Schützen & Erhalten - page 18

Fachbereiche
Bautenschutz
Ein weiter Gang − persönliche
Entwicklung
Wolfgang ist ein Kind der 50-iger:
„Durch eine
Laune des Schicksals − die Amis wollten einen Teil
von Berlin und haben dafür ihren östlichen Teil
des Vorharzes an die Russen verschachert, bin ich
im Sozialismus aufgewachsen.“
Als Harzer Roller
wurde Wolfgang sozialistisch erzogen, war erst
Jung-, später Thälmann-Pionier und auch FDJ-
ler.
„Auf die Zugehörigkeit zu den Pionieren war
ich sehr stolz, da Pioniere immer helfen.“
Hilfs-
bereit ist er, unser Wolfgang. Er wollte Geld ver-
dienen, um seine Mutter zu unterstützen. Diese
musste damals allein für den Unterhalt der Fa-
milie sorgen.
„Meine Oma, väterlicherseits, unter-
stützte uns zwar, aber vieles konnte ich mir auch
nur dann leisten, wenn ich in den Ferien gearbei-
tet habe. Also begann ich beim WBK eine Lehre
als Maurer. Mein Pech war, dass ich nicht vor Ort
lernen konnte. Die Lehrstelle war in Magdeburg
und ich wurde in einem neuen Lehrlingswohnheim
untergebracht. Vom Lehrlingsgeld blieb also nicht
wirklich etwas übrig. Der Heimleiter konnte nicht
mit Jugendlichen umgehen, und so bekam ich von
Anfang an Stress, da ich gleich zu Beginn meines
Aufenthaltes die Frechheit besaß, meine Meinung
zu äußern. Es kam dann dazu, dass ich vom Refe-
rat Jugendhilfe unter Mitarbeit des Heimleiters in
einen offenen Jugendwerkhof eingewiesen wurde,
um diszipliniert zu werden.“
Als der Antrag auf Heimfahrt zur Hochzeit
seiner Schwester aus Gründen der Disziplinlo-
sigkeit verwehrt wurde,
„beschloss ich kurzfri-
stig nach dem Abendbrot stiften zu gehen. Mein
Freund Harald erklärte sich spontan bereit mitzu-
kommen. Wir landeten aber nicht in Wernigero-
de, das war zu weit für eine Nacht zum Wandern
(von Suckow bei Templin bis Wernigerode sind es
ca. 500 km), sondern wir stiefelten eine Woche
lang in Richtung Polen. Unser Kapital bestand aus
5,– MDN (in Worten fünf Mark der Deutschen No-
tenbank) und einem Päckchen Tabak-Feinschnitt
− Sorte Tabakgruß. Aber was soll’s. Wir waren erst
mal frei. Wir sind dann im Oderdelta mit einem
dort „ausgeliehenen“ Schlauchboot über sämtliche
Arme der Oder und über den Hauptfluss am hellen
Tag gepaddelt. In Polen wurden wir nach einiger
Zeit aufgegriffen und wieder in die DDR gebracht
und beaupteten, aus der BRD zu kommen. Nur da
suchte man keine zwei männlichen Jugendlichen
im Alter von 17 Jahren. Mit der DDR gab es ein
Auslieferungsabkommen. Und dort fehlten eben
diese zwei Jugendlichen in einem Werkhof. Es
folgte eine leerreiche und sinnlos verbrachte Zeit
in der Jugendstrafanstalt in Dessau.“
Nach der Entlassung (insgesamt 27 Monate)
ging es erneut in das Lehrlingswohnheim. Der
Heimleiter war noch immer da.
„Daraufhin habe
ich mich nach Halberstadt versetzen lassen. Aber
nachdem wir auf einigen Baustellen herum ge-
schubst wurden, zog ich die Konsequenzen und
nach einer kurzen Zeit als Gabelstaplerfahrer in
einem Metallveredelungsbetrieb bin ich dann zur
DR (Deutsche Reichsbahn) gegangen. Das war
mein Leben.“
Wolfgang arbeitete in Wernigerode als Ran-
gierer und legte die Prüfung als Rangierleiter
ab. Das Glück war nur von kurzer Dauer. Ein Ar-
beitskollege, der es mit der Arbeitsmoral nicht
so genau nahm, erklärte, als er wegen Arbeits-
bummelei verhaftet wurde, dass er gemeinsam
mit Wolfgang vorgehabt hätte den so liebge-
wonnenen Staat illegal zu verlassen.
„So kam
es, dass ich wieder vor einem Gericht erscheinen
durfte. Diesmal hatte ich Glück, da mein Kollek-
tiv als gesellschaftlicher Verteidiger auftrat. So
wurde ich nur zu einer Bewährungsstrafe wegen
Vorbereitung zur Republikflucht verurteilt.“
Dann zog es ihn nach Neubrandenburg (Me-
cklenburg-Vorpommern). Dort wurde geheiratet
und erneut als Rangierleiter gearbeitet, bis er aus
gesundheitlichen Gründen zum Stellwerksdienst
wechselte.
„In meiner Freizeit habe ich dann in
Erwachsenenqualifizierung die Prüfung zum Fach-
arbeiter für Eisenbahntransporttechnik bestanden.“
Danach kam die Qualifizierung zum Fahrdienstlei-
ter. Als Fahrdienstleiter kannte er später von den
Mechanischen über die Elektromechanischen bis
zum Gleisbildstellwerk alle Einrichtungen,
„mit
denen man Züge in die richtigen Gleise steuern
konnte. Und als Dispatcher landete ich in einer po-
litischen Abteilung der DR und durfte den Zugver-
kehr auf einigen Strecken überwachen.“
Nach der
Scheidung seiner ersten Ehe,
„die eine 300-tige
bis zur Wende war“,
erklärte er seinen Austritt
aus der Partei.
„Den Antrag hatte ich ihretwegen
gestellt, damit sie auf der Karriereleiter noch ein
Stück weiter klettern konnte. Nach meinem Aus-
tritt und einem Ausreiseantrag meiner Schwester
war ich politisch nicht mehr tragbar.“
Die Rückversetzung nach Neustrelitz zur Dis-
patcherabteilung scheiterte eben am Parteiaus-
tritt und dem Ausreiseantrag seiner Schwester.
„Ein kleiner Bahnhof bei Neubrandenburg wurde
zunächst meine Arbeitsstätte für zweieinhalb
Jahre. 1985 im November holte mich der neue
Bahnhofsvorsteher von Neubrandenburg dorthin.
Jetzt konnte ich auf den größeren Stellwerken ar-
beiten. Und wir hatten Arbeit, lagen doch 80 %
des Güterverkehrs auf der Schiene.“
Dann kam die Wende. Nie hätte Wolfgang
zu dieser Zeit geglaubt, dass es anders kom-
men könnte. Aber es kam anders.
„Im Nachhi-
nein habe ich erfahren, dass, ohne den Fall der
Mauer, mein Platz in einem Lager schon gebucht
war. Das hat mich dann doch geschockt.“
Er habe
sich gewerkschaftlich betätigt, um Kollegen zu
helfen mit der neuen Situation fertig zu werden.
Diese Arbeit als Gewerkschafter empfand er als
unerhört wichtig, zunächst im Personalrat spä-
ter im Betriebsrat, bis er feststellte, dass auch
bei den Gewerkschaftsbossen
„jeder sich selbst
der Nächste ist“.
Wieder ging ein Stück seines
Weltbildes verloren.
„Die Bahn war mein Leben.
Ihr hatte ich vieles geopfert: Urlaub, freie Tage,
Familienleben usw. Aber nun war es aus!“
Wolf-
gang kündigte.
„Nach der Kündigung habe ich
mich gleich selbstständig gemacht. Ich musste,
wie so viele, Vieles noch lernen. Aber ganz ehrlich,
so richtig habe ich das bis heute nicht geschafft.
Darum bin ich auch nicht der Unternehmer. Dazu
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ITT Firmensitz im mecklenburgischen Cölpin.
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Technisch auf dem neuesten Stand mit
IR-Kameratechnik.
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Die Wiege der Arbeit: Das Büro von Wolfgang
Böttcher.
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Die gar nicht „Graue Eminenz“, die die Fäden zu-
sammenhält und die spätere Nachfolge antreten
wird: Wolfgang Böttchers Tochter.
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Schützen & Erhalten · Juni 2013 · Seite 18
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