Schützen & Erhalten · September 2000 · Seite 28
DIE PRAXIS
Anwendungstechnik
Sanierungsarbeiten an der
Carl-von-Ossietzky-Schule in Berlin Pankow
Fast 150 Jahre der Witte-
rung ausgesetzt sein, be-
deutete auch für das als
„schönste Schule Berlins”
bezeichnete Carl-von-Os-
sietzky-Gymnasium eine
harte Zeit, die nicht spur-
los an der Fassade vorbei-
gehen konnte. Ausbrüche
und Abplatzungen zeigten
sich vor allem im Giebel-
bereich an den Gesimsen
und Stuckornamenten,
aber auch die Wandputz-
flächen im Innen- und
Außenbereich verlangten
teilweise nach Bestands-
sicherung oder Erneue-
rung.
Die Voruntersuchung
Nach den Wünschen der
Denkmalpflege sollte neben der
optischen Angleichung an den
Altbestand auch die chemische
Zusammensetzung des Restau-
rierungsmaterials möglichst
nahe am Orginal liegen. Aus
diesem Grund wurden am Zen-
trum für Bau- und Erhaltungs-
techniken (ZEBET BERLIN) un-
ter der Leitung von Dr. Kupfer
die Analyse der Materialzusam-
mensetzung mit Hilfe mikroche-
mischer Methoden realisiert.
Neben der Bestimmung der
Korngrößen, der Art und Men-
ge des Zuschlags sowie des Bin-
demittels, ging man auch auf
die Charakterisierung der Ver-
schmutzungen an der Putzober-
fläche ein.
Wie sich zusammenfassend
feststellen ließ, handelte es sich
sowohl bei den Unterputzen wie
auch bei dem Oberputz um
Weißkalk-Sand-Mörtel, wobei
der Oberputz einen Anteil an
hydraulisch abbindendem Kalk
besitzt. Als Zuschlag ist bei den
Putzlagen hauptsächlich durch-
sichtiger bis opaker Quarz mit
rundlichem Korn eingesetzt
worden, wobei sich der Ober-
putz mit seiner gröberen Kör-
nung deutlich von den Unter-
putzlagen absetzt. Zudem weist
der Oberputz Glimmerbestand-
teile auf, die die optischen Ei-
genschaften des Putzes stark
beeinflussen und somit bei der
Nachstellung des Edelputzes
unbedingt beachtet werden
mussten.
Nachdem der Wassertrans-
port über die Putzschicht maß-
geblich für den Eintrag von
Schadstoffen bzw. die aufge-
nommene Feuchtigkeit ansich
ein Gefahrenpotenzial darstellt,
wurden zur Bestimmung der
Wasseraufnahme am Objekt
Karsten´sche Röhrchen ange-
bracht. Um einen genauen Über-
blick über die Gesamtsituation
zu erhalten, wählte man für das
Objekt repräsentative Putzbe-
reiche aus, die sich folgender-
maßen darstellten:
– verwittertes, offenes
Material
– weniger verkrustetes
Material
– verkrustetes, dunkles
Material
Die Messungen zeigten, dass
das offene Material eine annä-
hernd doppelt so hohe Wasser-
aufnahme wie die gipshaltigen
Schmutzschichten aufwies.
Nachdem die Verkrustungen den
Feuchtigkeitsaustausch ungün-
stig beeinflussen, empfahl man
eine Entfernung. Da die Putz-
oberfläche möglichst erhalten
bleiben sollte, waren abrasive
Verfahren kein adäquates Mit-
tel; chemisch induzierten Rei-
nigungsmethoden wurde des-
halb der Vorzug gegeben.
Materialauswahl
Die Vorgabe des Denkmalam-
tes lautete, dass der Putz im
Originalzustand wieder herzustel-
len sei. Auf der Grundlage der
Voruntersuchungen wurde des-
halb nach einem Putzhersteller
gesucht, der ein entsprechen-
des Material liefern konnte.
Als Eckdaten lagen folgen-
de Angaben vor:
– Kalkputz mit zum Teil
hydraulischen Anteilen
– Zuschlag mit maximalen
Korngrößen von ca. 4 und
8 mm
– Glimmerzusatz
– braun-grauer Farbton
– nicht Wasser abweisend
eingestellt
– als Putz- und Stuckmörtel
einsetzbar
Es ist wohl nicht verwun-
derlich, dass keiner der ange-
sprochenen Hersteller ein ent-
sprechendes Material in seinem
Lieferprogramm führte und des-
halb seine Mitarbeit ablehnte.
Werktrockenmörtel, mit ihren
qualitativen und verarbeitungs-
technischen Vorteilen, schien
man deshalb ausschließen zu
können.
Hier kam der für die Aus-
führungen beauftragten Firma
Restau der Zufall zu Hilfe. Nach-
dem der Außendienstfachbera-
ter der Firma BAYOSAN die Ar-
beiten an der Schule bemerk-
te, hielt er kurzerhand an und
stellte den Mitarbeitern der Fir-
ma Restau das Lieferprogramm,
hier speziell den Reinkalkputz,
vor. Zwar konnten auch mit die-
sem Material nicht alle Wünsche
der Denkmalpflege erfüllt wer-
den, aber die Basis stimmte.
Nach Rücksprache mit dem
Labor war es sicher, dass ein
spezielles Sonderprodukt für
dieses Bauvorhaben zwar nicht
einfach, aber machbar war. Zu-
erst wurden über den Baustoff-
hersteller verschiedene Glimmer-
lieferanten kontaktiert, um
Musterflächen anlegen zu kön-
nen. Bald schon stellte es sich
heraus, dass eine optimale An-
gleichung nur durch den Zusatz
verschiedener Glimmer erreicht
Vielfältig präsentieren sich so-
wohl die Schadensbilder wie
auch die herzustellenden Putz-
strukturen; wie hier eine nach-
geahmte Natursteinbossierung.
Trotz der Verschmutzung der
Altfassaden wird deutlich, wie
gut sich die Farbgebung am
Original orientiert.