Schützen & Erhalten · September 2015 · Seite 3
Editorial
Im Westen nichts Neues
„Was gibt es eigentlich Neues aus Köln?“
Diese Frage ist wohl die am häufigsten
gestellte Standardfrage bei all meinen
Besuchen der Landesverbände oder in
Gesprächen mit Verbandsmitgliedern.
Und bei den Mitgliederversammlungen
der kommenden Herbsttagungen steht sie
selbstverständlich wie all die Jahre zuvor
fest zementiert als Programmpunkt in der
Tagesordnung.
Also, was ist neu? Der 65. DHBV-Verbandstag
gehört der Geschichte an. Wer nicht dabei war,
hatte mit Sicherheit seine Gründe, gleichsam,
wie all diejenigen, die nach Goslar gekommen
waren, ihre Gründe hatten, wie all die Jahre zu-
vor auf keinen Fall dieses Ereignis zu verpassen.
Was geboten wurde, lässt sich auf den folgenden
Seiten nachlesen und wer auf die Inhalte der
Fachtagungen nicht verzichten, bzw. diese gerne
nacharbeiten möchte, hat die Möglichkeit, diese
aus dem Mitgliederbereich der DHBV-Homepage
herunterzuladen. Eine seit Jahren bewährte Pra-
xis, die Ressourcen spart und nicht denjenigen
unnötig mit Papier belastet, dem eine solche
Zeit der beschaulichen Muße in der Hektik des
beruflichen Alltags nicht vergönnt ist.
Apropos, bzgl. der Einsparung von Ressourcen
beabsichtigen wir auch in Zukunft „Schützen &
Erhalten“ wie gehabt sowohl in gedruckter als
auch in digitaler Form dem geneigten Leser an-
zubieten. Vielleicht etwas altmodisch, aber, um
mit dem Schüler aus Goethes Faust zu sprechen:
„Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann
man getrost nach Hause tragen.“ Neu, und damit
anders als gewohnt, ist allerdings in Zukunft,
dass die aktuelle Ausgabe erst dann ins Netz ge-
stellt wird, wenn sie durch eine aktuellere ab-
gelöst wurde. Das Moderne, sprich das Digitale,
hinkt in diesem Fall also dem Altmodischen, in
Form des althergebrachten Druckerzeugnisses,
um drei Monate hinterher.
Dennoch gibt es auch für die Freunde der
digitalen Technik eine versöhnliche Nachricht:
Die Hacker-Attacken auf die S&E Homepage ge-
hören – hoffentlich für eine längere Zeit – der
Vergangenheit an, das heißt, alle Ausgaben der
Zeitschrift sind wieder online nachzulesen. Um
den Zugriff noch schneller zu machen, wurde
die Seite neu strukturiert, man kann auch sagen
verschlankt und damit auf ihre reine Funktiona-
lität ohne jeglichen Schnickschnack reduziert.
Auch im Bereich der Berufsausbildung scheint
alles beim Alten. Die Unternehmen, die sich
ihrer Verantwortung stellen und durch Ausbil-
dung in die Zukunft investieren, suchen weiter-
hin händeringend nach geeigneten Lehrlingen.
Dass diese Suche durch die, sagen wir mal, ge-
ringe Standortdichte unserer Ausbildungszen-
tren nicht gerade erleichtert wird, ist ebenfalls
nichts Neues, wird aber nun dadurch verschärft,
dass der Standort Weimar auf Beschluss des Kul-
tusministeriums Thüringens mangels Nachfrage
geschlossen wird. Doch wirklich neu ist auch
das nicht, sondern lediglich der Schlussstrich
unter einer Entwicklung, die schon seit Jahren
abzusehen war. Seit Jahren wurde der Stand-
ort nahezu ausschließlich von Lehrlingen aus
Bayern aufrechterhalten, die bereit waren, für
ihre Ausbildung einen derart weiten Weg auf
sich zu nehmen. Ergo, so das Urteil der Politik,
für Regionen, die nicht ausbilden, lohnt sich
eben kein eigener Schulstandort. Dies ist umso
bedauerlicher, da hier das „Aus“ einen Standort
trifft, der aufgrund seiner Infrastruktur und der
Qualität der Lehre beispielhaft ist.
Ebenfalls nicht neu ist, dass die aktuelle
S&E ihren Lesern erneut 80 Seiten zumutet.
Neu ist allerdings, dass wir ab sofort auf die
Beilage der Bauunternehmerinformationen zum
Arbeits-, Betriebs- und Steuerrecht verzichten.
Diese, für den unternehmerischen Alltag wich-
tigen Informationen, finden Verbandsmitglieder
ab sofort im Mitgliederbereich der DHBV-Home-
page. Allerdings hat auch diese S&E Beilagen.
So z. B. ein Infoblatt unseres Versicherungsko-
operationspartners der Firma Walther, das Sie,
so meine Empfehlung, nicht unachtsam beisei-
telegen sollten.
Ihr
Friedel Remes
Draußen nur Kännchen ...
...oder wie man lernt in der Dienstleis
tungswüste zu überleben.
Da steht man nun wie jede Woche seit 4 Jah-
ren zum 208. Mal vor der Eminenz im tristen
Grau und blickt in das Türstehergesicht mit der
hochgezogenen linken Augenbraue und spricht
in Gedanken die immer gleichen Worte nach:
„Zu wem wollen Sie denn?“, natürlich mit der
Betonung auf „SIE“.
Und man fragt sich zum 207. Mal, ob einem
der vom Ausgehverbot verstimmte Sohn in der
letzten Nacht das Wort „Kinderschänder“ auf die
Stirn tätowiert hat oder man am Bahnhof verse-
hentlich seinen Aktentrolley mit dem mit Pfand-
flaschen und Alditüten gefüllten Einkaufswagen
des freundlichen Obdachlosen vertauscht hat.
Aber sozialisiert von der Erkenntnis, dass
jede Diskussion über Sinn und Zweck die Zu-
trittsprozedur weiter in die Länge ziehen wird,
antwortet man automatisch: „Zu Herrn B in der
Abteilung C ...“ und verkneift sich den Satzteil,
der blähungsgleich das Sprachzentrum verstopft
und dröhnend den Raum füllen will: „...wie jede
Woche seit Jahren, Sie…“
Stattdessen hofft man inständig, dass Herr
B sein Telefon abnimmt, um dem Türhüter kei-
ne Gelegenheit zu dem süffisanten Satz „Sie
werden wohl nicht erwartet“ zu geben, um sich
anschließend in Geduld zu üben, bis
Herr B seine eigentlichen Aufgaben
unterbricht, aus dem 4. Stock nach
unten fährt und den Bittsteller vom
Einlassverwalter überstellt bekommt,
der dann endlich die Personenseparie-
rungsanlage passieren darf.
Wohlgemerkt, wir reden nicht von
der Zugangskontrolle zum Hochsicher-
heitstrakt von Stuttgart-Stammheim
in den siebziger Jahren, sondern von
einem profanen Bürogebäude der freien Wirt-
schaft. Aber der Torwart tut ja nur seine Pflicht.
Eingezwängt zwischen Richtlinien, Orga-
Handbüchern und Regelwerken, allesamt ver-
fasst von Theoretikern, deren Bild des Lebens
außerhalb der Großraumbüromauern aus Vora-
bendserien zu stammen scheint, kann er doch
gar nicht anders!
Oder doch? Ist es wirklich zu viel verlangt, ei-
gene Entscheidungen zu treffen, die der aktuellen
Situation gerecht werden – selbstständig zu den-
ken – einer Logik zu folgen, die sich aufdrängt?
Ja, das ist es, solange Vorgesetzte dies nicht
würdigen oder gar fördern, sondern im Gegenteil
jede Abweichung vom Schema F mit Unverständ-
nis oder gar Sanktionen ahnden, kann man dies
nicht erwarten.
Die Folge ist die Verbeamtisie-
rung ganzer Berufsgruppen, nur
ohne Kündigungsschutz und Besol-
dungsgruppe A – sowieso.
Da kann man sich schon glück-
lich schätzen, wenn ein Bedauern
in den Augenwinkeln seines Gegen-
übers aufblitzt, ob der erkannten
Sinnfreiheit seines Tuns.
Aber (gefühlt) weit häufiger
sitzt leider die Spezies an den
Schalthebelchen der Macht, die tagsüber frei
nach Georg Herwegh „Alle Räder stehen still,
wenn ich Würstchen das so will“ agieren, um
nach Feierabend zuhause sich selbst mit Kar-
toffelsalat serviert zu bekommen.
Um kein Missverständnis aufkommen zu las-
sen, der Unterzeichner ist sich bewusst, dass
Anarchie keine Option ist und unsere Gesell-
schaft in vielen Bereichen Regeln braucht. Man
wünscht sich nur, dass die Legislative alle Fol-
gen ihres Tuns bedenken möge, die Exekutive si-
tuativ agiert und die Judikative mit Augenmaß
darüber urteilt.
In diesem Sinne – gerne für Sie da!
Ihr Ralf Hunstock
Glosse