Die Ex-Press
Berufsinformation des DSV e.V.
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Wissenswertes
Back to analog?
In meinem Betrieb führen wir seit fast
20 Jahren Heißluftbehandlungen im
Holzschutz durch. Um die Temperaturen
messen zu können verwendeten wir die
ersten Jahre geeichte Stockthermometer
aus Sterilisationsgeräten. Die damals doch
eher wenigen Heißluftanwender kannten
sich untereinander ganz gut und teilten
auch ihre Erfahrungen untereinander. 1998
sprach mich ein Kollege aus Bayern an
und erklärte mir einen Reklamationsfall
seines Betriebes.
In einem kleineren Dachstuhl mit sehr „dün-
nen Sparren“ hätte er die erforderliche Abtö-
tungstemperatur schon nach kurzer Zeit erreicht
und die Heizaggregate abgestellt. Nach einigen
Monaten meldete sich der Kunde bei ihm und
erklärte, dass die Larven immer noch fressen
würden. Vor Ort konnte sich der Kollege von
dem tatsächlichen weiteren Befall überzeugen
und fragte sich selbst, wie das passieren konnte.
Nach einiger Zeit kam er darauf, dass sich auf
Grund der geringen Einstecktiefe der Großteil
des Thermometers der deutlich wärmeren Umge-
bungstemperatur ausgesetzt war, als tatsächlich
im Inneren der Balken herrschte. Nur so konnte
er sich erklären, dass die Thermometer zwar über
55° Celsius anzeigten diese Werte aber auf die
Umgebungstemperatur zurück zu führen waren.
Es wurde nach neuen Messtechniken gesucht.
Ein Anbieter aus Berlin konnte Messfühler, Hard-
ware und Software dazu liefern. Von da an wurden
alle weiteren Heißluftbehandlungen mit dieser
Messmethode ausgeführt. Auch wir investierten
5-stellige Euro-Beträge in die neue Messtechnik.
Seite einigen Jahren führen wir auch Wärme-
entwesungen gegen Bettwanzen aus. Da unse-
re Messtechnik vom Holzschutz sehr aufwändig
installiert werden muss, suchten wir einfachere
Methoden, um die Temperaturen zu ermitteln.
Dabei griffen wir auf Infrarot-Thermometer zu-
rück, mit denen wir schon vorher Oberflächen-
temperaturen von Unterspannbahnen und Holz-
wänden bei Heißluftbehandlungen gemessen hat-
ten. Diese lieferten uns auch die entsprechend
erwarteten Temperaturdaten. Irgendwann ging
das mal schief! Die Techniker wunderten sich,
dass trotz gemessener Werte deutlich über 55°
Celsius einzelne Bettwanzen auf dem Boden und
den Wänden herum liefen. Die Mitarbeiter schal-
teten die Aggregate nach der Einwirkzeit ab, lüf-
teten, bauten die Geräte ab und räumten auf.
Tage später teilte mir der Kunde mit, dass
immer noch/schon wieder Bettwanzen im Raum
rumlaufen würden. Wir also wieder hin, nach-
gesehen – tatsächlich – lebende Tiere! Die na-
heliegende Erklärung war dass die Temperatur-
werte bei der vorangegangenen Wärmebehand-
lung nicht gestimmt haben. Aber wie geht das?
Bei der darauf folgenden Nachbehandlung
maß ich selbst die Temperaturen. Mal mit meinem
Gerät, mal mit den Geräten der Mitarbeiter. Dabei
konnte ich feststellen, dass beide Geräte ande-
re Werte anzeigten! Die Werte lagen teilweise
deutlich über 20° auseinander! Das Vertrauen in
diese Messtechnik verloren, fuhr ich aufs Lager
und holte die alten Stockthermometer heraus.
Diese „verbaute“ ich beim Kunden und siehe
da – erst nach einer zusätzlichen Heizzeit von
mehr als 6 Stunden (gegenüber der 1. Aktion)
zeigten die Thermometer die erforderlichen Ab-
tötungstemperaturen an! Obwohl im gleichen
Raum mit gleichem Inventar, derselben Anzahl
an Heizaggregaten gearbeitet wurde!
O.k., das zusätzliche Heizen haben wir nicht
berechnet, aber die Unzufriedenheit war dem
Kunden anzumerken. Für uns war dies natürlich
auch eine sehr wichtige Erfahrung. Zwischen-
zeitlich messen wir bei Wärmeentwesungen
meist mit den alten Stockthermometern, auch
mit analogen Bimetallthermometern. Wegen der
hohen Toleranzen bei den Bimetallthermometern
prüfen unsere Messgeräte ständig im Vergleich
mit den geeichten Stockthermometern, tauschen
diese während der Behandlung untereinander aus
und beenden den Heizvorgang erst, wenn alle
Thermometer ausreichend hohe Werte (einschl.
Toleranz) belegen. Daher auch „back to analog“
Seit einigen Monaten sind wir auch im Be-
sitz eines digitalen Messsystems, welches die
Daten über Messfühler ermittelt und direkt an
unsere Techniker funkt. Trotzdem werden wir
unsere alten Stockthermometer nicht verschrot-
ten – zur Prüfung liegen immer 2 oder 3 mit im
beheizten Bereich.
Gastartikel
Thomas Loose
Vorbereitung für eine Wärmeentwesung.
Vergleich der beiden Infrarot-Thermometer.