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Ein ganz besonderer Pilz oder es gibt immer
einen, der besser ist!
Dass Schimmelpilze als stress
tolerante Überlebenskünst-
ler gelten, muss kaum mehr
erklärt werden. Und dass
sie deutlich trockenere und
ungünstigere Milieus erobern
können als andere Mikroorga-
nismen, auch nicht. Wir haben
uns daran gewöhnt, in modell-
hafter Betrachtung anzuset-
zen, dass an mindestens fünf
aufeinander folgenden Tagen
über mindestens 12 Stunden
eine rel. Luftfeuchtigkeit von
80% an der Bauteiloberfläche
vorherrschen muss (Fachbe-
richt DIN 4108-8), damit die
kleinen Viecher Stoffwechsel
betreiben können, bis schluss
endlich ein Befall vorliegt.
Soweit die Theorie. Und für die
meisten innenraumtypischen
Pilze passt das auch ganz gut.
Aber eben nur meistens. Es
gibt da einen ganz besonderen
Pilz. Einer, der glatt als Innen-
raumextremist durchgehen
könnte. Einer, der besser ist als
die anderen – im Überleben.
Ein Pilz mit Migrations-
hintergrund
Ein Unbekannter ist dieser Pilz
nicht, zumindest seine engeren
Verwandten sind insbesondere den
Holzschützern gut bekannt. Schwar-
ze Hefen, zu denen auch der Au-
reobasidium pullulans gehört. Ein
Bläuepilz auf Holz, ein Schimmel-
pilz im Innenraum. Nun, auch unser
besonderer Pilz führt ein Doppelle-
ben. Doch dazu später.
Woran ist dieser besondere Pilz
zu erkennen? Eine auffällige Farbe?
Besondere Fruchtformen? Nein, er
fällt durch gar nichts auf. Weil er
gar nichts macht, das aber beson-
ders gut. Er bildet weder Sporen aus
noch sind Hyphen oder ein Myzel er-
kennbar. Erkennbar sind nur graue
Schleier oder kleine Fliegenschisse.
Und das gern auf Oberflächen, deren
Wasseraktivität deutlich unterhalb
eines aW von 0,8 liegt und die zu-
dem als extrem trocken oder extrem
kalt beschrieben werden können.
Die wahre Identität erschließt
sich erst bei mikroskopischer Be-
trachtung. Dann erkennt man hy-
phenlose Kugelhaufen, die aus
hefeartigen schwarze Zellen beste-
hen. Und da ist er – ein mikrokolo-
nial wachsender melanisierter Pilz
(microcolonial melanised fungi,
MCF). Und da zeigt sich auch eine
gewisse Ähnlichkeit zu den bereits
zitierten Verwandten, den schwar-
zen Hefen. Es gibt eindeutig ver-
wandtschaftliche Beziehungen zu-
einander, jedoch deutliche morpho-
logische und auch physiologische
Unterschiede.
Bekannt sind die kleinen
schwarzen Kugeln bereits seit den
1970-ern, beschrieben werden sie
als Kolonialisten wüstenähnlicher
Lebensräume wie Arizona, Utah,
Israel oder Ägypten aber auch in
der Antarktis (eine (Eis)Wüste) oder
im Reaktorbereich von Tschernobyl
(1, 2, 5). Völlig ungestresst können
sie Temperaturen bis 100 °C über-
stehen oder fallen bei Frost einfach
in den Winterschlaf. Ihre Fähigkeit,
lange Phasen extremer Trockenheit
zu überdauern, macht die MCF zu
einem interessanten Studienobjekt:
Sie können trotz Austrocknung bis
auf 10% Restfeuchte noch 80 Stun-
den ihren Stoffwechsel aufrechter-
halten und als dormante (schlafen-
de) Zellen überdauern. Auch nach
8 Wochen völliger Trockenheit kön-
nen sie innerhalb eines Tages bei
ausreichender Feuchte bis zu 20%
der ehemaligen Biomasse wieder
aufbauen. Damit sind auch Befälle
Fachbereiche
Schimmelpilze
Bild 2: Tapetenprobe aus Bild 1 in 600-facher Vergrößerung: Vermutlich Knufia
(Sarcinomyces) petricola und der Name ist Programm: Der Pilz bildet knuffige
kleine Zellpakete, Hyphen oder Sporen fehlen, jede Zelle ist pigmentiert und
verpackt wie eine Spore und so vegetative Zelle und Dauerstadium auf einmal.
Bild 1: Tapete, befallen mit mikrokolonialen Pilzen MCF in 100-facher Vergrößerung.
Erkennbar sind kleine Haufen aus kugeligen Zellen, ein Myzel fehlt.
Schützen & Erhalten · Dezember 2015 · Seite 19