eingesetzt werden, die als bedenklich einzustu-
fen sind und gleichzeitig wären Einwirkzeiten
über mehrere Stunden notwendig. Auch Tempe-
raturen unter der Prüftemperatur von 20–25 °C
verlängern die Einwirkzeit. Selbst Mittel auf
Wasserstoffperoxidbasis müssen mindestens
1 Stunde einwirken.
7
Daraus ergibt sich auf Baustoffoberflächen
ein Problem. Die Oberflächen müssen zur Auf-
rechterhaltung der desinfizierenden Wirkung
feucht bleiben. Trocknen die Bauteiloberflächen
ab, verdunstet auch die Wirkung. Das liegt daran,
das Wasser notwendig ist, um das Desinfektions-
mittel an und in die Zellen zu transportieren.
Man muss also Desinfektionsmittel nachgeben
(nicht Wasser, da man sonst den Wirkstoff zu-
nehmend verdünnt). Wer da eine feuchte Wand
hat, kann von Glück reden. Was lernen wir da-
rüber hinaus? Anti-Schimmelfarben wirken nur
an feuchten Wänden!
Noch einmal: Desinfektion bedeutet Abtöten.
Aber nicht Wegschaffen oder Inluftauflösen. Die
mehr oder weniger abgetötete Biomasse verbleibt
auf der Bauteiloberfläche. Kann erneut einen
Befall auslösen. Kann weiter infektiös bleiben.
Allergene und Toxine werden mit der Desinfek-
tion nicht beseitigt. Einige Keime verhalten sich
bei Abtötung besonders fies. So setzt E. coli erst
im Moment seiner Lyse alle Toxine frei.
4
Daher
muss Biomasse, ob nun vital bzw. mehr oder we-
niger gut desinfiziert,
immer
entfernt werden!
Zusammengefasst: Wer mit einem Desinfekti-
onsmittel mittel bis stark belastete Bauteilober-
flächen
wirksam
desinfizieren will, muss deutlich
höher als vorgegeben dosieren, die Mittel länger
einwirken lassen und über die verlängerte Ein-
wirkzeit immer schön Desinfektionsmittel nach-
legen. Und anschließend kreativ in der Besei-
tigung von noch immer potentiell gefährlichen
Mikrobenleichen sein. Kein Wunder also, dass
bei derartigen Expositionen sowohl von UBA als
auch RKI von Desinfektionen abgeraten wird.
Sind nun Desinfektionen bei Schimmelpilz-
befällen völlig abzulehnen? Als
alleinige Maß-
nahme
der Schimmelpilzbekämpfung ohne Be-
seitigung der Ursachen
definitiv ja!
Darüber
sind sich alle Fachleute einig.
Der Einsatz von Desinfektionsmitteln als be-
gleitende Maßnahme bei der Reduktion der Spo-
renbelastung im Sanierungsfall oder als kurzfri-
stige Maßnahme, um ein Ausbreiten der Befälle
zu vermeiden, bevor Baumaßnahmen greifen
können, ist durchaus als sinnvoll zu bewerten.
Das gilt auch für die Desinfektion in Kombina-
tion mit einer Reinigung (sog. Wischdesinfek-
tion) von inerten, hochfesten und porenfreien
Materialien, z.B. Inventar oder Stahlträgern im
Trockenbau. Auch zur Feinreinigung nach einer
Sanierung, um erhöhte Sporenbelastungen zu
reduzieren, ist eine Desinfektion eine sinnvolle
Maßnahme.
9
Damit kämen wir von der Flächendesinfekti-
on zur Raum(luft)desinfektion. Vernebeln oder
Verdampfen von Desinfektionsmitteln. Histo-
risch gesehen, fanden diese Verfahren Anwen-
dung bei der Behandlung von Krankenhäusern,
Krankenfahrzeugen und Laboren zur Minderung
der Infektionsgefahr. Das RKI schreibt hierzu:
Eine Raumdesinfektion beinhaltet die umfassende
und gleichzeitige Desinfektion aller in einem um-
schlossenen Raum befindlichen Oberflächen durch
Verdampfen oder Vernebeln eines Desinfektionsmit-
tels. Zusätzlich zur Raumdesinfektion ist jeweils
eine Flächendesinfektion durch Wischen erforder-
lich. Dieses Verfahren ist nur anzuwenden, wenn
besondere Infektionsgefahren bestehen und/oder
anzunehmen ist, dass die Wischdesinfektion allein
unzureichend sein könnte.
Laut RKI ist als einzige
Methode der Raumdesinfektion die Vernebelung
von Formaldehyd zulässig.
5
Dazu ist nach TRGS
522
11
durch den Ausführenden ein Befähigungs-
schein vorzulegen. Seit 2009 ist zusätzlich ein
Vernebeln mit Wasserstoffperoxid zulässig, je-
doch nur für die Behandlung von HEPA-Filter-
einheiten in Sicherheitswerkbänken.
8,10
Bis 2012
sind weder bei der DGHM als auch beim RKI an-
dere Desinfektionsmittel als Formaldehyd für die
Raumdesinfektion gelistet worden. Zwar gibt es
eine Veröffentlichung aus 2010, worin das RKI
bestätigt, dass die Vernebelung von Wasserstoff-
peroxid eine wirksame und umweltfreundlichere
Alternative zum Einsatz von Formaldehyd ist, al-
lerdings bezieht sich die gesamte Untersuchung
a) auf Bakterien und b) wiederum auf Sicherheits-
labore der S3-S4-Stufe.
8
Diese Aussage gilt also
wieder nicht für Baustoffe und auch nicht für
Schimmelpilze… Hier sind zugegebenermaßen
große blinde Flecken vorhanden, die von Seiten
des RKI und der DGHM aufgelöst werden müssen.
Und zwar in Form geeigneter baupraxisgerechter
Produktprüfungen gegen relevante Schadkeime
und Aufnahme wirksamer Mittel und Verfahren
in die Desinfektionsmittellisten.
Zusammenfassung
Unabhängig von Wirkstoffen, Wirkungsweisen
und Verfahren ist die Anwendung von Desinfek-
tionsmitteln auf Baustoffen limitiert. Das ergibt
sich aus den Schadensbildern, den Baustoffei-
genschaften und den sich dadurch ändernden
Rahmenbedingungen für eine Effizienz der Des-
infektionsmittel. Wer aus welchen Gründen auch
immer, Desinfektionsmaßnahmen anwenden will,
sollte folgende Punkte bei der Auswahl geeig-
neter Mittel und Verfahren beachten:
– Große Sicherheit bieten (Flächen)Desinfekti-
onsmittel, welche bei RKI und DGHM gelistet
sind. Die Wirksamkeit im Wirkungsbereich A
oder AB sollte nachgewiesen sein. Wenn ge-
prüft, sollte ein Mittel verwendet werden,
dessen Wirkung auch auf rauem Holz nach-
gewiesen wurde.
– Es muss akzeptiert werden, dass auf Bau-
stoffen nicht die Reduktionsraten erzielt
werden, die bei der Prüfung für obige Li-
sten erzielt werden. Die Wirkung der Des-
infektionsmittel wird durch Oberflächen-
rauhigkeiten, organische Zuschläge, geringe
Wandtemperaturen und vor allem durch hö-
here Zelldichten im Schimmelrasen teilweise
dramatisch reduziert.
Fachbereiche
Schimmelpilze
Bild 3: Desinfektion als alleinige Maßnahme: Behand-
lung einer Trockenbauwand (Feuchteschaden durch
drückendes Wasser) ohne weitere Maßnahmen, be-
reits nach 2 Tagen ist neues Myzel in zarten Flocken
auf den desinfizierten Bereichen nachweisbar.
(Foto: Messal)
Bild 4: Desinfizierte Baustoffoberfläche (USB-Platte)
nach Desinfektion, das Klebefilmpräparat zeigt: Alle
noch da; dichtes Pilzmyzel und Sporen bei 600-facher
Vergrößerung – aus einem realen Schadensfall.
(Foto: Messal)
Schützen & Erhalten · Dezember 2012 · Seite 26