Schützen & Erhalten - page 13

Schützen & Erhalten · Dezember 2000 · Seite 13
DIE FACHBEREICHE
Sachverständige
Neues zum
„Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“
In der letzten Ausgabe
von „Schützen & Erhalten“
(Nr. 4+5) hatte Georg
Brückner Ihnen ein Merk-
blatt und eine Musterbe-
scheinigung zum Be-
schleunigungsgesetz vor-
gestellt, das von der HWK
Münster an die bei ihr
ö.b.u.v. Bausachverständi-
gen verteilt wurde.
In der Zwischenzeit gibt
es zu diesem Gesetz er-
ste kritische Stellungnah-
men, die sich vor allem
mit der rechlichen Seite
auseinander setzen. An
dieser Stelle möchte der
Fachbereichsleiter dem
Kollegen Michael Diehl
(Mitglied im Fachbereich
Sachverständige
des
DHBV) dafür danken, dass
er mir die schriftliche Fas-
sung des Vortrages „Das
Gutachterverfahren nach
dem Beschleunigungsge-
setz vom 1. Mai 2000“ von
Profesor. Motzke
1
zur Ver-
fügung gestellt hat. Nach-
folgend sind Auszüge der
wichtigsten Aussagen
wieder gegeben (kursiv
gedruckt), die sich kri-
tisch mit den rechtlichen
Problemen auseinander
setzen, die auf Sachver-
ständige zukommen kön-
nen, wenn von Ihnen Fer-
tigstellungsbescheini-
gungen nach o.g. Gesetz
erstellt werden.
Vollständige Inhaltsangabe der
schriftlichen Vortragsfassung
„Das Gutachterverfahren nach
dem Beschleunigungsgesetz
vom 1. Mai 2000“ Referent: Prof.
Dr. Gerd MOTZKE, Vorsitzender
Richter am OLG
Am 1.5.2000 ist das Gesetz
zur Beschleunigung fälliger Zah-
lungen in Kraft getreten. Die
Neuregelung beschränkt sich
entgegen dem aufgefundenen
Titel nicht mit der Neufassung
von Verzugsregeln, sondern greift
tief in das Werkvertragsrecht ein.
Geschaffen werden zwei Tatbe-
stände, die zu Abnahmefiktio-
nen führen. Eine davon hat mit
der Tätigkeit des Sachverstän-
digen zu tun. Die Fertigstellungs-
bescheinigung eines Sachverstän-
digen steht nach § 641a BGB
einer Abnahme gleich. Welche
Bedeutung diese Regelung ne-
ben der weiteren Abnahmefik-
tion in § 640 Abs.1 Satz 38 BGB
zukommt, wird die Zukunft wei-
sen. Einfach ist das in § 641a
BGB umfangreich geregelte Gut-
achterverfahren, das zu der Fer-
tigstellungsbescheinigung führt,
jedoch nicht.
Die Normierung ist bei pra-
xisnaher Betrachtung auch dürf-
tig. Die Vorschrift benennt als
Prüfungsgegenstand auch Auf-
maß und Stundenlohnabrechnun-
gen und weist diesen Rechnungs-
unterlagen die Vermutung der
Richtigkeit zu, wenn der Sach-
verständige die Richtigkeit in der
Fertigstellungsbescheinigung be-
stätigt. Diese wird also um eine
Art Abrechnungsbescheinigung
erweitert.
Angesichts der Bedeutung der
Neuregelung besteht Klärungsbe-
darf. Der Sachverständige muss
wissen, welche Aufgabe auf ihn
zukommt, wie er diese zu bewäl-
tigen hat, welche Gefahren dro-
hen und wie diesen zu begegnen
ist. Die Regelung ist wiederum
ein Beleg dafür, dass die Aufga-
ben der Sachverständigen keines-
wegs abnehmen, sondern eher
wachsen. Die Regelung wird aus
praktischer Sicht von Euphorie ge-
tragen; Bedenken, die dagegen
sprechen, das Gutachten eines
Sachverständigen unmittelbar mit
der Rechtsfolge der Abnahme und
damit der Fälligkeit zu besetzen,
keimen nicht einmal auf. Die Pra-
xis zeigt immer wieder, dass ge-
rade Sachverständigenfragen zu
Mängeln und Fehlern nicht nur
technisch, sondern auch recht-
lich „besetzt“ sind.
I. Der Zusammenhang
der Fertigstellungs
bescheinigung
Die Fertigstellungsbescheini-
gung und das dazugehörige Ver-
fahren sind in § 641a BGB ge-
regelt. Die Bescheinigung wird
der Abnahme gleichgestellt, sie
führt also zur Fälligkeit der noch
offenen Werklohnforderung des
Unternehmers, der sich bisher mit
Mängelrügen des Auftraggebers
und damit konfrontiert sieht, dass
dieser die Abnahme wegen der
Mängel abgelehnt hat.
A Rechtsgeschäftliche
Abnahme durch den
Auftraggeber
Die Abnahme durch den Auf-
traggeber, die nach § 640 BGB
bei einem BGB-Bauvertrag und
nach § 12 VOB/B bei einem VOB-
Bauvertrag erfolgen kann, ist eine
rechtsgeschäftliche Willenserklä-
rung. Damit bringt der Auftrag-
geber die Billigung des Werkes
zum Ausdruck. Das kann aus-
drücklich oder stillschweigend ge-
schehen.
B Fiktive Abnahme
nach §12 Nr.5 VOB/B
Bisher kannte lediglich die
VOB/B die Zulässigkeit einer fik-
tiven Abnahme. Diese ist von der
stillschweigenden Abnahme
scharf abzugrenzen. Die fiktive
Abnahme beruht nicht auf einer
Willenserklärung, sondern die
eine fiktive Abnahme anordnende
Regelung weist unabhängig da-
von, ob der Rechtsverkehr mit
bestimmten Tathandlungen eine
Abnahme als vorausgehend ver-
bindet, bestimmten Vorgängen
Abnahmewirkung zu. Die fikti-
ve Abnahme ist deshalb willens-
unabhängig; die Rechtsfolge der
Abnahme wird in der Regelung
bestimmten Ereignissen zugewie-
sen.
Die näheren Einzelheiten für
die fiktive Abnahme sind § 12
Nr.5 VOB/B zu entnehmen. Sie
knüpft an der bloßen Fertigstel-
lungsmitteilung des Auftragneh-
mers und dem Ablauf von Fri-
sten an. Bisher kannte das BGB-
Werkvertragsrecht die Möglichkeit
der fiktiven Abnahme nicht. Zwei
Bestimmungen im Gesetz zur
Beschleunigung fälliger Zahlun-
gen führen fiktive Abnahmefor-
men ein.
C Rechtsfolgen der
Abnahme
Die Rechtsfolgen der rechts-
geschäftlichen Abnahme finden
sich in einem BGH-Urteil zusam-
mengefasst. Mit der Abnahme
entfallt die Vorleistungspflicht des
Auftragnehmers. Mit der Abnah-
me sind die gegenseitigen Ver-
tragspflichten Zug um Zug ab-
zuwickeln. Mit der Abnahme wird
die Werklohnforderung fällig (§
641 BGB) und es kehrt sich die
Beweislast für die vertragsgerech-
te Erfüllung zu Lasten des Auf-
traggebers um; dieser hat nun-
mehr das Vorhandensein der
Mängel zu beweisen. Mit der
Abnahme geht die Preisgefahr
auf den Auftraggeber über (§
644 Abs.1 Satz 1 BGB).
D Rechtsfolgen der Fertig-
stellungsbescheinigung
Wenn die Neuregelung durch
das Beschleunigungsgesetz die
Fertigstellungsbescheinigung der
rechtskräftigen Abnahme gleich-
stellt, verdeutlichen die aufge-
zeigten Wirkungen der Abnah-
me den beachtlichen Stellenwert
der Fertigstellungsbescheinigung
des Sachverständigen
II. Fiktive Abnahme
formen nach dem
Beschleunigungs-
gesetz
Das Beschleunigungsgesetz
führt in § 640 Abs.1 Satz 3
2
und
§ 641a BGB Formen fiktiver Ab-
nahme ein. Letztere Bestimmung
enthält die Regelung der Fertig-
stellungsbescheinigung des Sach-
verständigen. Das Verhältnis bei-
1...,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12 14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,...44
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