Schützen & Erhalten · März 2015 · Seite 20
Parteien den Sachverständigen ohne die Par-
teien begleiten
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III. Selbstständiges Beweisverfahren
In einem vom OLG Koblenz
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zu entschei-
denden Fall hatte der Kläger ein selbstständiges
Beweisverfahren eingeleitet; und zwar zu ver-
schiedenen Mängelbehauptungen.
Der gerichtliche Sachverständige erstattete
sein Gutachten am 13. 10. 2005, sparte aber
mangels Sachkunde eine bestimmte Schadens-
behauptung aus. Die insoweit beantragte Gut-
achtenergänzung erfolgte am 28. 3. 2006 und
anschließend wurde dazu noch eine mündliche
Gutachtenerläuterung am 8.1.2008 durchgeführt.
Der ausgesparte Schaden war verjährt. Der
andere Schaden war nicht verjährt
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Anmerkung: Diese Rechtsprechung verurs-
acht erhebliche Probleme in der Praxis, da ver-
schiedene Beweisfragen sich häufig überlappen
und teilweise voneinander abhängig sind, wie
zum Beispiel Mängel im Gewerk Elektro und
Brandschutz.
IV. Honorarverlust
In einem Fall vor dem OLG Nurnberg
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ging
es um die Vergütung für ein nicht rechtzeitig
erstattetes Gutachten. Der gerichtliche Sach-
verständige führte einen Ortstermin durch und
verfasste Vermerke bezüglich der Feststellungen
zu den Mängelbehauptungen. Diese Vermerke
wurden dem Gericht übersandt. In der Folgezeit
erstattete der Sachverständige sein Gutachten
trotz mehrfacher gerichtlicher Aufforderungen,
Fristsetzungen und Ordnungsgeld über einen
Zeitraum von mehr als zweieinhalb Jahren nicht.
Das Gericht entzog dem Sachverständigen
den Auftrag und lehnte eine Vergütung für die
bisher geleistete Arbeit ab, und zwar auch für die
bereits erbrachte Teilleistung in Form der oben
bereits erwähnten Vermerke zu den Bauschä-
den. Der Sachverständige musste trotz seiner
erbrachten Teilleistung die Vorschüsse vollstän-
dig zurückzahlen.
Anmerkung: Leider muss festgestellt wer-
den, dass gerichtliche Sachverständige oft eine
zu lange Zeit benötigen, um ihr Gutachten zu
erstellen. Das ist für die Verfahrensbeteiligten
außerordentlich belastend und verzögert den
Rechtsstreit.
V. Arbeit an Gutachten
In einem Beschluss des OLG Brandenburg
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ging es um die Verweigerung der Beantwortung
hypothetischer Fragen. Gibt der Sachverstän-
dige damit Anlass für Zweifel an seiner Unbe-
fangenheit?
Der gerichtliche Sachverständige führte aus,
dass der streitgegenständliche Spitzboden nach
den Planungsunterlagen nicht als Aufenthalts-
raum ausgeführt wurde, sodass die Statik ausrei-
chend war. Die Ergänzungsfrage eines Parteiver-
treters stellte darauf ab, dass der Sachverstän-
dige unterstellen solle, dass der Spitzboden als
Aufenthaltsraum vorgesehen sei. Dies lehnte der
Sachverständige ab unter Hinweis auf die vorge-
legten Pläne, wonach der Spitzboden nicht als
Aufenthaltsraum eingetragen war. Es wurde da-
raufhin von der Bauherrschaft ein Befangenheits-
antrag gestellt, der vom Gericht abgelehnt wurde.
Das Gericht meinte, dass der Sachverständige
seinen eigenen Beurteilungsmaßstab − nämlich
die Planungsunterlangen und nicht die hypothe-
tische Frage – offengelegt habe. Dies sei nach-
vollziehbar und mache den Sachverständigen
nicht befangen.
Anmerkung: Der Sachverständige hat seine
Meinung zu der hypothetischen Frage des Par-
teivertreters sachlich geäußert und seinen Be-
urteilungsmaßstab offengelegt. Dass er den Pla-
nungsunterlagen und nicht einer hypothetischen
Fragestellung gefolgt ist, macht ihn nicht befan-
gen, wie das Gericht zutreffend meint.
VI. Aufklärungspflicht des Gerichtes
Der BGH
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entschied in einem Beschluss vom
21.3.2013 zur Aufklärungspflicht des Gerichts
bei widersprüchlichen Gutachten.
Der gerichtliche Sachverständige führte die
Feuchtigkeit auf eine mangelhafte Außenabdich-
tung des Gebäudes zurück. Der Privatgutachter
stellt unter anderem auf den Grundwasserspie-
gel ab. Das Gericht folgt ohne Auseinanderset-
zung mit dem Privatgutachten der Auffassung
des gerichtlichen Sachverständigen. Der BGH
hob das Berufungsurteil auf und verwies zurück.
Anmerkung: Das Berufungsgericht muss sich
mit dem Widerspruch des Privatgutachters zu der
Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen
auseinandersetzen. Erfolgt das nicht, wird das
rechtliche Gehör verletzt
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VI. Obergutachten
Das OLG Celle
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entschied, dass ein Ober-
gutachten nach §412 ZPO nur dann in Betracht
kommt, wenn das erste Gutachten mangelhaft
war, indem es unvollständig, widersprüchlich
und nicht überzeugend ist und von falschen
tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht und der
Sachverständige erkennbar nicht über die not-
wendige Sachkunde verfügt.
Anmerkung: Aus den vorgenannten Hinwei-
sen wird deutlich, dass das sogenannte Ober-
gutachten gem. §412 I ZPO in der Praxis wenig
in Anspruch genommen wird.
VIII. Keine Streitverkündung gegen
Gerichtssachverständige
Ein Sachverständiger hatte in einem Pro-
zess vor dem OLG Rostock zur Feststellung von
verschiedenen Mängeln ein Gutachten erstellt.
In einem späteren Prozess mit demselben
Sachverhalt bezog sich die eine Prozesspartei
auf das Gutachten des Sachverständigen des
vorangegangenen Verfahrens und verkündete
ihm den Streit.
Dies hält das OLG Rostock
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für unzulässig
nach §72 II ZPO, da damit zu rechnen sei, dass
der Sachverständige in dem späteren Verfahren
erneut als gerichtlicher Sachverständiger be-
auftragt wird.
Anmerkung: Es handelt sich um eine ältere
Entscheidung, die aber auch heute noch von Be-
deutung ist. Bekanntlich ist durch eine Regelung
des Gesetzgebers vom 31. 12. 2006 die Unzuläs-
sigkeit der Streitverkündung gegenüber dem ge-
richtlichen Sachverständigen geregelt worden.
Dies soll jetzt auch für Folgeprozesse gelten.
Die Ausdehnung des § 72 II ZPO auf Folgever-
fahren ist prozessual sinnvoll, weil das frühere
Gutachten und der frühere Sachverständige bei
erneuter Heranziehung als Sachverständiger mit
der vollen Problematik der Streitverkündung ge-
genüber dem gerichtlichen Sachverständigen
belastet ist.
IX. Haftung des Sachverständigen
gegenüber Dritten
Ein Gutachter, der ein mangelhaftes Gutach-
ten erstellt, kann gegenüber seinem Auftraggeber
sowie jeder anderen Person, die in den Schutz-
bereich einbezogen wird, zum Schadensersatz
verpflichtet sein, befand das OLG Köln
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. Dabei
ist entscheidend, ob der Sachverständige nach
dem Inhalt des Auftrages damit rechnen muss,
dass sein Gutachten gegenüber einem Dritten
verwendet wird und von diesem zur Grundlage
seiner Entscheidung über Vermögensdispositi-
onen gemacht wird.
Anmerkung: Im vorgenannten Verfahren ist
die Klage einer dritten Person gegen den Sachver-
ständigen zutreffend abgewiesen worden mit der
Begründung, dass die dritte Person einen unmit-
telbaren vertraglichen Schadensersatzanspruch
gegen jemand anderen habe und man deshalb
den Sachverständigen nicht in Anspruch nehmen
müsse bzw. dürfe. Der Vertrag mit Schutzwirkung
zu Gunsten Dritter hilft nur dann, wenn kein an-
derer vertraglicher Schadensersatzanspruch dem
Geschädigten zur Verfügung steht.
X. Fragerechte
In einem Beschluss nahm das BVerfG
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zum
Fragerecht an den gerichtlichen Sachverstän-
digen Stellung.
Artikel 103 I GG (rechtliches Gehör) gibt kei-
nen verfassungsrechtlichen Anspruch, das Fra-
gerecht gegenüber dem Sachverständigen nach
§§397, 402 ZPO mündlich auszuüben. Die Be-
teiligten können darauf verwiesen werden, Fra-
gen und Einwendungen schriftlich vorzutragen.
Bei den Fragen kann nicht verlangt werden,
dass diese konkret formuliert sind. Es genügt,
wenn allgemein angegeben wird, inwieweit eine
weitere Aufklärung durch den Sachverständigen
erforderlich erscheint.
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Anmerkung: Für die Anhörung des gericht-
lichen Sachverständigen zur Erläuterung seines
Gutachtens muss sich der Sachverständige vor-
bereiten können. Es ist deshalb erforderlich,
Fachbereiche
Sachverständige