Schützen & Erhalten · September 2016 · Seite 71
DIE EX-PRESS
Berufsinformation des DSV e.V. |
Schwerpunkt
Leptospirose – Ernsthafte Gefahr
oder doch Entwarnung?
Ratten und Mäuse können Bakterien
übertragen, die Menschen krank machen.
Besonders tückisch unter Bakterien
sind jene, die die Infektionskrankheit
Leptospirose auslösen. Gefährdet sind
Menschen, die diesen Tieren nahe kom-
men. Wie gefährlich ist die Leptospirose
eigentlich? Und wer wird wirklich krank?
Ein Patient auf Leben und Tod
Freitagabend. Ein Patient wird in die Berliner
Charité eingeliefert. Er kann kaum noch reden,
ist quittegelb, hat Blut in den Augen, innere Blu-
tungen, seine Nieren sind gefährdet. Zwei Kran-
kenhäuser hatten ihn aufgegeben. Sie wussten
nicht weiter. Jetzt geht es um Leben und Tod
des Patienten. Prof. Thomas Schneider, Infek-
tologe auf dem Campus Benjamin Franklin, hat
sehr schnell einen Verdacht. Sein Patient könnte
an Leptospirose leiden.
Was ist Leptosptirose?
Eine Krankheit, ausgelöst durch eine Bakteri-
enart, sogenannte Leptospiren, die Tiere auf
Menschen übertragen. Haustiere, z.B. Hunde,
können Leptospiren übertragen.Auch Nutztiere
wie Schweine und Rinder sind Träger von Lep-
tospiren. Und Wildtiere: Füchse, Ratten, Mäuse.
Meistens werden diese Tiere selbst nicht krank,
sondern sind nur Zwischenwirte. Sie beherber-
gen also die Bakterien und pinkeln sie zum Teil
lebenslang aus. Wer in Kontakt mit dem Urin
dieser Tiere kommt, kann sich anstecken. Durch
kleine Wunden, winzige Risse in der Haut, be-
sonders an den Händen, können die Leptospi-
ren in die Blutbahn schlüpfen. Sie schaffen es
auch über die Schleimhäute in den Körper: Wenn
man sich zum Beispiel mit den Fingern die Au-
gen reibt – und vorher in Kontakt mit Urin von
Tieren gekommen ist. Aber: wer fasst schon di-
rekt und mit den blossen Händen in den Urin
von Füchsen, Schweinen, Ratten oder Mäusen?
So gut wie niemand. Mit verdünntem Urin kann
man dagegen leichter in Kontakt kommen. Ohne
dass man es bemerkt. Es reicht, wenn eine Maus
auf ein Feld, eine Ratte in den Garten oder ans
Ufer eines Badessees pinkelt. Wenn es dazu noch
regnet und angenehm warm ist: dann finden Lep-
tosprien in der konstanten, warmen Feuchtigkeit
ideale Überlebensbedingungen. Falls dann ein
Feldarbeiter mit der Hand z.B. Erdbeeren ern-
tet, fasst er in den mit Leptospiren versetzten
Schlamm oder den feuchten Boden. Der Hobby-
Gärtner wühlt mit der Hand in feuchte Erde, die
mit Leptospiren besiedelt ist. Das reicht schon.
Denn Leptospiren sind so aggressiv, dass nur
ganz wenige Bakterien reichen, um durch Wun-
den oder die Schleimhäute in den Körper zu ge-
langen. Deshalb sind sogar Badende gefährdet.
Ein Regenschauer, der die Leptospiren vom Ufer
in den Badesee spült, genügt schon. Wer dann
badet, kann sich infizieren.
Suche nach den Krankmachern
War der todkranke Patient von Prof. Thomas
Schneider also in Kontakt mit den Krankmachern
gekommen? Oder litt er doch an einer ganz an-
deren Infektion?
„Wir hatten zwar von den
Laborwerten und dem ersten Eindruck ver-
mutet, dass er an Leptospirose leidet. Aber
uns fehlte, wie er an die Ansteckung gekom-
men sein sollte“, sagt er.
Thomas Schneider
brauchte Sicherheit bei seiner Diagnose. Denn
nur so konnte er das perfekte Gegenmittel ge-
ben. Er stellte seinem Patienten Fragen. Einen
Hund hatte er nicht. Er war auch nicht in einem
Badesee schwimmen gewesen. Und hatte nicht
in feuchter Gartenerde gearbeitet. Aber dann
kam endlich eine plausible Antwort: er hatte
Ratten als Haustiere. Eine davon war von einer
wilden Wanderratte gebissen worden. Sie hatte
die Leptospiren ausgepinkelt – ausgerechnet auf
die Hand des Patienten. Und in der Haut hat-
te er kleine Risse: das war die Eintrittpforte für
die Bakterien, die Leptospiren. Später hat ein
Speziallabor durch eine Blutuntersuchung sei-
ne Vermutung bestätitgt: Sein Patient litt an
Leptospirose.
Hauptwirte und Risikogruppen
Nager – Ratten und Mäuse – sind die Tiere, die
am stärksten/ häufigsten Träger von Leptospiren
sind. Sie sind weltweit Hauptwirte für zwei un-
terschiedliche Leptospiren-Arten. Krank machen
beide. Gefährdet sind Menschen, die in Kanälen
arbeiten, im Labor tätig sind, in der Landwirt-
schaft z.B. Feldfrüchte mit der Hand ernten und
Durch den Urin von Wanderratten kann Leprtospirose übertragen werden.
In flachen stehenden Gewäs-
sern können sich Leptospiren
vermehren. Zuletzt wurden
Infektionen vermehrt über
Badeseen festgestellt.