen“
erläuterte Dipl.-Ing. Rafael Gomez, Mitarbeiter
der Dombauhütte. Diese Kathedrale sei aber
nicht nur das Werk eines Baumeisters, sondern
mehrerer Generationen. Gegenwärtig besitzt der
Sühnetempel der Heiligen Familie zwei Fassaden.
Die von Gaudi erstellte Weihnachtsfassade, wel-
che die Geburt Jesu in zahlreichen Ornamenten
und Skulpturen darstellt. Diese weichen, fließen-
den, runden Formen werden durch kantig, eckige
Darstellungen auf der gegenüberliegenden Pas-
sionsfassade abgelöst. Diese düster anmutende
Fassade, mit den Skulpturen des Joseph Subi-
rach, zeigt den Leidensweg Christi. Der Besuch
der Bauhütte, um dort den Stuckateuren und
Steinmetzen über die Schultern zu schauen, war
ebenso interessant wie aufschlussreich. Jeder
zu verbauende Stein muss von Hand angepasst
werden, industriell vorgefertigte Steine können
nicht verwendet werden. Bis 2012 wird noch im
Kirchenschiff gebaut. 2020 sollen die Fassaden
fertiggestellt sein. Die historische Entwicklung,
die speziellen Bautechniken und Bauformen der
ungewöhnlichsten Kirche sowie die sich daraus
ergebenden Fragestellungen wurden uns detail-
liert in der historischen „Escoles de la Sagradia
Familia“ erklärt. In dieser historischen Bauschule
ist auch das Arbeitszimmer Gaudis zu besichti-
gen. Die Finanzierung der Bauarbeiten erfolgen
noch immer über Spenden und Eintrittsgelder.
Jährlich werden über 22 Millionen Euro für den
Weiterbau aufgebracht.
Estadi Olimpic de Montjuic
Das Olympiastadion Barcelonas befindet
sich oberhalb der Stadt auf dem Berg Montjuic.
Gebaut wurde das Stadion bereits 1929 für die
damalige Expo. Seit 1980 fanden umfangreiche
Sanierungen an der Bausubstanz statt, damit
1992 die Olympischen Sommerspiele oberhalb
Barcelonas ausgerichtet werden konnten. Zur
Zeit der Spiele bot das Stadion 60.000 Sitz-
plätze. Nach dem Ende der Spiele wurde das
Stadion erneut umgebaut und ist heute Hei-
mat des 2. Fußballvereins Barcelonas, des RCD
Espanyol.
Port Olímpic
Der olympische Hafen wurde 1992 für die
Olympischen Spiele gebaut und ist ein weiteres
Wahrzeichen der Stadt. Die angrenzende Stadt-
teilsanierung gilt als ehrgeiziges Projekt. „El Ra-
val“ (arabisch: die Vorstadt) war einst eines der
wenigen Überbleibsel der maurischen Herrschaft
über Barcelona. Im Mittelalter galt der Raval als
Ort der Kranken, Armen und Ausgegrenzten. Au-
ßerhalb des zweiten Stadtmauerrings gelegen, bot
er all jenen eine Zuflucht, die im Zentrum nicht
erwünscht waren, also Bettlern, Geächteten und
Vogelfreien. Später fanden in den in Wohnblö-
cken Migranten, Zugereiste aus den ländlichen
Regionen Spaniens, eine neue Heimat, danach
Migranten aus Afrika, Osteuropa oder Lateiname-
rika. Der Ausländeranteil Barcelonas ist mit fast
16% sehr hoch. Auch hier sind Migranten billige
Arbeitskräfte, was bei genauer Betrachtung auf
Barcelonas Baustellen auszumachen war.
„Sie
transformieren förmlich die Stadt in schöne Stadt-
teile zum Einkaufen und Konsumieren“
erläuterte
die uns hier begleitende, „ebenfalls zugereiste“,
englische Stadtarchitektin Johanna. Nachdem die
Abrissbirne kräftig geschleuderte wurde, ist aus
dem einstigen Armuts- und Rotlichtviertel der ma-
ritime Szenebezirk wie
„ein Phönix aus der Asche
entstanden“.
Heute zählt er zu den beliebtesten
Meilen der Metropole.
„Entsprechend haben sich
die Wohnungspreise“,
so Johanna,
„in den letz-
ten acht Jahren mehr als verdoppelt“.
Plaça de Catalunya und Barri Gotic
Die Placa de Catalunya verbindet als zentra-
ler Verkehrsknotenpunkt Barcelonas die histo-
rische Altstadt mit der Innenstadt und war der
ideale Ausgangspunkt einer fußläufigen Stadt-
führung. Der Platz, direkt vor den Toren der Alt-
stadt gelegen, wurde schon im 19. Jahrhundert
als zentraler Knotenpunkt geplant und von 1902
bis 1929 nach den Plänen von Francesc Nebot
umgestaltet.
Von der bekanntesten Flaniermeile „La Ram-
bla“, eine breite Allee, die vom Zentrum bis zum
Hafen führt, ging es in das gotische Viertel (Barri
Gotic), den historischen Stadtkern Barcelonas. Mit
seinen Plätzen, Palästen und verwinkelten Gassen
ist es die repräsentative Mitte der Stadt.
Für einen Bautenschützer erwies sich das
Barri Gotic aufgrund seiner architektonischen
Vielfalt und seiner teils gelungenen, teils gro-
tesken Mischung aus Neu- und Altbauten als ein
wahres EL Dorado von Anschauungsobjekten und
bot daher reichlich Diskussionsstoff.
Wobei nicht alle Fragen so leicht zu beant-
worten waren, wie die: Warum die
„La Catedral“,
die Kathedrale der heiligen Eulalia, Setzungsris-
se aufwies? Die Erklärung war ein angrenzender
Tiefgaragenbau, was gleich zur Fachsimpelei
bezüglich notwendiger Sicherungs- und Verfes-
tigungsarbeiten animierte.
Thema
DHBV-Exkursion 2009