Schützen & Erhalten · Dezember 2007 · Seite 16
Wie ist das nun mit Bauteil-
öffnungen? Muss der Sachver-
ständige im Rahmen seiner
gerichtlich beauftragten Be-
gutachung diese vornehmen
oder kann er sich, wie viele
Sachverständige es gerne hät-
ten, hier heraushalten?
Nachfolgender Artikel aus den IfS:
„Informationen“ 3/07 29. Jahrgang
2007 zeigt deutlich, die Verantwor-
tung wird letztendlich doch beim
Sachverständigen liegen. Es gilt
aber wie auch bei anderen kriti-
schen Bereichen, hier frühzeitig
den Kontakt zum Gericht zu suchen.
Kommt man nicht aus der Sache
heraus, d.h. es bleibt beim „Or-
ganisationstalent“ des Sachverstän-
digen, sollte sich dieser meiner
Meinung nach bei seiner Berufs-
haftpflichtversicherung rückversi-
chern, dass hierfür Versicherungs-
schutz besteht. Besteht kein Ver-
sicherungsschutz, ist zu prüfen, ob
dieser beim Versicherer im Rahmen
einer Art „Einzelversicherung“ zu-
sätzlich abgeschlossen werden kann
und ob die Kosten hierfür vom
Gericht erstattet werden. Letzte-
res sollte durch den Sachverstän-
digen im Rahmen der Hinweispflicht
ans Gericht auf zu erwartende hö-
here Kosten (einschließlich des
Abwartens der Antwort des Ge-
richts) vor Aufnahme der gutach-
terlichen Tätigkeiten erfolgen.
Sachverständiger muss
den mit Sand verfüllten
Baukanal freilegen
Das Thüringer OLG Jena hat mit
Beschluss vom 18. 10. 2006 (AZ:
7 W 302/06) einen Sachverstän-
digen angewiesen, die zur Feststel-
lung der Schadensursache notwen-
dige Bauteilöffnung vorzunehmen.
Leitsätze der
Entscheidung
1. Der Sachverständige hat dafür
zu sorgen, dass die tatsächli-
chen Voraussetzungen für die
Erledigung seines Gutachten-
auftrags geschaffen werden.
2. Er muss diese Vorbereitungs-
arbeiten nicht in eigener Per-
son vornehmen, sondern es
bleibt seinem Organisationsver-
mögen überlassen, wie er im
Rahmen seiner Befugnisse sei-
nen Auftrag erfüllt und – falls
erforderlich – die hierzu erfor-
derlichen Voraussetzungen
schafft.
3. Er kann die Vorbereitungsar-
beiten durch die Partei selbst
ausführen lassen, er kann sie
selbst übernehmen oder er
kann sie an Dritte vergeben.
Gründe
I. Der Antragsteller verlangt im
selbständigen Beweisverfahren die
Feststellung von Feuchtigkeitsschä-
den sowie deren Ursachen und
Kosten der Mangelbeseitigung. Das
Landgericht hat die Beweisaufnah-
me angeordnet und Diplom-Inge-
nieur W zum Sachverständigen
bestimmt. Dieser hat in seinem
Gutachten vom 16. 12. 2005 die
behaupteten Mängel bestätigt, hält
aber die vollständige Freilegung
eines mit Sand verfüllten Beton-
kanals für notwendig, um die Ur-
sachen der Mängel zu klären.
Der Antragsteller hat beantragt,
den Sachverständigen anzuweisen,
die für seine Begutachtung erfor-
derliche Bauteilöffnung vorzuneh-
men oder durch Dritte vornehmen
zu lassen.
Die Antragsgegnerinnen sind
diesem Antrag entgegengetreten.
Durch Beschluss vom 17. 05.
2006 hat das Landgericht diesen
Antrag abgelehnt. Hiergegen richtet
sich die sofortige Beschwerde des
Antragstellers, mit der er sein Be-
gehren weiter verfolgt. Das Land-
gericht hat dem Rechtsmittel nicht
abgeholfen und die Sache dem
Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde
des Antragstellers ist nach §§ 490
Abs.1, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu-
lässig, weil die Ablehnung der
Anweisung zur Bauteilöffnung die
Zurückweisung eines Gesuchs dar-
stellt.
In der Sache hat das Rechts-
mittel Erfolg. Das Landgericht ist
der Ansicht, die Bauteilöffnung
gehöre nicht zu den Aufgaben, mit
denen es den Sachverständigen
beauftragt habe. Vielmehr handele
es sich bei dieser Arbeit um eine
Vorbereitungsmaßnahme, die nach
dem prozessrechtlichen Beibrin-
gungsgrundsatz von den Parteien
des Streitverfahrens zu leisten sei-
en. Der Sachverständige als Gehilfe
des Gerichts habe nur dieselben
Rechte und Pflichten wie das Ge-
richt. Davon seien Arbeiten zur
Herbeischaffung oder Erschließung
der Beweise jedoch nicht erfasst.
Die Aufgaben des Gerichts und sei-
nes Gehilfen beschränkten sich im
Zivilprozess darauf, die herbeige-
schafften Beweise zu beurteilen.
Diese Ansicht hält der Über-
prüfung durch den Senat nicht
stand. In Schrifttum und Recht-
sprechung ist umstritten, ob ein
Gericht befugt ist, gem. § 404a
Abs. l ZPO einem Sachverständi-
gen die Weisung zu erteilen, die
von ihm zur Erstattung seines Gut-
achtens für erforderlich erachte-
ten Bauteilöffnungen auf eigene
Verantwortung vorzunehmen. Zum
Teil wird die Auffassung vertreten,
das Gericht sei nicht verpflichtet,
einen Sachverständigen anzuwei-
sen, die zur Herstellung von Bau-
teilöffnungen erforderlichen Werk-
verträge abzuschließen. Zur Be-
gründung führt diese Ansicht an,
von einem Bausachverständigen
könne in der Regel aufgrund sei-
ner Ausbildung und in Folge des
Zuschnitts seines Gewerbes nicht
erwartet werden, dass er die für
die Erstellung eines Gutachtens
erforderliche Öffnung von Bautei-
len selbst vornehme. Dieser Ein-
griff in die Bausubstanz könne
nämlich im Hinblick auf Schadens-
ersatzforderungen des Eigentümers
mit erheblichen finanziellen Risi-
ken verbunden sein. Sachgerecht
sei es deshalb, dem Antragsteller
direkt aufzugeben, die Vorausset-
zungen für eine Gutachtenerstat-
tung zu schaffen (OLG Bamberg,
Baurecht 2002, 829; OLG Rostock,
Baurecht 2003, 757; Werner/Pastor,
Der Bauprozess, 9. Aufl., Rdnr. 91).
Nach anderer Ansicht ergebe
sich aus der Systematik der §§
404,404a, 407,407a und 408 ZPO
ohne Weiteres die Verpflichtung des
Sachverständigen, gutachterliche
Fragen, deren Beantwortung in sein
Fachgebiet falle, zu beantworten
und sich hierfür erforderlichenfalls
der Mithilfe anderer Personen zu
bedienen, wenn und soweit not-
wendige Arbeiten nicht von ihm
verrichtet werden können. Zur Ver-
weigerung der Zuziehung von
Hilfspersonen sei der Sachverstän-
dige hingegen weder nach § 407a
noch nach der Vorschrift des § 408
ZPO berechtigt. Vielmehr habe der
Sachverständige als seine ureigen-
ste Aufgabe dafür zu sorgen, dass
die tatsächlichen Voraussetzungen
für die Erledigung des Gutachten-
auftrags geschaffen werden. Es
könne offen bleiben, ob sich ein
Gutachtenauftrag bereits ohne be-
sondere Ermächtigung auf unab-
dingbar notwendige Maßnahmen
wie das Öffnen von Bauteilen er-
strecke. Weigere sich ein Gutach-
ter, seinen Auftrag vollständig zu
erfüllen, so sei jedenfalls dann,
wenn der Eigentümer einem Ein-
griff in die Bausubstanz zuge-
stimmt hat, eine Weisung im Sin-
ne des 3 404a Abs. 4 ZPO zuläs-
sig und geboten (OLG Brandenburg,
Baurecht 1996, 432; OLG Frankfurt,
Baurecht 1998, 1052; OLG Celle,
Baurecht 2005, 1358; Thomas/
Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 404a Rdnr.
1; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., §
404a, Rdnr. 4; Kniffka/Koeble,
Kompendium des Baurechts, 2.
Aufl., 20. Teil, Rdnr. 367). Der Senat
schließt sich dieser letztgenann-
ten Ansicht an, weil sie praktika-
bel ist und am ehesten zu effizi-
enten Ergebnissen führt. Die An-
Bauteilöffnungen
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Es schreibt
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Georg Brückner
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