Schützen & Erhalten - page 36

Landesverbände
Berlin/Brandenburg
Ritter Kahlebuz und das Sanssouci der Pferde
Was haben Deutschlands wichtigste Mumie
und eine der größten Pferdezuchtanstalten
Europas gemeinsam? − Beide sind mehr
als 300 Jahre alt, bestens erhalten und
die Attraktion in einer Region in der es
– so weit das Auge reicht − nichts außer
Sand, Kiefern, Äcker und Wiesen zu geben
scheint.
Derart abgeschieden in das kleine Dörfchen Kam-
pehl hatte Peter Schmidt, der neue Landesvor-
sitzende von Berlin/Brandenburg, zu seiner er-
sten großen Frühjahrstagung eingeladen. Viele
kamen, denn das Programm konnte sich in be-
ster Tradition sehen lassen. Fachvorträge zur
Beschichtung von Terrassen und Balkonen sowie
Abdichtungen mit Flüssigkunststoffen bildeten
den fachlichen Teil, eine Kremserfahrt zum Lan-
desgestüt Neustadt an der Dosse den kulturellen
und ein Besuch beim nackten Ritter Kahlebuz
den schauerlich historischen Part der Tagung,
der dann auch Anlass für ein abschließendes
zünftiges Rittermahl war.
Es ist die Sage von Mut, Meineid, Begierde
und Zorn. Der Ritter Kahlebuz zu Kampehl hatte
gegen die Schweden besonders heldenhaft ge-
kämpft, sodass ihn der Kurfürst von Brandenburg
mit dem Gute Kampehl belehnte. Er heiratete eine
Frau aus altem Adelsgeschlecht, hatte mit ihr
elf Kinder, bestand aber bei seinen Untergebe-
nen auf das damals in der Region noch übliche
Recht der ersten Nacht. Nun geschah es, dass
sich ihm eine Magd seines Gutes, deren Hoch-
zeit mit dem Schäfer des Nachbardorfes bevor-
stand, verweigerte. Blind vor Zorn erschlug Kah-
lebuz den Schäfer und da es keine Zeugen gab,
schwur der Ritter einen heiligen Eid, er wolle
nach seinem Tode nicht verwesen, sondern ru-
helos umhergehen, wenn er den Tod des Schä-
fers auf dem Gewissen habe. Ein Wunsch, dem
den meineidigen Ritter nach seinem Tod im Jahr
1702 erfüllt wurde, denn beim Umsetzen der Fa-
miliengruft wurde er mumifiziert aufgefunden,
ein Phänomen, dass bislang nicht zweifelsfrei
geklärt wurde und bis heute zu bewundern ist.
Voll geballter Lebensfreude präsentiert sich
dagegen das Landesgestüt in Neustadt an der
Dosse. Dort werden seit dem 17. Jahrhundert
Pferde gezüchtet, früher für Kavallerie und
Ackerbau, heute für den weltweiten Hochleis-
tungssport. Die 400-Hektar-Anlage mit ihrem
im schlichten friderizianischen Barock gehal-
tenen Verwaltungstrakt bietet Stallungen für
350 Pferde. Der Beiname des Gestüts − „Sans-
souci der Pferde“ − ist nicht nur Anspielung auf
die Bauten aus der Zeit Friedrich des Großen, er
trifft auch die Atmosphäre, die fern aller Hektik,
Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Seine größte
Existenzkrise durchlebte das Gestüt kurz nach
der Wende. Es war bereits so gut wie geschlos-
sen, bevor Finanzmittel von Bund und EU dafür
sorgten, dass das Gestüt seine alte herausragende
Bedeutung für die Pferdezucht zurückerlangte.
Wer hätte das erwartet, in einer Region in der
es – so weit das Auge reicht – nichts außer Sand,
Kiefern, Äcker und Wiesen zu geben scheint.
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Schützen & Erhalten · Juni 2014 · Seite 36
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Seit dem 17. Jahrhundert werden hier Pferde
gezüchtet, vormal für das Militär heute für den
weltweiten Hochleistungssport – das Landes­
gestüt Neustadt an der Dosse.
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Einzigartig in Deutschland – die unverweste
Mumie des Ritters Kahlebuz.
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Anlässlich des Rittermahls wurden Waldemar und
Traudl Fritze feierlich in den Ritterstand erhoben.
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