DIE FACHBREICHE
Sachverständige
Nachfolgender Urteilsspruch
des Oberlandesgerichts Hamm sollte
allen Sachverständigen zu denken
geben, die Äußerungen abgeben,
die über den reinen fachlichen und
sachlichen Bereich hinausgehen.
Beschluss vom 11. 05. 2006,
AZ.: 32 W 30/05, ZPO §§ 42, 406
Die Äußerungen eines Sach-
verständigen in seinem schrift-
lichen Gutachten: „zitiert ... wis-
sentlich falsch“, „in diesem Fall
eines Richters berechtigen, abge-
lehnt werden. Daraus folgt unmit-
telbar, dass der Sachverständige,
soweit es um seine Pflicht zur Ob-
jektivität und Neutralität gegen-
über den Verfahrensbeteiligten
geht, sich grundsätzlich an den-
selben Maßstäben messen lassen
muss, wie sie für den Richter gel-
ten. Ebenso wie der Richter muss
der Sachverständige als sein Hel-
fer alles vermeiden, was ein auch
Was Sachverständige so alles äußern...
wird ganz offensichtlich, dass die
Fakten verdreht werden, um das
Gericht vorsätzlich zu täuschen“,
„allein der Punkt Hydrophobie-
rung lässt ein Täuschungsmanö-
ver vermuten“ rechtfertigen eine
Ablehnung wegen Befangenheit.
OLG Hamm, Beschluss vom 11.
05. 2006 – 32 W 30/05
Gründe:
Die gem. den §§ 406 Abs. 5,
567 ff. ZPO zulässige sofortige Be-
schwerde der Antragsgegnerin ist
begründet, weil Tatsachen vorlie-
gen, die aus der maßgeblichen
Sicht der Antragsgegnerin die Be-
sorgnis der Befangenheit des Sach-
verständigen begründen.
Gem. § 406 Abs. 1 ZPO kann
ein Sachverständiger aus densel-
ben Gründen, die zur Ablehnung
nur subjektives Misstrauen einer
Partei in seine Unabhängigkeit
rechtfertigen könnte.
Legt man diesen Maßstab an das
Ergänzungsgutachten des Sachver-
ständigen H vom 05. 07. 2005 an,
dann führt kein Weg daran vorbei,
dass der Sachverständige durch seine
Wortwahl seine Pflicht zur Sachlich-
keit und Unvoreingenommenheit ver-
letzt hat. Die von der Antragsgeg-
nerin mit Recht beanstandeten For-
mulierungen („zitiert... wissentlich
falsch“, „in diesem Fall wird ganz
offensichtlich, dass die Fakten ver-
dreht werden, um das Gericht vor-
sätzlich zu täuschen“, „allein der
Punkt Hydrophobierung lässt ein Täu-
schungsmanöver vermuten“) sind in
einem Sachverständigengutachten
ebenso fehl am Platze, wie sie es
in einem Urteil wären. Dass der Sach-
verständige sich später, nachdem er
von dem Ablehnungsgesuch der An-
tragsgegnerin Kenntnis erhalten
hatte, für den Fall einer überzoge-
nen Wortwahl entschuldigt hat,
macht die Pflichtverletzung nicht un-
geschehen.
Entgegen der Auffassung des
Landgerichts ist es ohne Belang,
dass der Sachverständige mit sei-
ner überzogenen Ausdrucksweise im
wesentlichen Kritik an einem von
der Antragsgegnerin vorgelegten Pri-
vatgutachten üben wollte. Da vor-
liegend auch kein Fall anzunehmen
war, in welchem ein Sachverstän-
diger durch heftige Angriffe einer
Partei mit noch angemessener Schär-
fe reagieren durfte, war das gegen
den Sachverständigen gerichtete Ab-
lehnungsgesuch der Antragsgegnerin
begründet. Eine Kostenentscheidung
ist nicht veranlasst.
Oberlandes-
gericht Hamm
Foto:
Wikipedia,
Dr. Detlef
Berntzen
Unter diesem Titel ist in den
IfS-Informationen 5/06 ein länge-
rer Artikel veröffentlicht, in dem
die Begründungen des BGH aufge-
zeigt werden, warum diese für ge-
richtlich beauftragte Sachverstän-
dige so untragbare Situation vom
Tisch ist (siehe hierzu auch Schüt-
zen & Erhalten Heft 3/2006 „Streit-
verkündung gegenüber dem ...“).
Nachfolgend der einleitende Ab-
satz des Artikels.
Die vollständige Inhalte, ins-
besondere die Gründe für dieses
Urteil, sind auf der Internetseite
des DHBV im geschützten Bereich
für Mitglieder des Fachbereichs
Sachverständige einzusehen. Eben-
falls zu diesem Thema finden Sie
dort einen weiteren Artikel aus den
IfS-Informationen 5/06, Titel:
„Kein selbständiges Beweisverfah-
ren gegen den Sachverständigen
in derselben Sache“.
„Das leidige Problem der Streit-
verkündung an einen gerichtlichen
Sachverständigen im selben Rechts-
streit, in dem er sein Gutachten
erstattet hat, ist vom Tisch. Der
Bundesgerichtshof (BGH) hat mit
Urteil vom 27. Juli 2006 (Az.: VII
ZB 16/06) entschieden, dass eine
solche Streitverkündung unzulässig
ist und der Streitverkündungsschrift-
satz nicht zugestellt werden darf.
Weiter ist auch der Gesetzgeber aktiv
geworden. Der Entwurf eines Zwei-
ten Justizmodernisierungsgesetzes
sieht vor, dass in § 72 ZPO ein neuer
Absatz 2 eingefügt wird. Auf die
ausführliche Darstellung der geplan-
ten Gesetzesänderung wird in den
IfS-Informationen 2006 (Heft 3 S.
2) ergänzend verwiesen.
Inzwischen hat der Bundesrat
dieser Neuregelung zugestimmt. In
Kürze wird der Bundestag die Neu-
regelung beschließen, so dass An-
fang nächsten Jahres mit der Ver-
öffentlichung im Bundesgesetzblatt
zu rechnen ist. Auf das Urteil des
BGH kann sich ein betroffener Sach-
verständiger aber schon heute mit
Erfolg berufen. Nachstehend geben
wir Leitsätze und Entscheidungs-
gründe des Urteils des BGH vom 27.
7. 2006 bekannt:
Leitsätze
1. Die Streitverkündung gegenüber
einem gerichtlichen Sachver-
ständigen zur Vorbereitung von
Haftungsansprüchen gegen die-
sen aus angeblich fehlerhaften,
im selben Rechtsstreit erbrach-
ter Gutachtenleistungen ist un-
zulässig.
2. Der Streitverkündungsschrift-
satz ist nicht zuzustellen.“
BGH: Streitverkündung gegen
gerichtlichen Sachverständigen
ist unzulässig