Fachexkursion
Heute, nach über 1000 Jahren, ist die Kathedra-
le geradezu ein Lehrstück der unterschiedlichen
Stilepochen englischer Gotik. Im Jahr 1988 zum
UNESCO Weltkulturerbe erhoben, vereinigt sie
harmonisch den Early English Style mit den spä-
teren Perpendicular Style und ist somit für je-
den Bauinteressierten nicht nur ein idealer Aus-
gangspunkt für eine Einführung in die englische
Baugeschichte, sondern auch ein Lehrstück eng-
lischer Baukunst und deren Anstrengungen, die
historischen Zeugnisse des Landes für die Nach-
welt zu erhalten.
Über den Ruinen des ursprünglich roma-
nischen Kirchenbaus, der infolge der norman-
nischen Eroberung 1067 abgebrannt war, ent-
stand über die Jahrhunderte ein weiträumiger
Gebäudekomplex mit romanischen, frühgotischen
und spätgotischen Teilen. Als bei einem erneu-
ten Brand im Jahr 1174 der erst 40 Jahre zuvor
fertiggestellte Chor zerstört wurde, begann mit
dessen Wiederaufbau die Epoche der Gotik in
England. Die Mönche des Domklosters hatten
entgegen früherer Gepflogenheiten einen Archi-
tektenwettbewerb ausgeschrieben, den der Fran-
zose Wilhelm von Sens gewann. Dieser brachte
als neuer Dombaumeister nicht nur Einflüsse der
frühen französischen Gotik, so der Kathedralen
von Sens und Saint-Denis, in sein Werk mit ein,
er ließ sogar das Baumaterial aus Frankreich her-
beischaffen, weil für seine Ansprüche geeignete
Steinbrüche in Süd-England erst später entdeckt
wurden. Noch heute kommen für die Restaurie-
rungsarbeiten Natursteine vom französischen
Festland zum Einsatz.
Ein abschließender architektonischer Stadt-
rundgang beendete gegen 21.00 Uhr, pünktlich
zum Einbruch der Dunkelheit, den ersten Ex-
kursionstag, fünf weitere sollten in ähnlicher
Form folgen.
Mit der Kathedrale von Canterbury ist nicht
nur der Beginn der Gotik in England untrennbar
verbunden, mit Abschluss der Bauarbeiten am
Langhaus, Anfang des 15. Jahrhunderts, endete
auch die Hochzeit des Kathedralbaus auf der In-
sel. Die herausragenden Bauvorhaben des 15. und
frühen 16. Jahrhunderts waren jetzt die Kapellen
der aufkommenden Colleges in Oxford und Cam-
bridge. Entsprechend war Canterbury der ideale
Ausgangspunkt der Exkursion. Die dort besich-
tigten Besonderheiten des englischen Kirchen-
baus bildeten dann auch die Grundlage für die
folgenden baugeschichtlichen Begehungen der
Kathedralen von Winchester und Bath sowie der
Kapellen der Colleges von Oxford und Cambridge.
Als am Sonntagabend gegen 18.00 Uhr mit
London Heathrow der Ausgangspunkt der Rei-
se wieder erreicht war, waren die meisten nicht
nur urlaubsreif, sondern vor allem um eine Viel-
zahl vorher nicht erwarteter positiver Eindrücke
reicher. Zugegeben, dass in England Anfang Mai
die Sonne eine Woche von einem wolkenlosen
Himmel strahlen würde mit Temperaturen bis zu
24 Grad, war nicht zu erwarten, sondern eben-
so Glück, wie das Wichtigste, dass während der
gesamten Exkursion keiner in irgendeiner Wei-
se zu Schaden gekommen ist. Alles andere al-
lerdings war der Auswahl der zu besichtigenden
Programmpunkte geschuldet, die begeisterten
und entsprechende Erwartungen an die Exkur-
sion im kommenden Jahr setzen.
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In Lacock scheint die Zeit stehen geblieben. Das
mittelalterliche Dorf mutet wie ein bewohntes
Freilandmuseum an und dient entsprechend häu-
fig als Filmkulisse. So z. B. für die BBC-Produkti-
on „Stolz und Vorurteil“ (1995) und für mehrere
Harry-Potter-Verfilmungen.
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Aus Neu macht Alt. Hier muss alles wie vor hun-
derten von Jahren wirken, auch wenn es gerade
erst saniert wurde. Besichtigung von Restaurie-
rungsarbeiten in Lacock.
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Tradition auf Schritt und Tritt, die sich auch im
Baustil der unzähligen Colleges widerspiegelt,
die die Zentren der Städte Oxford und Cambridge
prägen. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit sind die beiden
ältesten und renommiertesten Universitätsstädte
Englands auch unter dem gemeinsamen Namen
„Oxbridge“ bekannt. Wen wundert es da, dass sie,
bei so viel Gemeinsamkeit, eine jahrhundertealte
Rivalität verbindet, die bis auf die Gründung
Cambridges durch abtrünnige Wissenschaftler aus
Oxford im Jahr 1209 zurückgeht. Hier ein Blick
auf das Christchurch College in Oxford (rechts)
und die Kapelle des Kings College in Cambridge.
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Schützen & Erhalten · Juni 2016 · Seite 35