Schützen & Erhalten · September 2011 · Seite 36
... zum Thema Verhinde-
rung von Schimmelbefall
in Wohnungen
Bei der Beurteilung von Schimmelschäden und
bei Präventionsempfehlungen wird in der Praxis
die DIN 4108 Teil 2 Nr. 6.1. (zukünftig möglicher-
weise eine DIN4108 Teil8) zu Rate gezogen. Auch
in dieser Zeitschrift tun das Schimmelexperten in
ihren Fachaufsätzen. Dagegen ist eigentlich nichts
einzuwenden. Wenn aber die bauphysikalische Be-
trachtung und die daraus abgeleiteten Schlüsse
auf die in der o. g. DIN genannten Aussagen re-
duziert werden, dann ist das Frevel. Die DIN4108
Teil 2 und Teil 8 können hinsichtlich Verhinderung
von Schimmelbefall nicht als anerkannte Regel
der Technik angesehen und benutzt werden. Ne-
ben den normungsrechtlichen Bedenken gibt es
dafür auch fachliche Gründe. Ich möchte hier nur
drei davon nennen:
1. Die Festlegung der kritischen Luftfeuchte,
ab der Schimmel gedeiht, auf starre 80% hält
längst den naturwissenschaftlichen Erkenntnis-
sen nicht mehr stand.
Die relative Luftfeuchte hängt ab von der
Lufttemperatur. Das ist allseits bekannt und gilt
auch für Schimmelpilze. In seiner Dissertation
hat Sedlbauer für die Vielzahl von Schimmelpilz-
arten ein verallgemeinertes Isoplethensystem
zusammengestellt. Falls er die Daten sorgfältig
gesammelt und ausgewertet hat, würden Schim-
melpilze und ihre Sporen auf Untergründen aus
gut verwertbaren Materialien (z. B. Holzfasern,
organischen Komponenten in Farben, Hausstaub
usw.) bei 20° C bereits ab ca. 77% relative Luft-
feuchte beginnen zu wachsen und zu keimen, bei
15° C ab ca. 78%, bei 10° C ab 80%, auf kalten
Oberflächen mit 5° C erst ab 85%.
Die starre 80%-Grenze in einer Norm zur Ver-
meidung von Schimmelbefall ist durch die Grenz
isoplethe nach Sedlbauer zu ersetzen!
2. Die in der DIN genannten Randbedingungen
(20° C Raumlufttemperatur, 50% relative Raum-
luftfeuchte, –5°C Außentemperatur, 0,25m²K/W
raumseitiger Wärmeübergangswiderstand), wer-
den sowohl vom Wetter als auch von den Raum-
nutzern langzeitig nicht eingehalten.
Eine Norm mit dem Anspruch, Schimmelbefall
in Gebäuden zu vermeiden, muss von zulässigen
Nutzungsbedingungen ausgehen. Wir erwarten von
ihr traditionell sogar einen Sicherheitspuffer! Für
die Deklarierung von Anforderungen zur Schimmel-
vermeidung stattdessen von einem Zustand auszu-
gehen, der als quasi Mittelwert für den Vergleich
der energetischen Qualität von Gebäuden normiert
wurde, widerspricht auf eklatante Weise der Ziel-
setzung einer Sicherheitsnorm. Wen wundert es,
dass die Rechtsprechung der Norm die Gefolg-
schaft verweigert, die Raumnutzungsbedingungen
derart einzuschränken? Wen wundert es, dass es
die DIN mit den in ihr postulierten Randbedin-
gungen und die daraus abgeleiteten Anforderun-
gen an den Temperaturfaktor fRsi
≥
0,7 und die
Oberflächenmindesttemperatur qsi min
≥
12,6°C
in der Praxis nicht vermochten, Schimmelschäden
zu verhindern. Es ist nur „Schlechtachtern“ und
der Unkenntnis Betroffener zu verdanken, dass im
Schadensfalle den Gebäudenutzern trotzdem oft
der Schwarze Peter zugeschoben wird.
Leserbrief ...
Es ist hochgradig überfällig, als Randbe-
dingungen in einer Norm zur Vermeidung von
Schimmelbefall Situationen an den Grenzen der
Klimaverhältnisse und der Wohlfühlbereiche zu-
grunde zu legen!
3. Die überfällige Korrektur der Randbedin-
gungen (s. o.) zieht die Korrektur der Anforderung
an den Temperaturfaktor fRsi am Regelquerschnitt
und vor allem an Wärmebrücken nach sich. Er wird
sehr nahe 1 kommen müssen.
Die technische Lösung hierfür in konventio-
neller Weise in der Aufdickung der Wärmedäm-
mung und/oder Trocknung der Raumluft zu su-
chen wird immer aufwendiger. Dabei ist die Sache
so einfach und eigentlich seit langem bekannt:
die Risikooberflächen müssen einfach nur so er-
wärmt werden, dass ihre Temperatur über der der
Raumluft liegt.
Hierfür geeignet sind Oberflächentemperie-
rungen und Strahlungsheizungen.
Die Gesundheitsvorsorge und der Feuchte-
schutz legen es nahe, im Wärmeschutz verstärkt
Strahlungsheizungen zu berücksichtigen.
Was können wir in dieser Lage tun? Müssen
wir warten, bis der Normausschuss endlich eine
Norm verfasst, die durch wissenschaftliche Kor-
rektheit auch zur anerkannten Regel der Technik
werden kann?
Meine Antwort ist nein! In der Lehre über die
Bauphysik (insb. im h-x-Diagramm) finden wir das
benötigte Wissen. Und geeignete Technik ist am
Markt auch verfügbar.
Wem das jetzt alles zu verkürzt, zu kategorisch
und nicht ganz lupenrein war, hat recht, aber ich
wollte und konnte in einem kurzen Leserbrief die
Aspekte ja nur kurz anreißen.
Dr.-Ing. Manfred Wolf
Ingenieurbüro Energie-Umwelt-Bautenschutz
Zum Lindenhof 12, 09212 Limbach-Oberfrohna
E-Mail:
Notiert
Der Besuch des DHBV in Peking – S&E
berichtete hierüber in der letzten Ausgabe –
hat nicht nur auf der deutschen Seite großen
Eindruck hinterlassen. Am 24. August besuchte
Prof. Rong, Delegationsmitglied der chine
sischen Gastgeber und leitender Professor für
Internationaler Austausch zum Bautenschutz
Prof. Rong besucht Köln
Alte Architektur an der Pekinger Universität,
den DHBV in Köln, um den geplanten Gegen
besuch des Chinesischen Denkmalschutzver
bandes vorzubereiten. Auf dem Programm stan
den neben dem Kölner Dom und ausgewählten
Romanische Kirchen auch die neue Architektur
und die damit verbundenen Probleme Kölns
beim Wiederaufbau einer vom Krieg gänzlich
zerstörten Stadt.
Als Ergebnis des Besuchs wird der Chinesische
Denkmalschutzverband mit 40 Delegierten, da
runter dessen Präsident und Hauptgeschäfts
führer am 16. und 17. November den DHBV zur
Fortsetzung des begonnenen Erfahrungsaustau
sches in Köln besuchen.
fr
Foto: Wilhelmine Wulff · www.pixelio.de
Gehört zu Köln,
wie Dom und
Rhein – Foto-
graf Walter
Wetzler und
Prof. Rong mit
Friedrich Remes
und Georg
Brückner im
Früh.
Fotos: Walter Wetzler