die bauaufsichtliche Vergabe des Prüfprädikats
„Ib“ für Bekämpfungsmittel, die keine ausrei-
chende Wirksamkeit gegenüber dem Gemeinen
Nagekäfer haben.
Ganz anders – und sachlich korrekt – findet
sich dieser Sachverhalt in der DIN EN 14128
wieder; hier wird ein Wirksamkeitsnachweis
gegenüber der tolerantesten Käferart – sofern
bekannt – gefordert oder gegenüber beiden Kä-
ferarten (Hausbock und Gemeiner Nagekäfer) –
sofern nicht bekannt.
Die Abweichungen der Kriterien in den „Zu-
lassungsgrundsätzen für Holzschutzmittel“ von
der DIN EN 14128 in Bezug auf die Typisierung
der Wirkungsgeschwindigkeit sind in Tabelle 2
zusammengefasst.
„4.3.2 Prüfung der Bekämpfung eines Befalls
durch den Hausbock
– Mittel mit schneller Wirkung
DIN ENV 1390
Anforderungen:
Nach 12 Wochen Ver-
suchszeit müssen mindestens 80% der
eingesetzten Larven abgetötet sein.
– Mittel mit langsamer oder verzögerter
Wirkung
DIN ENV 1390
Anforderungen:
Nach 52 Wochen Ver-
suchszeit müssen mindestens 80% der
eingesetzten Larven abgetötet sein.“
[7]
Normkonform mit der DIN EN 14128 ist lediglich
die Anforderung an schnell wirksame Mittel ge-
gen den Hausbockkäfer. Die Prüfzeit für langsam
wirkende Präparate ist hier von 24 Wochen auf
ein Jahr verlängert; dies entspricht exakt der
Prüfzeit für verzögert wirkende Produkte. Da-
mit werden Bekämpfungsmittel, die bereits nach
24 Wochen Prüfdauer wirksam sind, mit solchen
gleichgestellt, bei denen der Abtötungserfolg
erst nach einem Jahr eintritt. Es ist also in das
Belieben des Antragstellers gestellt, unter wel-
cher Bezeichnung der Wirkungsgeschwindigkeit
die Produktzulassung erteilt werden soll und wird
in der Regel genutzt, um die verzögert gegen den
Hausbock wirksamen Bor-Präparate nach außen
hin besserzustellen.
„4.3.3 Prüfung der Bekämpfung eines Befalls
durch Anobiiden
– Mittel mit schneller Wirkung
DIN EN 48
Anforderungen:
Nach 12 Wochen Ver-
suchszeit müssen mindestens 80% der
eingesetzten Larven abgetötet sein.
– Mittel mit langsamer oder verzögerter
Wirkung
DIN EN 48
Anforderungen:
Nach 52 Wochen Ver-
suchszeit müssen mindestens 80% der ein-
gesetzten Larven abgetötet sein.“
[7]
Es ist als erstes anzumerken, dass hier Prüfkri-
terien für Anobiiden festgelegt werden und aus
dem Wirksamkeitsnachweis gegenüber dem Ge-
meinen Nagekäfer wird direkt eine Wirksamkeit
gegen den Gescheckten Nagekäfer abgeleitet.
Dieser hohe Anspruch lässt einerseits völlig
außer Betracht, dass man mit dem Gescheck-
ten Nagekäfer bis heute keine Wirksamkeits-
prüfungen durchführen kann und daher keine
Datenlage zur Wirksamkeit existiert, die diese
Ableitung rechtfertigen könnte. Andererseits
zeigen leidvolle Erfahrungen aus der Praxis,
dass der Gescheckte Nagekäfer gegenüber den
unterschiedlichen Insektizid-Klassen völlig an-
dere Toleranzen zeigt als der Gemeine Nagekä-
fer. Hinzu kommt, dass die Biologie der beiden
Anobiiden-Arten sehr unterschiedlich ist. Der
in diesem Zusammenhang wesentlichste Un-
terschied ist, dass der Gemeine Nagekäfer zur
Verpuppung an die (behandelte) Holzoberflä-
che kommen muss, um hier seine Puppenwie-
ge anzulegen. Der Gescheckte Nagekäfer muss
dies nicht unbedingt, er kann sich auch in
kernfaulen Bereichen im Inneren des Holzes
– unter Meidung der behandelten Oberflächen
– fortpflanzen. Diesem Schadorganismus ist
bestenfalls formal über verlängerte Prüfzeiten
beizukommen, auf jeden Fall sind flankierende,
anwendungstechnische Maßnahmen (wie z. B.
Bohrlochtränkung) zusätzlich erforderlich…in
der Hoffnung, dass das Insektizid wirksam ist.
Vor einer Wirksamkeitsbewertung gegenüber
dem Gescheckten Nagekäfer hat die Experten
gruppe der europäischen Normung kapituliert
und ihre Kapitulationsbedingungen im Anhang
B der DIN EN 14128 niedergelegt.
Beim Gemeinen Nagekäfer wird die Prüfzeit
für schnell wirkende Präparate von 8 auf 12
Wochen erhöht und für langsam wirkende Prä-
parate von 16 Wochen auf ein Jahr verlängert.
Eine Übersicht der Abweichungen der Kriterien
des DIBt von der DIN EN 14128 sind in Tabelle2
zusammengefasst.
Folgt man der inneren Logik der „Zulas-
sungsgrundsätze für Holzschutzmittel“, dann
ist zunächst ein Wirksamkeitsnachweis gegen-
über dem Hausbockkäfer zu erbringen. Da alle
zur Zeit verfügbaren Insektizide sowohl gegen
den Hausbock als auch gegen den Gemeinen Na-
gekäfer – wenn auch in unterschiedlichen Kon-
zentrationen – wirksam sind, ist damit auch der
Nachweis der Wirksamkeit gegen den Gemeinen
Nagekäfer erbracht. Ob der Hausbock auf das ein
gesetzte Insektizid am empfindlichsten reagiert
– und das tut er fast immer – oder nicht, ist
dabei ohne Bedeutung (siehe Abs. 4.3.1 in
[7]
).
Mit der auf diesem Wege nachgewiesenen Wirk-
samkeit gegen den Gemeinen Nagekäfer ist die
Anobien-Wirksamkeit bestätigt (siehe Abs. 4.3.3
in
[7]
) und damit auch die Wirksamkeit gegen den
Gescheckten Nagekäfer belegt. Auf der Grund-
lage dieses Wirksamkeitsnachweises wird das
Prüfprädikat „Ib“ erteilt und das Bekämpfungs-
mittel kann jetzt offiziell zur Bekämpfung aller
Schadinsekten im bauaufsichtlich geregelten Be-
reich eingesetzt und ausgelobt werden – ohne
Wirksamkeitsnachweis gegen den Gemeinen Na-
gekäfer, ohne Anpassung des Insektizid-Anteils
und ohne Erhöhung der Aufbringmenge. Die Er-
fahrungen mit der voll umfänglichen Umsetzung
aller Möglichkeiten dieser inneren Logik in die
Praxis sind sehr gut in
[6]
dokumentiert und le-
gen das Versagen der Bewertungskriterien für
das Prüfprädikat „Ib“ nahe.
Die Typisierung, die das DIBt bei der Er-
teilung des Prüfprädikats „Ib“ zugrunde legt,
basiert auf den derzeit niedrigsten und unsi-
chersten Anforderung und ist am wenigsten
konform mit der DIN EN 14128. Die Vergabe-
kriterien erlauben grundsätzlich die Vermark-
tung von Bekämpfungsmitteln ohne Wirksam-
keit gegen den Gemeinen Nagekäfer und ohne
dass dies ersichtlich ist. Aus dem Prüfprädikat
„Ib“ geht nicht hervor, gegen welchen Schad
organismus ein Schutzmittel wirkt und wie die
Typisierung vorgenommen wurde. Darüber hi-
naus steht es im Ermessen des Antragstellers,
ob eine langsame oder ob eine verzögerte Wirk-
samkeit gegenüber dem Hausbockkäfer ausge-
lobt werden soll.
Typisierung von Bekämpfungsmitteln
gemäß RAL-GZ 830
Die Gütegemeinschaft Holzschutzmittel E.V.
stellt einen Verband von Holzschutzmittel-Her-
stellern dar, der sich auf freiwilliger Basis ge-
gründet hat. Die Zielsetzung dieses Verbandes
ist die Bereitstellung von Holzschutzmitteln mit
geprüfter Wirksamkeit und gesundheitlicher Un-
bedenklichkeit für den nicht bauaufsichtlich ge-
regelten Bereich. Die Bewertung der Wirksamkeit
erfolgt auf der Grundlage der Prüf- und Gütebe-
stimmungen der Holzschutzmittel-Gütesicherung
RAL-GZ 830.
[4]
In diesen Prüf- und Gütebestim-
mungen sind unter anderem auch die Wirksam-
keits-Kriterien für Bekämpfungsmittel und deren
Typisierung hinsichtlich Wirkungsgeschwindig-
keit im Abschnitt 3.3.3 festgelegt. Sie kommen
den Vorgaben der DIN EN 14128 sehr nahe, sind
in Teilbereichen aber nicht vollständig konform
mit den europäischen Vorgaben.
Vorbildlich ist die insektenspezifische Diffe-
renzierung und Auslobung der Wirksamkeit sowie
die Übernahme der Wirksamkeits-Anforderungen
aus der DIN EN 14128.
Die Abweichungen der Kriterien des RAL-GZ
830 zur Bezeichnung der Wirkungsgeschwindig-
keit von der DIN EN 14128 sind in Tabelle 2 zu-
sammengefasst. Bei beiden Schadinsekten un-
terscheidet RAL-GZ 830 nicht zwischen schnel-
ler und langsamer Wirkungsgeschwindigkeit und
fasst diese beiden Schutzmittel-Typen zu „schnell
wirkend“ zusammen
Für den Hausbockkäfer hat RAL-GZ 830 eine
verzögerte Wirksamkeit auf Grundlage der DIN EN
1390 neu eingeführt, die in der DIN EN 14128
nicht enthalten ist. In der Urfassung der DIN
EN 1390 war die Prüfzeit von 52 Wochen nicht
vorgesehen. Erst auf Wunsch der deutschen De-
legation erfolgte die Aufnahme der einjährigen
Prüfzeit und die „verzögerte Wirksamkeit“ in die
zweite Fassung dieser Prüfnorm.
Mit dieser Erweiterung wurde den sehr lang-
sam wirkenden, Bor-haltigen Präparaten der Weg
in die Bekämpfung geebnet. Man kam damit Mit-
te der 90er Jahre dem Wunsch der deutschen
Gesundheitsbehörde nach, um die damals noch
als sehr harmlos und unbedenklich bewerteten
Bor-Verbindungen ohne Raumluftbelastung im
Fachbereiche
Sachverständige
Schützen & Erhalten · Dezember 2014 · Seite 24