Informationen des Bundesverbandes Feuchte & Altbausanierung e.V.
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Der Kommentar
Sind neue Normen für Sachverständige die richtige Beurteilungsgrundlage?
von Axel C. Rahn
Für uns Sachverständige sind Begriffe
wie „Stand der Wissenschaft“, „Stand
der Technik“ und „allgemein aner-
kannte Regeln der Technik“ klar de-
finiert und voneinander abgegrenzt.
Hierbei haben die allgemein aner-
kannten Regeln der Technik als sog.
Auffangtatbestand die wesentliche
Bedeutung. Ein Werk entspricht den
allgemein anerkannten Regeln der
Technik, wenn es auf bewährte Art
und Weise errichtet wurde und man
in die Dauerhaftigkeit und Funktions-
tüchtigkeit erfahrungsgemäß ver-
trauen kann.
Das heißt, dass die Ausführung und
die Art eines Werkes von der Fachwelt
als richtig und fehlerfrei angesehen
wird. Die Verwendung neuer Baustof-
fe zur Errichtung eines Werkes, hin-
sichtlich deren Dauerhaftigkeit noch
keine Erfahrungen vorliegen, stellt
demgegenüber eine Abweichung dar,
womit das Werk zwar funktionstüch-
tig sein kann, jedoch nicht mehr den
allgemein anerkannten Regeln der
Technik entspricht, sondern vielleicht
eher dem Stand der Technik oder dem
Stand der Wissenschaft. Die allgemein
anerkannten Regeln der Technik stel-
len den wesentlichen Auffangtatbe-
stand dar, um den Auftraggeber davor
zu schützen, dass er ein Werk erhält,
hinsichtlich dessen zu erwartender
Qualität und Dauerhaftigkeit er nicht
vertrauen kann, da keine Erfahrun-
gen vorliegen oder es von der Fach-
welt als nicht bewährt beurteilt wird.
Da eine differenzierte Beurteilung, ob
ein Werk den allgemein anerkannten
Regeln der Technik oder nur dem Stand
der Technik entspricht, in Grenzfällen
sehr schwierig sein kann, erscheint
die Anwendung von Normen bei der
Beurteilung solcher Sachverhalte auf
den ersten Blick als Anfangsvermutung
schlüssig und sinnvoll. Aufgrund älte-
rer und immer noch aktueller BGH-Ur-
teile ist jedoch zu berücksichtigen,
dass Normen, die älter als fünf Jahre
sind, nicht mehr in vollem Umfang
die allgemein anerkannten Regeln der
Technik widerspiegeln müssen. Dies ist
verständlich und logisch. Für den Sach-
verständigen kommt aber auch noch
hinzu, dass er auch bei neuen Normen
nicht zwingend voraussetzen kann,
dass diese die allgemein anerkannten
Regeln der Technik widerspiegeln.
Das für den Sachverständigen logische
und verständliche Differenzieren zwi-
schen Stand der Wissenschaft, Stand
der Technik und allgemein anerkann-
ten Regeln der Technik kann bei Nor-
menausschüssen nicht zwangsweise
vorausgesetzt werden, da hier im Re-
gelfall nicht Sachverständige mitar-
beiten, sondern eine bunte Mischung
von Einflussnehmern. Spricht man mit
dem einen oder anderen, stellt man er-
schreckenderweise auch fest, dass das
Bewusstsein für eine Differenzierung
zwischen Stand der Technik und allge-
mein anerkannten Regeln der Technik
nicht unbedingt vorhanden ist. Viel-
mehr wird oftmals beides als gleichran-
gig betrachtet. Hier wird, insbesondere
auch von unseren wissenschaftlich täti-
gen Kollegen, bei der Normungsarbeit
zu wenig differenziert zwischen dem,
was technisch sinnvoll und möglich ist
und dem, was Planer und Ausführende
dem Auftraggeber gegenüber schulden.
Schützen & Erhalten · September 2016 · Seite 44