Schützen & Erhalten · Dezember 2016 · Seite 74
Die Ex-Press
Berufsinformation des DSV e.V. |
Wissenswertes
Frostiger Empfang für Bettwanzen
Alpenhütte von Bettwanzen befallen
Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen steht
in Unterammergau auf fast 1.600 m Höhe das
August-Schuster-Haus. Eine Bergwanderhütte
des Deutschen Alpenvereins (DAV), die nach dem
Bergrücken, auf dem sie steht, auch Pürschling-
haus genannt wird. Die Hütte liegt am Europä-
ischen Fernwanderweg E4, der die Pyrenäen mit
dem Neusiedler See verbindet. Entsprechend be-
liebt ist dieses Haus bei internationalen Berg-
wanderern. Besonders im Winter wird die Hütte
stark von Schlittenfahrern und Bergtouristen
frequentiert. Doch wenn man im Internet nach
August Schuster Haus sucht, erhält man der-
zeit den Hinweis „dauerhaft geschlossen“. Was
war passiert?
Seit August 2016 sind erste Meldungen über
Bettwanzenbefall bei den Hüttenbetreibern und
beim DAV eingegangen. Verschiedene Schäd-
lingsbekämpfer haben im August und September
unterschiedliche Methoden angewandt, um die
Bettwanzen loszuwerden. Nichts brachte dauer-
haften Erfolg. Das komplex gestaltete, teilweise
in den Berg hineingebaute Haus bietet in seiner
Holzstruktur zu viele Spalten und Fugen, in de-
nen sich die Tiere verstecken können und sich
mit keinem der angewandten Verfahren erreichen
lassen. Ein Entkernen oder Freilegen der zu be-
handelnden Bereiche wurde aus Kostengründen
verworfen. Damit ergab sich ein unerwünschter
Hot Spot in einer Kette von Wanderhütten, von
dem die Bettwanzen von den Besuchern immer
wieder in andere Hütten verteilt wurden.
Natürliche Kryotechnik als finale
Maßnahme
Über das Gesundheitsamt wurde schließlich
das Umweltbundesamt auf den Plan gerufen.
Bei der Besichtigung durch Frau Dr. Vander Pan
wurde attestiert, dass die Schädlingsbekämpfer
alles richtig gemacht haben, aber mit den eta-
blierten Verfahren in diesem verzwickten Fall
keine Lösung erreichbar ist. Von daher wurde
vorgeschlagen, die Natur helfend mit
einzubeziehen und die winterlichen Tempera-
turen als natürliche Kryobehandlung zu nutzen.
Damit die Tiere nicht auf die wärmeren Bereiche
der Hütte ausweichen können, wird nicht nur der
Beherbergungsbetrieb sondern auch die Tages-
bewirtung für mehrere Monate ausgesetzt. Das
Wasser wird aus den Rohrleitungen abgelassen,
und die Hütte schließt den ganzen Winter. Erst
im Mai 2017 soll der normale Betrieb wieder
aufgenommen werden.
Dieser Bekämpfungsansatz ist einen Ver-
such wert. Es wird sich zeigen, inwieweit ein
theoretisches Gedankenmodell im Feldversuch
die gewünschten Erfolge zeigt. Sicherlich ster-
ben Bettwanzen bei Minusgraden über mehrere
Tage. Aber da die Tiere an unser Klima angepasst
sind, könnte es sein, dass diese sich mit einset-
zender Kälte in Bereiche zurückziehen, die eine
natürliche Isolierung aufweisen, die etwa Wär-
mebrücken bilden und so den Tieren ein Über-
leben ermöglichen.
Dieses Experiment könnte für alle Beteiligten
eine härtere Prüfung sein, als der Jakobsweg. Es
ist den Betreibern und Besuchern zu wünschen,
dass die drastische Außerbetriebnahme zum dau-
erhaften Erfolg führt.
Offene Kommunikation und
Aufklärung
Der DAV geht nun offensiv mit diesem The-
ma um und macht die Besucher auf das Problem
aufmerksam. Auf seiner Internetseite berichtet
er von einem „massiven Befall“ mit Bettwanzen
in den Schlafräumen. Verhaltensweisen werden
empfohlen, um die Verbreitung zu vermeiden.
Man schämt sich nicht, da der Befall kein Hy-
gieneproblem ist und nur mit Aufklärung dem
Problem beizukommen ist. Um die Hütte nicht
schnell wieder anzustecken, wird es getrennt von
den Schlafräumen eigene Gepäckräume
geben. Weitere Informationen, was zu
beachten ist, werden beim Check-In
den Gästen mitgeteilt.
Um das Problem konzeptionell zu lösen, es
ist nicht nur eine Hütte befallen, hat der DAV
Kontakt aufgenommen zu den Schweizer, Itali-
enischen, Österreichischen und Französischen
Alpenvereinen, um eine koordinierte Vorgehens-
weise und einheitliche Informationspolitik zu
starten. Dabei werden auch die Schädlingsbe-
kämpfungsverbände der fünf Alpenländer mit ein-
bezogen. Die unternommenen Schritte sind sehr
vielversprechend und können für andere Bran-
chen als Vorzeigeprojekt dienen. Der am schwie-
rigsten zu kontrollierende Faktor wird jedoch das
Verhalten der Besucher sein. Wir könnten uns
vorstellen, dass es für die Wanderwege auch im
nächsten Jahr nicht heißt „wir sind dann mal
weg“ sondern „wir sind wieder da.“
A.B.
Foto: ©DAV Sektion Bergland
Bettwanzen bei Bergtouren ungewollt im Gepäck.
Foto: Lucas R. Cox
Mit diesem QR-Code
gelangen Sie direkt zur
Mitteilung des DAV