Schützen & Erhalten - page 20

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RECHTSBERATUNG
Ist ein Sachverständiger befangen,
wenn er mit dem Beklagten in
geschäftlichen Beziehungen steht?
Bei grob fahrlässiger Unverwert-
barkeit des Gutachtens steht dem
Gutachter keinerlei Vergütung zu
Streitstand:
Ein Arzt wurde wegen eines
Behandlungsfehlers auf Schaden-
ersatz verklagt. Das Gericht beauf-
tragt mit dem Gerichtsgutachten
einen anderen Arzt, der seit 25
Jahren mit dem beklagten Kolle-
gen zusammenarbeitet.
Die Zusammenarbeit gestaltete
sich in der Weise, dass der Beklagte
seine Patienten bei speziellen Er-
krankungen und Operationen an
seinen Kollegen, den nunmehr
bestellten Sachverständigen ver-
wies.
Der klagende Patient hielt den
Sachverständigen deshalb für par-
teiisch und lehnte ihn wegen Be-
sorgnis der Befangenheit ab. Das
Oberlandesgericht Oldenburg, dass
den Fall zu entscheiden hatte, sah
in der Zusammenarbeit des Sach-
verständigen mit dem beklagten
Kollegen einen Umstand, der aus
Sicht des Klägers geeignet war
Misstrauen gegen die Unparteilich-
keit des Sachverständigen zu recht-
fertigen.
Zwar lässt nicht jeder persön-
liche oder geschäftliche Kontakt be-
reits befürchten, dass ein Sachver-
ständiger einen Gutachtenauftrag
nicht mehr objektiv und unvorein-
genommen bearbeiten könne. So
könne man beispielsweise allein aus
der Bekanntschaft, die aus der Teil-
nahme von Fachkongressen oder
aus einem wissenschaftlichen Aus-
tausch herrührt, nicht rückschlies-
sen, dass der Sachverständige nicht
die notwendige Distanz zur kriti-
schen Beurteilungen seines Kolle-
gen habe.
Im zu entscheidenden Fall
meinte das Gericht jedoch, dass die
Beziehung zwischen dem Sachver-
ständigen und dem beklagten Kol-
legen offensichtlich über solche
normalen Kontakte hinaus gingen.
Dass der beklagte Arzt ein regel-
mässiger „Zulieferer“ der Klinik des
Sachverständigen sei, könne die
Besorgnis der Befangenheit begrün-
den.
(Entscheidung OLG Olden-
burg, 5 W 77/07).
Stellungnahme:
Obwohl diese Entscheidung aus
dem medizinischen Bereich ent-
springt, ist sie genauso gut auf Sach-
verständige im Baubereich anzuwen-
den. Auch im Baubereich finden sich
häufig Situationen, wo sich ein be-
klagter Bauunternehmer, Architekt
oder Prüfstatiker und der vom Ge-
richt beauftragte Sachverständige
kennen und auch geschäftliche Be-
ziehungen miteinander pflegen.
Dies allein reicht, wie ausge-
führt wurde, jedoch noch nicht aus,
um hieraus eine Besorgnis der Be-
fangenheit abzuleiten.
Sofern die Beziehung allerdings
freundschaftlicher oder gar ver-
wandtschaftlicher Art sein sollte
oder eine intensive geschäftliche Zu-
sammenarbeit seit Jahren besteht
oder bestanden hat, sollte der vom
Gericht beauftragte Sachverständige
vorsichtig sein. In solchen Fällen
empfiehlt es sich, dass der Sach-
verständige sofort nach seiner Be-
auftragung das Gericht anschreibt
und über die bestehende Beziehung
zu der Partei informiert.
Hinweis:
Es macht einen guten Eindruck,
wenn der Sachverständige diesen
Sachverhalt mitteilt und gleichzei-
tig äussert, dass er sich selbst nicht
für befangen hält und bereit ist,
das Gutachten zu erstatten.
Auf dieser Weise entzieht er,
sollte die Beauftragung vom Gericht
dennoch aufrechterhalten werden,
einem etwaigen späteren Ableh-
nungsanspruch die Grundlage.
Insbesondere aber verliert er
nicht seinen gesamten Vergütungs-
anspruch. Bekanntermaßen verliert
der Sachverständigen seinen Vergü-
tungsanspruch, wenn er grob fahr-
lässig seine Ablehnung provoziert.
Eine solche grobe Fahrlässig-
keit kann auch im Unterlassen der
Mitteilung von Befangenheitsgrün-
den gesehen werden. Schon aus
diesem Grunde empfiehlt sich da-
her eine rechtzeitige Mitteilung.
Dem Sachverständigen steht
kein Anspruch auf Vergütung zu,
wenn er grob fahrlässig die Unver-
wertbarkeit seines Gutachtens ver-
schuldet hat und er nicht vor der
Erstellung des Gutachtens mitge-
teilt hat, dass er die erforderliche
Bewertung nicht vornehmen kann:
Streitstand:
In einem selbständigen Beweis-
verfahren sollte ein Gutachten dar-
über eingeholt werden, ob eine ein-
gebaute Wärmepumpe einen zu ge-
ringen Wärmerückgewinnungseffekt
aufweist und die Heizungsanlage
überwiegend mit elektrischem Strom
betrieben wird. Der Sachverständi-
ge wurde bei seiner Beauftragung
darauf hingewiesen, dass er vorab
zu prüfen habe, ob die Beweisfrage
ganz oder teilweise außerhalb sei-
nes Gebietes liegt und ob er weite-
re Aufklärung für erforderlich erach-
tet. Der Gutachter erstellte zunächst
ein Gutachten, das die Frage nicht
beantwortete, sondern dass nur all-
gemeine theoretische Ausführungen
zu Wärmepumpen enthielt. Der An-
tragsteller beantragt die ergänzen-
de Begutachtung, die aber ebenfalls
fehlschlägt. Sodann beantragt er eine
neue Begutachtung durch einen
anderen Sachverständigen.
Das Landgericht gab dem An-
trag statt und setzte die Vergütung
für den ersten Gutachter auf 0,–
fest, da das Gutachten nicht ver-
wertbar sei. Die hiergegen von dem
Sachverständigen eingelegte Be-
schwerde war erfolglos.
Begründung:
Das OLG Rostock, das diesen
Fall zu entscheiden hatte, stellte
fest, dass dem Gutachter ein Ver-
gütungsanspruch nicht zusteht. Er
habe grob fahrlässig die Unverwert-
barkeit des Gutachtens und der Gut-
achtenergänzungen verschuldet.
Ein Sachverständiger habe un-
verzüglich zu prüfen, ob ein Auftrag
in sein Fachgebiet fällt und ob er
diesen ohne Hinzuziehung weiterer
Sachverständiger abarbeiten kann.
Im vorliegenden Fall ist der
Sachverständige hierauf ausdrück-
lich bei der Beauftragung durch das
Schützen & Erhalten · Dezember 2007 · Seite 20
Gericht hingewiesen worden. Der
Sachverständige hat jedoch zu-
nächst die Begutachtung vorgenom-
men und erst in seiner Ergänzung
mitgeteilt, dass er nicht bewerten
könne, ob die streitige Wärmepumpe
die angenommene Funktions- und
Leistungsparameter tatsächlich er-
reiche. Dies hätte er dem Gericht
bereits vorher mitteilen können und
keine allgemeinen Berechnungen
und Schätzungen ohne konkreten
Bezug auf die tatsächlich eingebaute
Wärmepumpe fertigen dürfen.
OLG Rostock, 4 W 17/06
Stellungnahme:
Diese Entscheidung des OLG
Rostock macht erneut deutlich, dass
Sachverständige für grob fahrläs-
sig mangelhafte Gutachten keine
Vergütung erhalten. Die Parteien,
die ein Gutachten für nicht verwert-
bar halten, müssen umfangreiche
und umfassende Einwände gegen
dieses Gutachten erheben und den
langwierigen Weg der Ergänzung des
ursprünglichen Gutachtens gehen,
bevor ein neuer Gutachter durch das
Gericht eingesetzt wird.
Daher hat das Gericht bei der
groben Fahrlässigkeit des Sachver-
ständigen darauf abgestellt, dass
er bereits bei Erteilung des Gut-
achtenauftrages darauf hätte hin-
weisen müssen, dass die Begutach-
tung durch ihn nicht erfolgen kann.
Grundsätzlich ist aus dem Ur-
teil abzuleiten, dass der Gutachter
immer dann grob fahrlässig handelt,
wenn er keine Hinweise gibt, er nach-
träglich im Gutachten jedoch fest-
stellt, dass er die Beweisfrage nicht
konkret beantworten kann.
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