Schützen & Erhalten · September 2000 · Seite 24
das das Gas in diese nicht im-
mer bekannten Hohlräume ein-
dringt und unbemerkt über diese
Systeme auch in andere Gebäu-
deteile gelangen kann. Eine
genaue Analyse des Untergrun-
des ist daher im Vorfeld einer
CO
2
Begasung unbedingt erfor-
derlich.
Der hier vorgefundene un-
tere konstruktive Aufbau des
Chorgestühls stellte sich wie
folgt dar: der Fußboden besteht
aus weichen Terrakotten, die
vermutlich auf Sand verlegt
sind, die Fugen sind mit Kalk-
mörtel verschlossen. Um das
Chorgestühl herum sind, wahr-
scheinlich zu einer späteren
Zeitpunkt verlegt, großforma-
tige Natursteinplatten vorhan-
den. Auf diesem Fußboden ist
mit einer jochartigen Konstruk-
tion aus Eiche ein etwa 45 Zen-
timeter hohes Podest errichtet,
auf dem die jeweils 19 Sitzplät-
ze einer Chorgestühlseite auf-
gebaut sind. Das Podest wird
über jeweils drei dreistufige
Treppen erschlossen, die zwi-
schen und an den Seiten der
vorgelagerten Buchbank ange-
ordnet sind. Um für die Bekämp-
fungsmaßnahme eine gasdich-
te Ausbildung des Chorgestühls
zum Untergrund hin zu ermög-
lichen, wurde eine schrittwei-
se Anhebung einzelner Auf-
standsflächen vorgenommen
unter die die Bleche einge-
bracht, die Zwischenräume mit
gasdichter Folie ausgelegt und
mit den Blechen verklebt und
abgedichtet wurden.
Über dem nördlichen und
südlichen Chorgestühl wurden
verschieden hohe hölzerne Rah-
men aufgestellt, zwischen de-
nen Teleskopstangen das pult-
förmige Traggerüst des Bega-
sungszeltes bildeten. Das ge-
samte Chorgestühl wurde
inklusive dem zwischen nörd-
lichem und südlichem Teil be-
stehenden Zwischenraum in eine
gasdichte Hülle eingepackt. Die
einzelnen Folienbahnen wurden
untereinander doppelt ver-
schweißt, die Stöße mit Gewe-
beband armiert und zusätzlich
mit einem gasdichten Alumini-
umklebeband versiegelt.
Im Zwischenraum des Chor-
gestühls wurden auf gepolster-
ten Unterlagen Teile des abge-
bauten südlichen Chorgestühls,
sowie weitere befallene Holz-
teile und Skulpturen in Regale
zum Begasen eingelagert.
Der gesamte umbaute Raum
betrug etwa 1000 Kubikmeter.
Es erfolgte eine Kontrolle der
Dichtigkeit mittels Überdruck
sowie über eine visuelle Lek-
kagenkontrolle des lichtundurch-
lässigen Folienzeltes.
Durchführung der
Maßnahme
Nach Anschluss der Klima-
einheit an das Begasungszelt,
Aufstellung des Gastanks und
der Verdampfereinheiten, sowie
Anschluss von Wasser, Strom
und Gas konnte am 24. Juni
1999 mit der Maßnahme begon-
nen werden. Die Begasung wur-
de nach einer vorsichtigen Tem-
peraturerhöhung und der Spül-
phase, bei der zunächst die
Atmosphäre im Begasungszelt
auf die Gaswerte um etwa 60
Prozent CO
2
und etwa 10 Pro-
zent O
2
eingestellt wurde, über
einen Zeitraum von 22 Tagen
durchgeführt.
Um die Unversehrtheit des
Kulturobjektes zu sichern, war
die Einhaltung gleich bleiben-
der Feuchtigkeitswerte im Be-
gasungszelt sicherzustellen. Das
verwendete flüssige CO
2
kommt
nach dem Durchlauf durch die
Verdampfereinheiten sehr trok-
ken und kalt in dem zu bega-
senden Raum an. Ohne Gegen-
maßnahmen (Befeuchtung, Hei-
zung) würde dies zu einem
drastischen Abfall der relativen
Luftfeuchtigkeit und damit zu
einem Absinken der Holzfeuchte
führen. Schwundrisse und Schä-
digungen an Fassungen wären
unvermeidlich.
Während der Maßnahme
wurde deshalb die relative Luft-
feuchte auf etwa 67% und die
Temperatur auf eine Obergren-
ze bis zu 35 Grad Celsius ein-
gestellt, überwacht und gere-
gelt und bei Bedarf modifiziert.
Klimaeinheit und Bega-
sungszelt stellten ein geschlos-
senes System dar (bis auf Dif-
fusionsvorgänge durch die Fo-
lie und die Leckagen), bei dem
etwa 4000 Kubikmeter Luft pro
Stunde umgewälzt wurden. An
der ungünstigen Stelle wurden
die relevanten Gaskonzentration
ermittelt. Der gesamte CO
2
Be-
darf betrug für diese Maßnah-
me etwa 20 Tonnen und wurde
aus einer wenige Kilometer ent-
fernten, chemischen Anlage
geliefert.
Hierbei soll nicht unerwähnt
bleiben, dass CO
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auch als so
genanntes „Treibhausgas“ be-
kannt ist und daher eine beson-
dere Betrachtung verdient. Ne-
ben Vorkommen als natürliche
Quellkohlensäure (Mineralwas-
ser) fällt ein großer Teil des im
Handel befindlichen Kohlendi-
oxides als so genanntes Prozess-
gas in der chemischen Industrie
an und kann während einer
Kulturgutbegasung als „sinn-
voll“ zwischengenutzt betrach-
tet werden. Der geschätzte Ge-
samtanfall von etwa 13 Tonnen
CO
2
/ Jahr für einen Single Haus-
halt lässt die hier verbrauchte
Menge in einem anderen Licht
erscheinen.
Die Begasungsmaßnahmen
wurden durch die Firma Inno-
vative Restaurierungstechniken
(IRT), Lippstadt (D) durchge-
führt, Gasbehälter und Verdamp-
fereinheiten lieferte Firma West-
falengas (D), die Gaslieferung
erfolgte durch die
Firma Chemopetrol
(CZ).
Bei einer ge-
forderten Einwirk-
zeit von 21 Tagen
bei 30 Grad Celsius
konnte bei den ge-
wählten klimati-
schen Bedingun-
gen mit 35 Grad
DIE PRAXIS
Anwendungstechnik
Detail der kunstvollen Intarsien
Gesamtansicht des