Previous Page  54 / 64 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 54 / 64 Next Page
Page Background

Die Ex-Press

Berufsinformation des DSV e.V.

|

SBK-Praxis

wird uns immer passieren, dass Leute im Internet

recherchieren. Aber selbst, wenn die Ei-Karten

dort gekauft werden, kann noch vieles falsch

gemacht werden.

Als erstes ist es wichtig, Ängste beim Kun-

den abzubauen. Wir sind im Umgang mit sechs-

beinigen Tieren sicherlich etwas rustikal und nur

wenige unserer Kunden können so begeistert auf

einen zuckenden, zappelnden neuen Mitbewoh-

ner reagieren, wie unser Berufsstand. Daher ist

das Wording auch entscheidend. Die Nützlinge

sollte man auch genau so bezeichnen, da bereits

das Wort „Wespe“ bei Kunden Assoziationen mit

‚stechen‘ und ‚gefährlich‘ auslösen. Das ist na-

türlich Unfug. Schlupfwespen können uns nicht

stechen. Sie haben keine Veranlassung dazu und

sie besitzen keine Giftdrüse. Das nächste Argu-

ment ist, dass wir ein Insekt mit einem anderen

Insekt bekämpfen, es vor dem mentalen Auge

des Endverbrauchers also bereits von nun neu-

en Tieren in seiner Wohnung wimmelt. Dies wird

verstärkt, wenn man unvorsichtiger Weise von

einem Überschwemmungsverfahren gesprochen

hat. Spätestens in diesem Moment bemerken

Sie die Gänsehaut Ihres Gegenübers und neh-

men wahr, dass Sie von der Beratung in eine

Seelsorger Funktion hinübergeglitten sind. Oh

ja, Sie sind dabei, sich Ihren Stundensatz red-

lich zu verdienen. Arbeit kann anstrengend sein,

aber ich finde unseren Beruf an dieser Stelle sehr

faszinierend. In der Aufklärung hat mir immer

geholfen, dass man dem Kunden deutlich macht,

dass Motteneier regelmäßig in seinen Lebens-

mitteln vorkommen, sich aber noch nie jemand

darüber aufgeregt hat. Wir differenzieren sie im

Nahrungsmittel eben nicht, auch wenn klar ist,

dass kleine schwarze Punkte nicht immer gerie-

bene Vanilleschote sind, insbesondere nicht im

Müsli. Wenn der Kunde dies akzeptiert hat, ist er

bereit für das nächste Argument. Die Nützlinge

Trichogramma evanescens durchlaufen ihre ganze

Entwicklung im Mottenei. Sind also noch kleiner

als ein Mottenei. Die Nützlinge sind reine Fuß-

gänger, somit haben wir eine gewisse Kontrolle

über die Verteilung.

Spätestens nach einer Viertelstunde fach-

simpeln wird klar, ob wir den Kunden für diese

Methode im Boot haben, oder ob er eine an-

dere Bekämpfungsvariante haben möchte. Zu

diesem Zeitpunkt zeigen wir die Kärtchen um

die es geht, auf denen unsere Schlupfwespen

in Motteneiern herangezüchtet wurden. Darauf

sitzen die Trichogrammen unterschiedlich weit

entwickelt. Über einen Zeitraum von mindestens

drei Wochen schlüpfen immer wieder Nützlinge,

die die Umgebung absuchen. Danach muss man

die Karten austauschen. Dies wird mindestens

zweimal wiederholt, womit man einen Zeitraum

von insgesamt 9 Wochen abdeckt. Ziel ist es ja,

einen gesamten Generationswechsel, vom Ei bis

zur nächsten Eiablage der geschlüpften Genera-

tion abzudecken. Hier kommen Sie ins Spiel. Wir

wissen, dass ein solcher Zeitraum stark Tempe-

ratur-abhängig ist.

Je nachdem zu welcher Jahreszeit der Kunde

uns anruft und welche Stadien er entdeckt hat,

funktioniert der Einsatz mit Nützlingen nur mit

notwendigen Modifizierungen. In der Regel ruft

uns der Kunde an, weil erwachsene Falter durchs

Haus schwirren und die Quelle nicht genau zu

lokalisieren ist. Dann muss man sich keine Ge-

danken um Jahreszeit und Diapause machen, da

die Falter vorhanden und aktiv sind. Wenn der

Kunde aber Wanderraupen gesehen hat und durch

Gespinste oder verklumpte Nahrung aufmerksam

geworden ist, ist nicht gesagt, dass innerhalb

der nächsten neun Wochen die Faltergeneration

schlüpft. Hier muss ggf. länger mit Trichogram-

makarten gearbeitet werden, oder man muss

einen zusätzlichen Nützling ins Spiel bringen,

der an einer anderen Stelle des Lebenszyklus

eingreift. Es gibt bei den Brackwespen die Gat-

tung Habrobracon, die die Raupen der Motten

parasitiert. Man setzt diese Art auch ein, wenn

der Kunde eine möglichst schnelle Tilgung sei-

ner Schädlinge in der Wohnung haben möchte.

Dann entwickeln sich keine Falter, die aus sonst

allen Raupen schlüpfen, welche bereits vorhan-

den waren, als man die Bekämpfung mit Tricho-

gramma begonnen hat.

Sie werden sehen, es besteht viel Beratungs-

bedarf. Auch bei einer recht einfachen Methode,

wie dem Verteilen von Kärtchen mit Nützlingen

kann ein Anwender Fehler machen.

Wichtig ist hier die sorgfältige Abstimmung

mit dem Kunden, was in der Wohnung bereits

an chemischer Bekämpfung durchgeführt wor-

den ist. Durch die Fortbewegung (Fußgänger)

und die geringe Größe, sind die Nützlinge be-

sonders anfällig für Biozidrückstände auf Ober-

flächen. Besteht Unsicherheit zur Vorbelastung,

kann man in den Bereichen, in denen der Kun-

de seinen privaten Chemiekrieg entfesselt hat,

Kärtchen zur Probe auf ein weißes Blatt Papier

auslegen. Das Papier dient der besseren Sicht-

barkeit der Trichogramma und transportiert in

der Regel genügend Insektizide sofern diese

Schützen & Erhalten · März 2015 · Seite 54

Nützlingskarten mit sterilisierten Motteneiern

in denen die Schlupfwespen heranwachsen

Foto: Matthias Schöller

Weibchen der Erzwespe

T. evanescens

Foto: Matthias

Schöller