Schützen & Erhalten - page 16

Schützen & Erhalten · März 2009 · Seite 16
…und immer
wieder
Bauteilöffnungen in Zusammen-
hang mit einer gerichtlich be-
auftragten Gutachtenerstellung
Leider gibt es zu diesem Thema keine
einheitliche Rechtssprechung vor den
deutschen Gerichten. Je nachdem in
welchem Gerichtsbezirk der Sachverstän-
dige tätig ist, sind die Bauteilöffnungen
durch den Sachverständigen oder auf
Weisung des Gerichts durch die Parteien
vorzunehmen.
Da das Erstellen von Bauteilöffnungen mit ho-
hem rechtlichen Risiko verbunden ist, eventu-
ell sogar einhergehend mit einer Nichtdeckung
durch die Versicherung, insbesondere dann, wenn
es um das Verschließen der Öffnungen und das
Wiederherstellen des ursprünglichen Zustands
geht, ist kein Sachverständiger gerne bereit
diese Leistungen im Rahmen der Gutachtener-
stellung zu erbringen.
Wird man vom Gericht angewiesen, die Öff-
nungen selbst vorzunehmen, sollte man auf die
Rechtssprechung hinweisen, die eine solche
Verpflichtung ablehnt. So sinngemäß zu lesen
in den IfS Informationen 5/2008, Seite 23. In
dem Artikel ist weiterhin aufgelistet, welche
Gerichte hierzu in den letzten Jahren deutlich
Stellung bezogen haben.
Demnach lehnen eine
„Verpflichtung des
Sachverständigen zur Bauteilöffnung und ein
entsprechendes Weisungsrecht“
folgende Gerichte
ab: OLG Hamm, 18.10.2005 (Az.: 26 O 16/04);
OLG Naumburg, 01.03.2005 (Az.: 10 W 10/05);
OLG Rostock, 04.02.2002 (Az.: 7 W 100/01);
OLG Frankfurt/M. 13.11.2003 (Az.: 15 W 87/03);
OLG Bamberg, 09.01.2002 (Az.: 4 W 129/01); LG
Göttingen, 20.04.2008; LG Limburg, 30.05.2007
(Az.: 2 O 170/06); LG Schwerin, 04.10.2004 (Az.:
1 O 609/98); AG Kassel, 13.02.2008.
Folgende Gerichte befürworten solch ein
Weisungsrecht gegenüber Sachverständigen: OLG
Jena, 18.10.2006 (Az.: 7 W 302/06); OLG Stutt-
gart, 13.09.2005 (Az.: 3 W 43/05); OLG Celle,
08.02.2005 (Az.: 7 W 147/04); OLG Frankfurt/
M, 26.02.1998 (Az.: 18 U 50/95); OLG Celle,
30.10.1997 (Az.: 4 U 197/95).
Am Beispiel Frankfurt/M. sieht man, dass ein
Gericht sowohl als auch entscheiden kann, wo-
bei hier die Hoffnung besteht, dass die jüngere
Entscheidung der Ablehnung die sich zukünftig
durchsetzende Meinung ist.
In dem Artikel wird auf die Empfehlung des
Baugerichtstages 2008 in Hamm verwiesen, nach
der Sachverständige nicht verpflichtet werden
sollen, Eingriffe in Sachen selbst oder durch
Dritte vornehmen zu lassen.
Nachtrag zu „Ratschläge
erwünscht“ aus Schüt-
zen & Erhalten 4/2008
In der letzten Ausgabe von Schützen &
Erhalten habe ich 2 Bilder einer Holzbrücke
gezeigt, die deutlichen Pilzbefall an den tra-
genden Bauteilen aufweist. Ich bat Sie in dem
Artikel um Ihre Stellungnahme unter der Fra-
gestellung „Was kann man aus Ihrer Sicht tun
und welche Maßnahmeempfehlungen/Ratschlä-
ge würden Sie dem Betreiber geben?“.
Hierzu sind bei mir zahlreiche Stellung-
nahmen eingegangen. Dafür möchte ich mich
ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Fast unisono
wurde die Meinung vertreten, dass die darge-
stellte Konstruktion nicht den Anforderungen
eines ausreichenden konstruktiven Holzschut-
zes entspricht. Von den meisten wurden auch
die erkennbaren Pilzfruchtkörper den Blättlin-
gen zugeordnet.
Ich will an dieser Stelle nicht näher auf
diese Brücke eingehen, da hierzu ein schweben-
des Gerichtsverfahren besteht. Nach Abschluss
dieses Verfahrens informiere ich Sie gerne im
rechtlich zulässigen Rahmen hierüber.
Denen von Ihnen, die danach gefragt ha-
ben, sei gesagt, ich habe weder mit der Planung
noch der Ausführung dieser Brücke zu tun.
In den IfS Informationen
5/2008 Seite 12 wird in
einem Artikel zu einem
tatsächlichen Fall näher
auf dieses Thema einge-
gangen.
Ein Sachverständiger hat in
seinem Nachtragsgutachten
seinen Ärger über beleidi-
gende und disqualifizierende
Äußerungen einer Partei zum
Ausdruck gebracht. Dies war
dem Kläger Anlass genug den
Sachverständigen wegen Be-
fangenheit abzulehnen. Daneben wurden vom
Kläger noch weitere Ablehnungsgründe fachli-
cher Art benannt, die aber an dieser Stelle nicht
von Bedeutung sind.
Das OLG Frankfurt, 12.03.08 (Az.: 19 W
11/08), hat in der Begründung für seine Ab-
lehnung des Klägerantrags (Bestätigung ei-
ner zuvor schon ergangenen Zurückweisung
des Ablehnungsantrags durch das Landgericht)
wohl angemerkt, dass es die Ausführungen des
Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutach-
ten aus dem hervorgeht, dass er die Kritik des
Klägers als beleidigend empfand, als „gewiss
überflüssig“ ansieht, da sie kein Beitrag zu der
dem Sachverständigen aufgegebenen sachli-
chen Ergänzung des Gutachtens sind. Allerdings
bestätigt das Gericht auch, dass die Kritik des
Klägers tatsächlich beleidigend sei. Zum Glück
für den Sachverständigen begründet das Gericht
die Ablehnung des Klägerantrags damit, dass die
Stellungnahme des Sachverständigen lediglich
erkennen lässt,
„dass er die Äußerungen des
Klägers so verstanden hat, wie sie wohl gemeint
waren, nicht aber, dass er deshalb in einer die
Besorgnis der Befangenheit begründeten Weise
über den Kläger verärgert ist.“
Eine solche für den Sachverständigen wohl-
wollende Interpretation ist aber nicht unbedingt
die Regel. Die Äußerungen des Sachverständigen
hätten bei einem anderen Gericht durchaus zu
einer Zustimmung des Klägerantrags führen kön-
nen. Die Redaktion der IfS Informationen merkt
dazu Folgendes an:
„Dieser Fall zeigt wieder einmal, wie vorsich-
tig der Sachverständige auch bei der Formulie-
rung seiner schriftlichen Äußerungen sein muss,
wenn er sich in einem Ergänzungsgutachten mit
der kritischen Würdigung seines Gutachtens durch
eine Prozesspartei auseinandersetzt. Selbst wenn
sich die Angriffe der Prozesspartei nicht auf den
sachlichen Inhalt des Gutachtens beschränken,
sondern in persönliche Beleidigungen ausarten,
darf der Sachverständige nicht erkennen lassen,
dass er sich beleidigt fühlt oder geärgert hat.
Solch gefühlsbetontes Abwehrverhalten bringt ihn
Es schreibt
für Sie:
Dipl. Holzwirt
Georg Brückner
Fachbereichs-
leiter Sachver-
ständige
Roggenkamp 7a
59348 Lüdinghausen
Telefon: (0 2591) 949653
Telefax: (02591) 949654
E-Mail:
Vorsicht wenn Gerichtssachver-
ständige emotional reagieren!
sehr schnell in die Nähe des An-
scheins der Parteilichkeit nach
dem Motto, wer sich ärgert,
kann nicht mehr objektiv sein.
Daher hat der Sachverständige
im vorliegenden Fall noch ein-
mal Glück gehabt. Die gericht-
liche Entscheidung hätte auch
anders ausfallen können. Dass
Angriffe gegen die fachlichen
Beurteilungen des Sachverstän-
digen grundsätzlich keine Be-
fangenheit begründen können,
sondern zur Beweiswürdigung
gehören, entspricht der herrschenden Auffassung
in Literatur und Rechtsprechung. Überschreitet
der Sachverständige jedoch seinen Auftrag, ver-
fehlt er in grober Weise das Beweisthema oder er-
weckt er den Eindruck, eine streitige Behauptung
als unstreitig zu behandeln, kann das als Anlass
einer parteiischen Voreingenommenheit angese-
hen werden, was zur Ablehnung führt. Angeblich
mangelnde Sachkunde des Sachverständigen ist
dagegen kein Befangenheitsgrund.“
Fachbereiche
Sachverständige
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