Schützen & Erhalten · September 2016 · Seite 62
DIE EX-PRESS
Berufsinformation des DSV e.V. |
Aus dem Verband
Das Leben ist ein Krimi –
mit einem Auftrag am Tag reich
Die merkwürdigsten Fälle schreibt das
Leben selber und wenn einem dieselbe
Geschichte im Fernsehen präsentiert wer-
den würde, würde man ob des schlechten
Drehbuchs die Augen verdrehen. Zunächst
fing alles ganz harmlos an. Eine mäßig
aufgeregte Endverbraucherin wollte sich
bei uns in der Geschäftsstelle über die
Höhe der Rechnung eines Schädlings-
bekämpfers beschweren. Solche Anrufe
erhalten wir jede Woche und in erster
Linie wegen fehlender Kommunikation
der Vertragsparteien. Es gibt leider genug
Fälle, in denen es vor Auftragsannahme
keine klare Preisabsprache oder stattdes-
sen ein schriftliches Angebot gibt.
In der Regel behandeln wir solche Anrufe stere-
otyp. In den ersten Sätzen machen wir deutlich,
dass wir eine Interessensvertretung der Schäd-
lingsbekämpfer sind, weshalb wir per Design im
Streitfall eher die Kollegen vertreten und nicht
die Endverbraucher. Wir verweisen dann auch
darauf, dass für den Privatkunden die Verbrau-
cherzentrale zuständig ist. Meist hören wir dann,
dass dort schon angerufen wurde und diese dem
Anrufer erzählt habe, man solle sich an den Be-
rufsverband wenden.
Dieses Verfahren ist Bestandteil jeder Behör-
de. Erst einmal die Zuständigkeit prüfen. Okay,
also bleibt manchmal doch schon der ein oder
andere Anrufer hängen. So auch im speziellen
Fall. Neben „haben Sie schon mit dem Auftrag-
nehmer gesprochen?“ (meist wird das verneint)
fragen wir auch, ob die Rechnung schon bezahlt
wurde. Die junge Frau hatte. Aber so viel mehr
als ursprünglich vereinbart. Aha. Zumindest gab
es hier ein Angebot. Nachdem dann noch Be-
griffe 0800-Nummer, Bezahlung vor Ort per EC-
Lesegerät zeichnete sich langsam ein Muster ab.
Spätestens bei dem Begriff „Klebebretter“ hatte
die Anruferin unser volles Interesse.
In einem Einfamilienhaus hatte die Anruferin
sonntagnachts ein Geräusch gehört und sich ge-
ängstigt, dass dieses Tier etwas im Dach kaputt
macht oder in die Wohnung eindringt. Also hat
sie im Internet geblättert und einen Notdienst
gefunden, der 24/7 Hilfe versprochen hat. Tat-
sächlich, Sonntagmorgen um 3:00h hat jemand
das Telefon beantwortet und versprochen für
pauschal 189,– Euro zzgl. 2×19,– Euro Anfahrt
vorbeizukommen.
Kennen sie das, wenn Sie mit einem Ohr zu-
hören und die andere Gehirnhälfte ein grandio-
ses Kopfkino startet? Mein Bollywood-Ensemble
fragte sich gerade, wer so wahnsinnig ist und
mitten in der Nacht ans Telefon geht und warum
er dann für seinen Noteinsatz (der keiner ist) so
wenig Geld haben möchte? Und warum sich die
Anruferin überhaupt beschwerte. Na ja, etwa ge-
gen 4:00h war der angerufene Dienstleister auch
vor Ort und hielt den beiden Bewohnerinnen in
der Küche zunächst einen Durchschreibezettel hin
auf dem oben stand „Auftrag/Rechnung“, dann
eine lange Tabelle von verschiedenen Ausfüll-
möglichkeiten und nach viel freiem Platz sollten
sie ganz unten unterschreiben.
Nach etwa 30 Minuten waren die Arbeiten
beendet und in die Felder zwischen Überschrift
und Unterschrift ganz viel eingefüllt. Benötig
te Materialien, verschiedene rodentizide Köder,
Marderrepellent und Klebeflächen. Als Maßnahme
war Marderabwehr und Nagerbekämpfung ange-
geben. Über die Sinnhaftigkeit müssen wir nicht
streiten. Aber wenn Sie bereits jetzt fassungs-
los sind, es kommt noch besser. Viel besser. Ne-
ben den Verbrauchsmaterialien und der Doku-
mentation der Tätigkeiten, standen auch neue
(ergänzte) Preise, die sich zu über 750,– Euro
aufaddierten, die vor Ort sofort mit der EC-Karte
abgebucht wurden.
Das empfanden wir dann doch ein bisschen
sportlich, insbesondere in der Kombination, dass
vorher ein anderer Preis genannt worden war.
Wie das Kleingedruckte nachher kundtat, bezog
sich das nur auf die ersten 15 Minuten des Ein-
satzes. Diese wurden jedoch klar überschritten.
Es ist ohne Worte.
Während die beiden jungen Frauen in erster
Linie daran interessiert waren, ihr Geld wieder-
zubekommen, nervte uns natürlich die fachlich
völlig inkompetente Vorgehensweise und der
Einsatz der Klebebretter im Dachboden. Am Tag
nach dem Einsatz, war eine Hausmaus auf der
Klebefläche verendet. Damit war dann auch der
Tatbestand der Tierquälerei erfüllt. Fürs Proto-
koll: wir sind nicht grundsätzlich gegen die Ver-
Vermittelt wurden die Aufträge über die Notruf-
zentrale eines Schlüsseldienstes.
Ein Screenshot der fraglichen Domain die den unerfahrenen und nicht ausgebildeten Handwerker vermittelt hat.