Schützen & Erhalten · März 2005 · Seite 21
tung zutreffend sind und sorg-
fältig ermittelt wurden. Dies gilt
jedenfalls dann, wenn das Wert-
gutachten – wie hier – ausdrück-
lich zu Verkaufszwecken erstellt
wurde und dies im Gutachten
so angegeben ist. In diesem Fall
ist dem Gutachterausschuss
bekannt, dass dem Kaufinter-
essenten die Wertermittlung
zugänglich gemacht und dieser
seine Entscheidung ganz we-
sentlich vom Gutachten abhän-
gig machen wird. Vor diesem
Hintergrund ist es nicht zwei-
felhaft, dass die Amtspflichten
des Gutachterausschusses als
drittgerichtet anzusehen sind
(vgl. auch BGH MDR 2003, 628
zur Drittgerichtetheit der Amts-
pflichten des Gutachteraus-
schusses gegenüber dem Erste-
her in der Zwangsversteigerung).
d) Mit dem Landgericht ist
der Senat der Auffassung, dass
der Gutachterausschuss seine
Amtspflicht zur gewissenhaften
Ermittlung des Verkehrswertes
hier auch schuldhaft verletzt
hat. Bei der Verkehrswertermitt-
lung hat der Gutachterausschuss
gemäß § 194 BauGB den Preis
zu ermitteln, der im gewöhn-
lichen Geschäftsverkehr nach
den rechtlichen Gegebenheiten
und tatsächlichen Eigenschaf-
ten, der sonstigen Beschaffen-
heit und der Lage des Grund-
stücks zu erzielen wäre. Die Ein-
zelheiten der Wertberechnung
ergeben sich über § 199 BauGB
aus der Wertermittlungsverord-
nung. Nach § 3 Abs. 2 WertV
bestimmt sich der zu berück-
sichtigende Zustand eines
Grundstücks (§ 3 Abs. 1 WertV)
ebenfalls nach der Gesamtheit
der verkehrswertbeeinflussenden
rechtlichen und tatsächlichen
Eigenschaften, der sonstigen Be-
schaffenheit und der Lage des
Grundstücks. Hierzu gehören
nach § 5 Abs. 5 Satz 2 WertV
bei bebauten Grundstücken vor
allem der Zustand der baulichen
Anlage hinsichtlich der Gebäu-
deart, des Baujahres, der Bau-
weise und Baugestaltung, der
Größe und Ausstattung, des
baulichen Zustandes und der
Erträge. Da der bauliche Zustand
des Gebäudes zu berücksichti-
gen ist, war der Gutachteraus-
schuss verpflichtet, jedenfalls
nicht unerhebliche Baumängel
und Schäden am Gebäude in die
Beurteilung einfließen zu las-
sen. Diese Pflicht hat er schuld-
haft verletzt.
Denn auf Grund der durch-
geführten Beweisaufnahme hat
das Landgericht zutreffend an-
genommen, dass der Schädlings-
befall zum Zeitpunkt der Besich-
tigung im Juli 1998 bereits
vorlag, der Gutachterausschuss
ihn fahrlässig nicht festgestellt
und bei der Wertermittlung dem-
nach nicht berücksichtigt hat.
Ausgehend von der Prämisse,
dass der Sachverständige W. am
30.06.2000 in erheblichem
Umfang Hausbockbefall festge-
stellt hat, lag ein Befall auch
bereits im Juli 1998 vor. Dies
hat der Sachverständige S. bei
seiner Anhörung eindeutig be-
stätigt, indem er die Befallsdau-
er auf etwa sechs bis acht Jahre
(seit der Besichtigung des Sach-
verständigen W. im Juni 2000)
geschätzt hat, möglicherweise
sogar länger (Bd. 1, Bl. 109).
Darüber hinaus hat der Sach-
verständige ausgeführt, auch die
Mitglieder des Gutachteraus-
schusses hätten den Befall er-
kennen müssen. Dies hat er
daraus abgeleitet, dass die be-
fallenen Holzteile von drei Sei-
ten sichtbar gewesen seien; dies
reiche aus, um einen Hausbock-
befall festzustellen. Hinzu
kommt, dass seiner Meinung
nach eine Überprüfung der Bal-
ken mit einem Stichel (oder Zim-
mermannshammer) angezeigt
gewesen wäre und auch auf die-
se W. eine Schädigung der Bal-
ken hätte festgestellt werden
können. Jedenfalls dies haben
die Mitglieder des Gutachteraus-
schusses unstreitig unterlassen.
Dabei hat der Ausschuss
auch fahrlässig gehandelt. Den
begutachtenden Mitgliedern
hätte bekannt sein müssen, dass
ein Schädlingsbefall im Dach-
gebälk häufig anzutreffen und
angesichts der dann regelmä-
ßig erheblichen Sanierungsko-
sten für die Bemessung des
Verkehrswertes von wesentlicher
Bedeutung ist. Darüber hinaus
muss ihnen bekannt gewesen
sein, in weicher W. Haus-
bockbefall festgestellt werden
kann. Vor diesem Hintergrund
hätte ein verantwortungs-
bewusster Gutachter zwar kei-
ne Bauteile – jedenfalls nicht
ohne konkreten Anlass – ent-
fernen oder zerstören müssen,
um geeignete Feststellungen zu
treffen (vgl. auch die Vorbemer-
kungen zum Gutachten).
Offen
liegende und frei zugängliche
Holzteile im Dachgeschoss hät-
te er aber in geeigneter Weise
prüfen und hierbei auch leich-
tes und problemlos einzusetzen-
des Werkzeug wie z.B. Stichel
oder Zimmermannshammer ver-
wenden müssen. Das Abklopfen
von Holzbalken stellt eine un-
abdingbare Voraussetzung für
eine ordnungsgemäße Begutach-
tung gerade eines älteren Gebäu-
des dar. Die Missachtung derart
elementarer und einfacher Prü-
fungsmaßnahmen ist ohne wei-
teres als fahrlässiges Verhalten
zu beurteilen.
Dem stehen auch die Vor-
bemerkungen im Gutachten
nicht entgegen; denn auf Be-
sicht heißt nicht, dass ledig-
lich eine oberflächliche Ansicht,
sondern jedenfalls eine hinrei-
chend sorgfältige Besichtigung
stattgefunden habe.
e) Eine andere Beurteilung
ist auch nicht deshalb gerecht-
fertigt, weil der Klägerin die
Schäden bei Abschluss des Kauf-
vertrages bereits bekannt gewe-
sen wären und die fehlerhafte
Begutachtung deshalb für den
Kaufentschluss nicht ursächlich
geworden wäre (vgl. etwa BGH
NJW 2001, 512). Denn die Be-
hauptung des beklagten Lan-
des, die von der Klägerin vor-
gelegten Lichtbilder seien
bereits im Jahre 1998 aufge-
nommen worden, ist in der vom
Senat durchgeführten Beweis-
aufnahme nicht bestätigt wor-
den. Der Zeuge W. hat wider-
spruchsfrei und glaubhaft be-
kundet, dass er die Lichtbilder
anlässlich seiner Objektbesich-
tigung am 20. 6. 2000 aufge-
nommen habe. Aus welchem
Grunde die Bilder auf ihrer Rück-
seite Daten aus dem Monat Mai
1998 aufweisen konnte in der
mündlichen Verhandlung nicht
geklärt werden. Dass es sich
hierbei aber jedenfalls nicht um
die Aufnahmedaten handelt, er-
gibt sich zwingend aus dem Um-
stand, dass die Kamera, mit
welcher der Zeuge W. die Bil-
der aufgenommen hat, ausweis-
lich der im Termin vorgelegten
Quittung erst am 12. 9. 1998
von der Klägerin gekauft wur-
de. Soweit das beklagte Land
behauptet hat, der Zeuge W.
habe die Lichtbilder im Juni
2000 deshalb nicht aufnehmen
können, weil das Dachgeschoss
bereits seit Januar vermietet
gewesen sei, hat die Klägerin
hierzu in der Berufungserwide-
rung Stellung genommen; dem
ist das beklagte Land nicht mehr
entgegen getreten. Die Ausfüh-
rungen im nicht nachgelasse-
nen Schriftsatz des beklagten
Landes vom 23. 12. 2003 sind
dem Senat kein Anlass zur Wie-
dereröffnung der mündlichen
Verhandlung.
3. Die Kostenentscheidung
folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vor läu-
fige Vollstreckbarkeit aus §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO. Streitwert und
Beschwer sind gemäß §§ 2, 3,
544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO fest-
gesetzt worden. Gründe für eine
Zulassung der Revision gemäß
§ 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht
vor.
Es schreibt
für Sie:
Dipl. Holzwirt
Georg Brückner
Fachbereichs-
leiter Sachver-
ständige
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