Bei der Frage
Entfernung befallener Materi-
alien
und Bauteile oder Abhilfe durch andere
Maßnahmen wie Abschotten oder Abdichten
ist immer auch zu berücksichtigen, ob das
Schimmelwachstum in ständig genutzten Bü-
ros, Wohnräumen und Schlafzimmern auftritt
oder „nur“ in wenig genutzten Lager- und
Nebenräumen außerhalb der Wohnung so-
wie nicht zugänglichen Bereichen innerhalb
der Baukonstruktion, die aber in keiner Ver-
bindung zu den genutzten Räumen stehen
(vgl. Nutzungsklassen, Anlage 1). Sowohl die
Dringlichkeit der Sanierung als auch die zu
ergreifenden Maßnahmen bei der Sanierung
selbst hängen entscheidend von der Art der
Raumnutzung ab.
Sanierungsentscheidungen bleiben deswe-
gen auch immer eine Einzelfallentschei-
dung des Sachverständigen vor Ort.
Der
Schimmelleitfaden kann hierbei lediglich
Hilfestellung geben.
Bild 10: Rückbau oder Abschotten? Orientieren an
Nutzungsklassen oder Einzelfallentscheidung des
Sachverständigen?
Dann wird zur Baustelleneinrichtung ausge-
führt, dass der Sanierungsbereich abzuschotten
ist und durch technische Be- und Entlüftung ggfs.
im Unterdruck zu halten ist. Hier ist anzumer-
ken, dass dies nach der bereits zitierten und im
Leitfaden 2016 eingeführten DGUV-I nur für die
Gefährdungsklasse 3 vorgesehen ist. Es folgen
weitere Hinweise zum Ausbau diverser Bauma-
terialien. Allerdings taucht hier die Frage auf,
warum es bei all den staubarmen und hocheffek-
tiven Sanierungsverfahren noch notwendig sein
sollte, Mauerwerk oder Beton abzuflämmen. Zu
Estrichdämmschichten wird auf den UBA-Leit-
faden Fußboden verwiesen, insbesondere wenn
es um Alternativen zum Rückbau geht. Gleich-
zeitig wird aber klargestellt, dass ein Fluten der
Bodenkonstruktionen mit Bioziden keine nach-
haltige Sanierungsmaßnahme ist.
Der bereits im Schimmelpilz-Sanierungsleitfa-
den aufgeführte Abschnitt zur technischen Trock-
nung wurde weitgehend übernommen, allerdings
wurden die Trocknungsverfahren aktualisiert und
an das WTA-Merkblatt E-2-14 aus dem Jahr 2015
(aber eigentlich auch noch nicht offiziell verfüg-
bar) angepasst. Auch wie der Trocknungserfolg
festzustellen ist, wurde in Anlehnung an das
WTA-Merkblatt beschrieben. Dann kommt die
Reinigung nach den Dekontaminationsarbeiten.
Wir hätten Feinreinigung gesagt. Das ist etwas
verwirrend, denn die Feinreinigung kommt spä-
ter noch einmal − nach dem Wiederaufbau und
Aufstellen der Möbel etc.! Das entspricht je-
doch nicht der Baupraxis, die bekanntlich ja so
aussieht, dass unterschiedliche Gewerke an der
Sanierung beteiligt sind und die Abnahme der
Leistung „Schimmelentfernung“ erfolgt, wenn
das schimmelbelastete Material ausbebaut ist
und bevor andere Gewerke mit dem Wiederauf-
bau beginnen (6)… Also zweimal Feinreinigung,
wobei bei der ersten nicht überzogen gereinigt
werden muss? Das ist ein bisschen kompliziert,
warum nicht einfach so formulieren, dass jedes
Gewerk nach seinen Arbeiten den Sanierungs-
erfolg darlegen muss, und zwar auch mit einer
Feinreinigung, wenn die durchgeführten Arbeiten
das erfordern. Bewertet werden soll der Sanie-
rungserfolg wie im noch nicht veröffentlichten
WTA-Merkblatt zur Sanierungskontrolle im We-
sentlichen durch Sichtkontrolle und Partikelmes-
sung im Ruhezustand sowie nach Mobilisierung.
Die Labore werden sich freuen! Über jede Kle-
befilmprobe (die nicht zur Sanierungskontrolle
empfohlen wird), die mal zur Entspannung rein-
gereicht wird. Warum die Klebefilmproben hier so
schlecht dargestellt werden, ist nicht ersichtlich.
Zwar will man mit der Partikelmessung so etwas
wie einen Fingerprint des gesamten Raumes er-
zeugen, was durchaus verständlich ist, will man
aber wiederum Kontamination lokalisieren oder
einzelne Bauteile überprüfen, geht das am besten
mit dem Klebefilm. Nachdem die Klebefilmme-
thode nun auch validiert ist, einfache Auswer-
temethoden zur Sanierungskontrolle vorliegen
(z.B. Flächenbelegungsschemata nach DIN EN
16492:2014-09, etc.) ist auch die Wirtschaft-
lichkeit kein Argument.
Aber es gibt auch durchaus lobenswerte Am-
bitionen des Leitfadens. Ausführlich behandelt
wird das Thema Desinfektion. Erfreulich auch,
weil ein Satz der Autorin im Leitfaden verewigt
wurde, also noch. Es gibt ja noch eine dreimo-
natige Einspruchsfrist, die er überstehen muss.
Dennoch ist die Position des UBA hier eindeu-
tig und auch in vielen Passagen des Leitfadens
nachverfolgbar: Desinfektion ist keine Sanie-
rungsmethode, in der Schimmelschadenbesei-
tigung nicht erwünscht und auch nicht erfolg-
reich. Wichtig ist auch, dass es sich nicht um
eine Desinfektion im eigentlichen Sinne handelt,
sondern um einen Biozideinsatz. Auch das Fog-
ging wird kritisch betrachtet und im Sinne des
Leitfadens verworfen. Als akzeptabel wird an-
gesehen, kleine Befälle im DIY-Bereich mit Bi-
oziden zu behandeln oder aber als Maßnahme
zur Verzögerung von Befällen in Decken. Oder
Fußbödenkonstruktionen zu verwenden, wenn
eine schnelle Trocknung nicht möglich ist. Aller-
dings liegt gerade hier ein Denkfehler vor, denn
es wird darauf verwiesen, dass es sich um sofort
abbauende Produkte handeln muss, die hier aber
völlig fehl am Platze sind, denn es bedarf hier
persistenter Biozide mit Depotwirkung.
Bitte blättern Sie um.
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Schimmelpilze
Schützen & Erhalten · März 2016 · Seite 29