Fachliche Argumentation:
Die aktuelle Holzschutznorm DIN 68800, Teil 4
bezieht dazu unmissverständlich Stellung − ohne
Wenn und Aber:
„8.2.1.3 Oberflächenmyzel, Fruchtkörper
sowie alle sichtbar befallenen Hölzer, auch
wenn sie noch nicht geschädigt sind, sind
zu entfernen.“
In einer anmerkenden Fußnote kann man lesen:
„
Entfernen bedeutet bei Balken, Dielen usw.
in der Regel ein Abschneiden der betreffenden
Holzteile. Ein Abbeilen ist unzureichend.“
Die Reduzierung der Rückschnittlänge von 1,0m
auf 0,5m in Sonderfällen soll hier einmal au-
ßen vor bleiben.
Im bisher noch nicht veröffentlichten Kom-
mentar wird die kompromisslose Vorgehenswei-
se bekräftigt:
„Ein Abschneiden befallener Holzbauteile ist
bei Befall durch den Echten Hausschwamm
unabdingbar. Ausgenommen sind hiervon
wertvolle, unersetzliche Hölzer im denkmal
pflegerischen Bereich, die einen Ausbau ver
bieten oder dass durch Ausbau der Befalls
hölzer andere unersetzliche Bausubstanz zer
stört würde. In diesen Fällen muss aber in den
verbleibenden Befallshölzern durch geeignete
Maßnahmen (z.B. das Heißluftverfahren als
Sondermaßnahme nach Anhang E; vgl. auch
Kommentierung zu 4.3.1) das Myzel abge
tötet werden, um ein Wiederaufleben aus
zuschließen.“
Lediglich an denkmalgeschützten Objekten sind
Abweichungen vom Regelwerk unter gewissen
Voraussetzungen möglich.
Nun kann argumentiert werden, dass der
Pilz nicht in der Lage ist zwischen denkmalge-
schützten Gebäuden und profanem Wohnungs-
bau zu unterscheiden. Warum kann man also im
Wohnungsbau nicht auch eine sog. sanfte Sa-
nierung, unter Beibehaltung der Holzsubstanz,
wagen? Nicht wenige Holzschutzexperten pro-
pagieren dies und können es fachlich-logisch
nachvollziehbar erläutern. Hinweisen möchte
ich an der Stelle auf den S&E-Beitrag im Heft
2012/1 vom Kollegen Joachim Wießner, der sei-
ne Erfahrungen zur Diskussion stellte.
Im Denkmal zwingt uns die Wertigkeit des
Gebäudes zu Abstrichen bei der regelkonformen
Schwammbekämpfung. Aus diesem Grund werden
dann Sondermaßnahmen in die Regelsanierung
integriert. Dies bedeutet mehr Aufwand und
mehr Kosten. Insbesondere Letzteres will man im
Wohnungsbau jedoch vermeiden und verzichtet
auf Sondermaßnahmen. In dem Fall bleibt ein
ernstzunehmendes Restrisiko bestehen, für das
kaum jemand eine Haftung übernehmen möchte.
Weicht man von den Vorgaben der Norm ab,
setzt sein gesamtes Fachwissen und den gesun-
den Menschenverstand ein, erteilt Auflagen be-
züglich der weiteren Nutzung und schafft ange-
passte werkvertragliche Regelungen, so müsste
doch eine erfolgversprechende Schwammbe-
kämpfung im profanen Wohnungsbau möglich
sein. So die Überlegung aus rein fachlicher Sicht.
Die Juristen sehen dies jedoch ganz anders
und die Norm lässt solch eine Vorgehenswei-
se nicht zu.
Juristische Argumentation:
Im streitgegenständlichen Verfahren lehnt das
Berufungsgericht (Landgericht) eine Sanierung
in Abweichung der Norm ab:
„[…] wonach die Sanierung des Dachgeschos
ses gemäß den Vorgaben von Herrn […] und
abweichend von der DIN 68800 Teil 4 ausge
führt werden soll, widerspricht den Grundsät
zen ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs.
4, 5 Nr. 2 WEG).“
Diese Entscheidung wird u.a. vom Berufungsge-
richt wie folgt begründet:
„Das Erfordernis der Sanierung unter Beach
tung der Vorgaben aus der DIN 68800 Teil
4 ergibt sich für das Berufungsgericht aus
dem gerichtsbekannten Umstand, dass ein
einmal vorhandener Befall von hölzernen
Bauteilen mit Destruktionsfäule wie echtem
Hausschwamm jederzeit wiederaufleben und
sich verschlimmern kann, sobald es wieder zu
einem Feuchtigkeitseintrag im Bereich der be
troffenen Bauteile kommt […]. Diese Bewer
tung gilt auch dann, wenn derzeit im Bereich
der betroffenen Bauteile keine Umstände wie
ein frisches Myzel oder ein Fruchtkörper eines
Pilzes sichtbar sind, die auf eine Aktivität der
vorhandenen Schädlinge schließen lassen, und
wenn der Befall bzw. die Aktivität der Schäd
linge schon längere Zeit zurückliegt.
Das Eintreten von Feuchtigkeit im Bereich
eines Dachgeschosses kann […] nie ganz
ausgeschlossen werden.
Es ist daher für die Frage des Umfanges der
[…] Sanierungsmaßnahme letztlich egal,
wann die Ursache für das Auftreten von
echtem Hausschwamm etc. in der Geschoss
decke oberhalb des 4. Obergeschosses – etwa
durch eine Beschädigung des Daches und
durch die mangelhafte Behebung dieser Schä
den – gesetzt wurde und welche Zeiträume
seitdem vergangen sind.“
Mit dem Hinweis auf die Grundsätze der ord-
nungsgemäßen Verwaltung spricht das Gericht
eine überraschende Empfehlung aus:
„Nach Auffassung des Berufungsgerichtes ist
auch bei geringer Schädigung von Hölzern
deren kompletter Austausch zu empfehlen.“
Weiterhin weist das Gericht auf die Regeln der
Baukunst und die Konsequenzen der Nichtein-
haltung hin:
„Der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwal
tung aus § 21 Abs. 4, 5 Nr. 2 WEG gebietet es
nach der Auffassung des Berufungsgerichtes,
dass eine Gemeinschaft bei der Durchführung
einer Sanierungsmaßnahme den anerkannten
Stand der Technik sowie die Regeln der Bau
kunst beachtet. Dies muss insbesondere für
komplizierte SanierungsMaßnahmen gelten,
etwa die Beseitigung von Destruktionsfäule im
Fachbereiche
Holzschutz
Schützen & Erhalten · September 2012 · Seite 8