Schützen & Erhalten - page 21

DHBV INTERN – Schützen & Erhalten · Juni 2002 · Seite III
DHBV INTERN – INFORMATIONEN NUR FÜR DHBV-MITGLIEDER
Vertragsrecht
Allgemeine Geschäftsbedingungen
Vertragsrecht
Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern - AG Calw,
Urteil vom 18. Oktober 2001 (Az.: 1 C 807/01), LG Tübingen,
Urteil vom 8. April 2002 (Az.: 1 S 235/01)
Folgende Regelung ist als
Allgemeine Geschäftsbedin-
gung wirksam: „Der nach Nr.
3–5 ermittelte Mehr- und
Minderbetrag wird nur er-
stattet, soweit er 0,5 v.H.
der Abrechnungssumme
überschreitet (Bagatell- und
Selbstbeteiligungsklau-
sel)“.
Die Klausel ist so zu verste-
hen, dass der Auftragnehmer sich
mit einem Betrag von 0,5 v.H. der
Auftragssumme auch dann an den
Mehrkosten der Lohnsteigerung zu
beteiligen hat, wenn diese dar-
über hinausgehen – BGH, Urteil
vom 22. November 2001 (VII ZR
150/01).
In dem Verfahren vertrat der
klagende Auftragnehmer die Auf-
fassung, die in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der beklag-
ten Auftraggeberin enthaltene
Klausel sei so auszulegen, dass
ein Mehrbetrag in vollem Umfang
geltend gemacht werden könne,
wenn dieser 0,5% der Auftrags-
summe überschreite.
Die Beklagte hingegen vertrat
die Auffassung, der Auftragneh-
mer müsse sich stets in Höhe von
0,5 % der Auftragssumme an den
Mehrbeträgen beteiligen.
Das Landgericht hat der Kla-
ge stattgegeben. Das Berufungs-
gericht hat die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte
keinen Erfolg.
Der BGH führt in seiner Ent-
scheidung u. a. Folgendes aus:
Eine Auslegung des Wortlau-
tes der umstrittenen Klausel er-
gebe, dass der Auftagnehmer ei-
nen Bagatellbetrag von 0,5% der
Abrechnungssumme stets zu tra-
gen habe. Insbesondere könne das
Wort „soweit“ nicht i. S. v. „wenn“
verstanden werden. Zudem erläu-
tere der Klammerzusatz „Bagatell-
und Selbstbeteiligungsklausel“,
dass die Klausel eine Selbstbetei-
ligung in Höhe eines Bagatellbe-
trages regele.
Schließlich verstoße die Klau-
sel nicht gegen die Vorschriften
des AGB-Gesetzes. Eine unange-
messene Benachteiligung des Auf-
tragnehmers könne nicht darin
gesehen werden, dass der Auftrag-
geber das eigentlich dem Auftrag-
nehmer obliegende Risiko von
Lohnänderungen grundsätzlich
übernehme, die Übernahme so-
dann jedoch auf einen 0,5 % der
Auftragssumme überschreitenden
Betrag beschränke.
„
Eine Klausel, die den Auf-
tragnehmer zur Stellung ei-
ner Gewährleistungsbürg-
schaft auf erstes Anfordern
verpflichtet, ist auch in All-
gemeinen Geschäftsbedin-
gungen öffentlicher Auf-
traggeber unwirksam.
Dies entschied das LG Tübin-
gen unter Bezugnahme auf die
erstinstanzliche Entscheidung des
AG Calw mit o. g. Urteil
Damit wurde, soweit ersicht-
lich erstmals, klargestellt, dass
eine Gewährleistungsbürgschaft
auf erstes Anfordern nicht nur, wie
der BGH mit seinem Urteil vom
5. Juni 1997 (Az.: VII ZR 324/
95) festgestellt hatte, in Allge-
meinen Geschäftsbedingungen
privater Auftraggeber unwirksam
ist. Vielmehr werden die Argumen-
te des Bundesgerichtshofs vom AG
Calw bzw. vom LG Tübingen auch
auf die Situation übertragen, in
der der Verwender der Allgemei-
nen Geschäftsbedingungen ein öf-
fentlicher Auftraggeber ist.
In dem zur Entscheidung ste-
henden Fall war dem Auftragneh-
mer in Allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen des öffentlichen
Auftraggebers ein Recht zur Ab-
lösung des 5%-igen Gewährlei-
stungseinbehaltes nur mittels
Bürgschaft auf erstes Anfordern
eingeräumt worden.
In ihren Entscheidungen füh-
ren das AG Calw und unter Be-
zugnahme hierauf das LG Tübin-
gen Folgendes aus:
Der Bundesgerichtshof sehe als
maßgebliches Kriterium des Ver-
stoßes gegen § 9 AGB-Gesetz die
Übersicherung des Auftraggebers
an. Die Vorschriften des Werkver-
tragsrechts im BGB kennten den
Einbehalt eines Teils des Werklohns
als Sicherheit für etwaige Gewähr-
leistungsmängel nicht. Die in Rede
stehende Klausel sei daher unwirk-
sam, weil sie dem Auftragnehmer
keinen angemessenen Ausgleich
für den durch den Sicherheitsein-
behalt bewirkten Liquiditätsent-
zug einräume.
Sofern der BGH in seiner Ent-
scheidung auf das im Falle einer
Bürgschaft auf erstes Anfordern
vom Auftragnehmer zu tragende
Insolvenzrisiko des Auftraggebers
abstelle und ein solches Insolvenz-
risiko beim öffentlichen Auftrag-
geber nicht bestehe, sei zu be-
achten, dass dieser Aspekt nicht
der tragende Grund der Entschei-
dung des BGH gewesen sei. Im
Vordergrund habe vielmehr der
Übersicherungsaspekt gestanden.
Im Übrigen sei nicht ersicht-
lich, weswegen es nach Abnah-
me der Werkleistung für die Ab-
sicherung eventueller Gewährlei-
stungsfälle einer Sicherheit durch
Bürgschaft auf erstes Anfordern
bedürfe. Durch einfache Bürg-
schaft sei der Auftraggeber hin-
reichend abgesichert. Dies zeige
auch § 17 VOB/B, der als sach-
gerechter Ausgleich zwischen den
Interessen des Auftraggebers und
des Auftragnehmers angesehen
werden könne. Die Regelung sehe
eine Bürgschaft auf erstes Anfor-
dern nicht vor. Hinzu komme, dass
den Auftragnehmer für das Stel-
len einer Bürgschaft auf erstes
Anfordern erhebliche Mehraufwen-
dungen träfen. Nicht nur müsse
er bei der Bank Mehrkosten für
diese Art von Bürgschaft zahlen,
er habe darüber hinaus, da der
Bürgschaftsfall vom Gläubiger je-
derzeit herbeigeführt werden kön-
ne, stets Mittel zum Ausgleich
flüssig bereitzuhalten. Hiergegen
könne nicht eingewandt werden,
der Auftragnehmer könne diese
Mehraufwendungen in der Preis-
kalkulation auffangen. Denn es
sollte ein Anliegen der öffentli-
chen Hand sein, mit Steuergel-
dern sparsam umzugehen. Die
höheren Preise träfen aber die
Allgemeinheit, ohne dass hierfür
ein sachliches Bedürfnis bestehe.
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