Schützen & Erhalten · Dezember 2016 · Seite 73
Die Ex-Press
Berufsinformation des DSV e.V. |
Aus dem Verband
Schlechte Krimis schreibt das Leben
Falsche Bekämpfung oder ohne Sachkunde. Dies kann bei ernsten Verstößen die Perspektive des Ausführenden
sein. Die Ratte guckt in diesem Fall von außen zu. (Foto: Sipa)
In der letzten Ausgabe der S&E haben wir
Ihnen berichtet, wie ein inkompetenter
und auch skrupelloser Handwerker,
unsachgemäße Schädlingsbekämpfung
durchgeführt und Endverbraucher über-
vorteilt hat. Der Handwerker wurde über
einen Vermittlungsdienst der mit einer
Schlüsseldienstzentrale zusammenarbeitet,
vermittelt.
Schlüsseldienstzentrale nun mit
eigenem Personal
Der Vermittlungsdienst hat inzwischen auf-
grund unserer Intervention seine Homepage
vom Netz genommen, nur um sie unter anderer
Domain fast unverändert erneut ins Internet zu
stellen. Wir sehen dort erneut Verstöße gegen
das UWG. Inzwischen wurde uns versichert, dass
die Vermittlung an „Fremde“ durch Personaleng-
pässe nur vorübergehend der Fall gewesen sei
und man nun Schädlingsbekämpfung mit eige-
nem, ausgebildeten Personal durchführen wird.
Die Ausbildungsnachweise wurden uns ungefragt
zugesandt. Unsere Meinung? Das macht es nicht
besser. Das wirkt wie die Wandlung vom Wolf im
Schafspelz nun zum Schaf im Wolfspelz. Nicht
ganz so intelligent, aber wesentlich gefähr-
licher. Für den Verbraucher und für den Beruf.
Wir vermuten, von diesem Unternehmen haben
wir noch nicht das letzte Mal gehört.
Verklag-mich-doch Haltung
Doch zurück zum Handwerker. Wir erinnern
uns, nach Nennung einer relativ moderaten An-
fahrt und Einsatzpauschale, war die 4-fach höhere
Rechnung per EC-Kartenlesegerät an der Haustür
abgebucht worden. Es erfolgten verschiedene
Anzeigen, u.a. wegen Tierquälerei, Verstoß ge-
gen das Jagdgesetz und Wucher. Die Privatklage
wurde inzwischen verhandelt. Bisher haben wir
Betroffenen die einmal Geld gezahlt haben, we-
nig Hoffnung gemacht, jemals ihr Geld wiederzu-
sehen. Das ist ja auch die Schieflage in diesem
unserem schönen Staat. Vielen kriminellen oder
im Graubereich operierenden Unternehmen pas-
siert nichts. Kaltschnäuzig ist dort die Haltung
„verklag mich doch.“
In diesem Fall ging die Rechnung nicht
ganz auf. Zum einen arbeitete die Kundin in ei-
ner Anwaltskanzlei, zum anderen Bestand eine
Rechtsschutzversicherung. Es musste also nicht
noch zusätzliches Geld in die Hand genommen
werden, um evtl. bereits bezahltes Geld wieder-
zubekommen. Wie erwartet war der Handwerker
von jeglichem Drohszenario völlig unbeeindruckt,
so dass Klage eingereicht und der Fall vor dem
Amtsgericht verhandelt wurde.
Gericht spricht Geld-zurück-Urteil
Das Urteil kann sich sehen lassen. Zunächst
stellt das Gericht fest, dass die Klägerin zwar eine
Unterschrift auf einer Dokumentation mit ausge-
wiesenem Preis geleistet hat (Vertragsschluß),
dieser aber jedoch von dem vorher mündlich ge-
schlossenen Vertrag (telefonische Preisauskunft)
abweicht. Statt der vereinbarten 270,13 wurden
per EC-Gerät 750,89 Euro eingezogen. Das Ein-
ziehen dieses Geldes, dass der Beklagte so er-
langte, erfolgte ohne Rechtsgrund. Auch wenn
in der Dokumentation versucht wurde, durch
Positionen für Material und weitere Arbeitszeit,
diese Summe zu rechtfertigen.
In der Abrechnung wurde ein auffälliges
Missverhältnis zur ursprünglichen Vereinbarung
gesehen und das Gericht betrachtete den vorlie-
genden Fall als einen Verstoß gegen die guten
Sitten. Dazu wird im Urteil wie folgt ausgeführt:
„... Es ist ersichtlich wucherisch, wenn je-
mand, der – wie vorliegend unstreitig geblieben
– auf drei oder vier Küchenrollentücher ein Mittel
auftropft und in einen Schacht schmeißt, selbst
wenn dies nachts um vier passiert, hierfür 750,89
Euro verlangt. [...]
Bei jedem Amtsgericht müssen permanent
entsprechende Rechtsstreitigkeiten entschieden
werden, in denen 24 Std.-Schlüsseldienste, unseri-
öse Umzugsunternehmer und andere Dienstleister
unter außergewöhnlichen Umständen ähnlich ab-
surde Summen unerfahrenen Verbrauchern abnö-
tigen, und dann auch noch mithilfe von anwalt-
lichen Prozessbevollmächtigten meinen, hiermit
auch noch vor Gericht durchdringen zu können...“
Das sind verblüffend klare Worte. Mit der
Pointe, dass der Handwerker in der Tat über die
Notrufzentrale eines Schlüsseldienstes vermit-
telt wurde.
Chance für ein bisschen Nabelschau
Natürlich sind wir eine Wirtschaftsvertretung
und sehen uns nicht generell auf der Seite der
privaten Endverbraucher. Aber allen in unserem
Beruf die faire Geschäfte machen, wurde hier ge-
holfen. Außerdem bietet so ein Urteil Gelegen-
heit die eigene Preisgestaltung und Vorgehens-
weise zu überdenken. Ganz klar muss geleistete
Arbeit bezahlt werden und persönlich bin ich der
Meinung, dass Stundensätze von z. B. 40,– Euro
für unseren Beruf viel zu niedrig sind. Aber, es
muss allen Beteiligten klar sein, dass Pauschal-
beträge für Arbeitszeiten in Rechnungen nichts
zu suchen haben. Das ist vielleicht schwer und
auf jeden Fall ernüchternd. Ich selber habe
auch in den 90er Jahren auf diese Weise mit
dem dicken Daumen kalkuliert und fühlte mich
nicht schlecht dabei. Aber es ist eben schwer
zu erklären, warum man für eine halbstündige
Behandlung 400,– Euro Arbeitslohn oder mehr
zzgl. Material und Anfahrt haben möchte. Ge-
warnt wird auch vor der gegenteiligen Variante.
Im Sommer wurde uns eine Rechnung für die
Beseitigung eines Wespennestes in einem klei-
nen Dachboden vorgelegt, in der neben nach-
vollziehbaren Arbeitszeiten und Stundenlohn,
32 Aerosoldosen Wespenspray aufgeführt wa-
ren ... wir hoffen wirklich, dass diese Menge an
Insektizid nicht ernsthaft an einer kleinen, de-
finierten Stelle ausgebracht wurden.
Beim nächsten Mal unterstützen wir gerne
Sie, wenn ehrlich erbrachte Leistung vom Auf-
traggeber nicht wie verlangt honoriert wird.
A.B.