Previous Page  60 / 72 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 60 / 72 Next Page
Page Background

Die Ex-Press

Berufsinformation des DSV e.V. |

Aus dem Verband

LV-Hessen Artenschutzseminar

Nicht nur wenn wir auf das Rekordjahr

2015 zurückblicken: Das Geschäft mit

den Wespen ist für viele Betriebe eine

wesentliche Ergänzung zum Kerngeschäft.

Umso wichtiger erscheint ein fundiertes

Fachwissen als Basis für jeden professio-

nellen Schädlingsbekämpfer. Aus diesem

Grund veranstaltete der Landesverband

Hessen am 23.02.2016 ein Fortbildungs-

seminar zum Thema Artenschutzschulung

am Beispiel Wespe und Hornisse.

Das Interesse an der Veranstaltung war erfreuli-

cherweise relativ groß, fanden sich doch 30Mit-

glieder an einem verschneiten Dienstagmorgen in

der IHK Darmstadt zusammen, um dem Fachwis-

sen von Diplom-Biologe Björn Kleinlogel etwas

abzugewinnen. Dass der Referent in diesem Fall

ein Berufskollege und Vorsitzender des LV Hes-

sen war, sorgte auf beiden Seiten für eine of-

fene und lockere Atmosphäre. Auf diese Weise

war ein gewisses Grundverständnis vorhanden

und Probleme sowie Anekdoten aus dem Praxis­

alltag konnten offen ausgetauscht werden.

Trotz der gelockerten Atmosphäre mit Gebäck

und Kaffee, wurde dem gestrafften Programm der

Schulung aufmerksam zugehört. Denn auch wenn

quasi jeder Schädlingsbekämpfer ein gewisses

Grundwissen zur Biologie und Bekämpfung der

Vespinae und ihrer Verwandten hat, in dem rund

vierstündigen Vortrag konnten selbst alteinge-

sessene Berufsveteranen noch etwas dazulernen.

Gerade durch die alltägliche Routine im Be-

seitigen der vermeintlichen Lästlinge, geht der

Blick fürs Detail und der mögliche Nutzen da-

raus bei Vielen verloren. Dabei ist es wichtig,

die heimischen Wespenarten anhand ihrer Kopf-

oder gar Neststruktur unterscheiden zu können

und das nicht nur um Eindruck bei den Kunden

zu schinden. So haben die verschiedenen Arten

einen unterschiedlichen Lebenszyklus und bau-

en ihre Nester auch in völlig anderen Bereichen.

Wer weiß welche Wespenart wie lange aktiv ist

und wo sie bevorzugt ihre vorübergehende Blei-

be baut, kann den Kunden fachgerecht beraten

und möglicherweise die Hysterie der verzwei-

felten Mutter, die die Geburtstagsparty der all-

ergischen Tochter vorbereitet, schmälern. Denn

aufgrund der verschiedenen Lebenszyklen zäh-

len im Grunde auch nur zwei Arten zu den so-

genannten „Kuchentischwespen“, die im Som-

mer immer wieder für Panik und schlechte Lau-

ne bei der Grillparty im Freien sorgen. Es zeigte

sich also recht schnell, dass es sich lohnen

kann mehr als nur die Bedienungsanleitung der

Pyrethrum-Dose zu kennen. Schließlich ist die

Wespenbekämpfung auch immer mit dem The-

ma Naturschutz verbunden, ebenfalls ein großes

Thema der Fortbildung. Denn letzten Endes tritt

der Schädlingsbekämpfer auch als Berater und

Fachmann beim Kunden auf und muss diesem

überzeugend erklären können, warum es eher

unsinnig erscheint ein Wespennest im Oktober

zu bekämpfen, welches irgendwo unter dem Dach

angesiedelt ist. Hilfreich ist in so einer Situati-

on sicherlich auch, sich aus dem Stehgreif auf

gewisse Paragraphen im Naturschutzgesetz be-

rufen zu können.

Gerade an dieser Stelle der Fortbildung wur-

de es noch einmal besonders interessant, denn

überall wo Gesetze auftreten, wird man in der

Praxis immer wieder mit Sinn und Unsinn ver-

schiedener Vorschriften und Paragraphen der

deutschen Rechtsexperten konfrontiert. So er-

scheint es auf den ersten Blick zwar logisch

und einfach, wenn eine Hornisse besonders ge-

schützt ist und nur mit entsprechendem Antrag

bekämpft oder umgesiedelt werden darf. Doch wer

entscheidet bei allgemein geschützten Insekten

was ein vernünftiger Grund ist, ein Wespennest

zu bekämpfen? In diesem Zusammenhang wur-

den alternative Bekämpfungsmethoden ebenso

heiß diskutiert wie lebenserhaltende Lösungen,

allen voran das Umsiedeln.

Hier zeigte sich, dass viele Schädlingsbe-

kämpfer eine hohe Wissbegierde zu dem Thema

haben. Denn nicht nur besonders geschützte

Insekten wie die Hornisse, Hummel oder Biene

sollten nach Möglichkeit immer umgesiedelt oder

im günstigsten Fall an Ort und Stelle belassen

werden. Auch in manchen Fällen der allgemein

geschützten Wespenarten kann eine Umsiedlung

eine freundliche Lösung für Tier und Mensch

sein. Denn so überlebt nicht nur ein durchaus

nützlicher Wespenstaat, auch die Kundin aus der

Nachbarschaft kann ruhigen Gewissens schla-

fen gehen und empfiehlt die ethisch agierende

Schädlingsbekämpfung aus dem Ort gerne weiter.

Dass Sie dabei einige hundert Euro mehr zahlen

muss, wird Sie nicht einmal groß stören. Womit

wir auch bei einem immer wieder kehrenden und

heiklen Thema wären: Das liebe Geld.

Auch darüber wurde gegen Ende der Fort-

bildung diskutiert und auch wenn keiner sich

die Blöße geben wollte, völlig offen über seine

Preise zu diskutieren, so wurde doch klar, dass

je nach Bundesgebiet zwar unterschiedliche Ge-

fälle herrschen, die Vorstellung über einen fairen

Preis aber doch recht eng beieinander lag. Ganz

anders wie bei manch einem der sogenannten

Wespennotdienste: Ein wesentlich größeres Är-

gernis als jedes fußballgroße Wespennest. Denn

leider gibt es immer noch profitgierige Menschen,

die im Sommer als Konkurrenz zu den professi-

onellen Schädlingsbekämpfern der Branche in

Erscheinung treten. Und fast so sicher wie das

Amen in der Kirche, ist der Anruf der alleinle-

benden Großmutter, die beim Verband anruft

und unter Tränen erzählt wie Sie gerade um 500

Euro für die Bekämpfung eines Wespennestes

erleichtert wurde.

Da solche Fälle leider keine Seltenheit, son-

dern fast schon Alltag geworden sind, hat der

Bundesverband die Initiative „Faire Wespe“ ins

Leben gerufen. Marcus Rückert nutzte im Rah-

men der Fortbildung die Gelegenheit auch dieses

Projekt noch einmal vorzustellen. Hier kann sich

jeder fair handelnde Schädlingsbekämpfer in eine

entsprechende Liste eintragen und dient somit

als Anhaltspunkt für ratlose Kunden, die ungern

einem Scharlatan aufsitzen wollen.

Nach diesem kleinen Einspieler kam es dann

auch schon zum unvermeidlichen Finale der

Fortbildung: dem Wissenstest. Nun mussten die

Teilnehmer beweisen, wie gut sie zugehört und

verstanden hatten, was Ihnen Björn Kleinlogel

in den letzten vier Stunden enthusiastisch ver-

sucht hatte beizubringen. Erfreulicherweise hatte

wohl keiner während der Fortbildung geschla-

fen, denn am Schluss konnte jedem Anwesenden

eine entsprechende Fortbildungsbescheinigung

ausgehändigt werden. Wir wollen hoffen, dass

sich das Wissen nicht nur temporär in den Köp-

fen der Teilnehmer angesiedelt hat und die zu-

künftige Arbeit und Beratung mit den sozialen

Faltenwespen vereinfacht wird.

Von Gastautor

Daniel Altmann

Schützen & Erhalten · März 2016 · Seite 60