Die Ex-Press
Berufsinformation des DSV e.V.
|
Wissenswertes
Reihe Insektizide:
Neonicotinoide und Carbamate
Neonicotinoide sind in ihrer Wirkungs-
weise ähnlich wie das Nikotin. Nikotin,
als Bestandteil der Tabakpflanze bleibt
aber hinter den Neonicotinoiden weit
zurück, wenn es um die Anforderungen
an moderne Insektizide geht.
Chemie
Neonikotinoide sind in der Grundstruktur dem
Nikotin ähnlich. Das Alkaloid vom Pyridintyp ist
gekennzeichnet durch einen aromatischen He-
terocyclus mit Stickstoffatom und einem Rest,
welcher einen Stickstoff-enthaltenden Fünfring
aufweist. Carbamate sind In der Gruppenzughö-
rigkeit von der Chemie her verschiedene Ester
von Carbaminsäuren.
Einsatzgebiet
Die Insektizide finden vor allem im Pflanzen-
schutz Anwendung, zum Beispiel Clothianidin,
Thiacloprid oder Thiamethoxam. Die Wirkstoffe
Imidacloprid oder Acetamiprid sind aber auch
aus der Schädlingsbekämpfung bekannt.
Einsatzbereich von Imidacloprid und Aceta-
miprid sind in erster Linie die Schabenbekämp-
fung aber auch die Verwendung gegen Ameisen.
Hierfür stehen Gele oder Köder als Formulierung
zur Verfügung.
Bei den Carbamaten trifft man auf Bendio-
carb, wie es als Spray oder in der Zubereitung als
Puder seine biozide Wirkung gegen fliegende und
kriechende Insekten entfaltet. Letzteres bietet
sich vor allem da an,
wo ein Spritzen nicht
möglich ist, etwa in
räumlich engen Be-
reichen, gegen Wes-
pen, Schaben, Bett-
wanzen, Motten oder
beispielsweise Mes-
sing- und Kugelkäfer.
Weltweit werden
die Verbindungen
auch für die Fliegen-
bekämpfung und die
Kontrolle von Vek-
toren (Mücken) eingesetzt und ebenfalls, auch
allein schon im Rahmen eines Resistenz-Manage-
ments vorgeschlagen.
Wirkung
Carbamate und Neonicotinoide setzen in der
Wirkung bei Nerven und Muskeln an: Es dreht sich
hier um die Reizübertragung von Nervenzellen
zu weiteren Nerven- oder Muskelzellen. Zentral
dabei steht der Stoff Acetylcholin, welcher bei
einem ankommenden Aktionspotential am Ner-
venende in den synaptischen Spalt ausgeschüttet
wird. Nikotin und Neonikotinoide wirken analog
wie Actylcholin. Eine Übererregung der Muskeln
ist die Folge.
An der angren-
zenden Zelle bewirkt
Acetylcholin am Re-
zeptor die Weiterlei-
tung des Reizes. Das
Enzym Acetylcholi-
nesterase baut die
Substanz rasch ab.
Wird dieses Enzym
durch Carbamate aber
gehemmt, kann der
Überträgerstoff Ace-
tylcholin nicht mehr
abgebaut werden. Da-
mit liegt ein Überschuss der körpereigenen Neu-
rotransmittersubstanz Acetylcholin im Nerven-
system vor und die Übererregung
ist auch hier die Folge. Als Antidot
wird Atropin angegeben. Hier
schließt sich der Kreis wieder
bei den Naturstoffen. Atropin,
das Gift der Tollkirsche,
blockiert die Acetylcholin-
rezeptoren an der Reiz-
empfangenden Nerven-
(oder Muskel-)zelle.
In Bezug auf die Giftigkeit ist zu vermer-
ken, dass Carbamate im Vergleich zu ähnlich
wirkenden Organophosphaten im Organismus
rasch abgebaut werden, so dass die Intoxika-
tion insgesamt weniger schwer verläuft als bei
Organophosphaten.
Allgemein macht es Sinn, die unterschied-
lichen Wirkmechanismen bei Insektiziden und
wichtigste Vertreter zu kennen.
In der kommenden Ausgabe von DIE EX-
PRESS befassen wir uns im dritten und letz-
ten Teil unserer Reihe mit Phenylpyrazolen und
Metopren.
„Nikotin – Nicotine“ von NEUROtiker – Eigenes Werk. Lizenziert unter
Gemeinfrei über Wikimedia Commons –
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nikotin_-_Nicotine.svg#/media/File:Nikotin_-_Nicotine.svg
Diskussion um Neonics
In einer aktuellen Diskussion geht es um das
Anwendungsverbot für drei Insektizide zur
Saatgutbeizung (Pflanzenschutz), welches
2013 von der Europäischen Kommission
beschlossen wurde. Die EU will mit dieser
Maßnahme die Honigbiene und andere Be-
stäuber besser schützen; Die Landwirtschaft
dagegen befürchtet Ernteverluste, wenn ver-
schiedene Schädlinge nicht mehr bekämpft
werden können.
Tabakpflanze Nicotiana tabacum, Foto: ©outdoorPhoto-
fotolia.comStrukturformel Nicotin
Schützen & Erhalten · Dezember 2015 · Seite 75