Schützen & Erhalten · September 2009 · Seite 14
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Dipl. Holzwirt
Georg Brückner
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leiter Sachver-
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Sachverständige
Unterlässt ein Sachverständiger im Rah-
men einer gerichtlichen Beauftragung zu
einem von ihm festgelegten Ortstermin
die Verfahrensbeteiligten und ihre Anwälte
zu benachrichtigen, kann das dazu führen,
dass der Sachverständige wegen Besorgnis
der Befangenheit abgelehnt wird. Dies
bedeutet unter Umständen auch, dass er
den Vergütungsanspruch nach dem JVEG
verliert.
In den „IfS Informationen 3/2009“ wird zu
diesem Thema auf einen tatsächlichen Fall ein-
gegangen, wo der Sachverständige aufgrund
der Thematik bei der zu begutachtenden Sa-
che nach eigener Aussage (es handele sich nur
um die Klärung eines Statikproblems) auf die
Benachrichtigung der Parteien zum Ortstermin
verzichtet hat.
Über das Datum und den Zeitpunkt des Orts-
termins war die Antragsstellerin aber offensicht-
lich informiert, da sie dem Sachverständigen den
Zugang zum Objekt verschaffen musste. Sie hat
aber nicht nur für den Zugang gesorgt, sondern
hat zusammen mit ihrem Architekten an dem
Ortstermin teilgenommen.
Der Umstand, dass die Antragstellerin mit
ihrem Architekten an dem Termin teilgenom-
men hat, war für das OLG Frankfurt ausrei-
chend, der Beschwerde der Antragsgegnerin
stattzugeben.
Bei der unterlassenen Benachrichtigung der
Parteien und ihrer Verfahrensbevollmächtigten
zum Ortstermin handelt es sich um einen Verfah-
rensfehler des gerichtlich beauftragten Sachver-
ständigen, da sowohl Antragstellerin wie auch
Antragsgegnerin ein Anwesenheitsrecht zusteht.
Hierzu wird zum vorliegenden Fall in den IfS In-
formationen 03/09 folgendes ausgeführt:
„Nach der Beweisfrage Nr. 1 des Beweisbe-
schlusses vom 05.10.2007 hatte der Sachverstän-
dige die tatsächliche Feststellung zu treffen, ob
die Decke im Untergeschoss des Wohn- und Ge-
schäftsgebäudes … in O1 teilweise ca. 15cm abge-
sackt ist. In einem derartigen Fall besteht gemäß
§§ 492 Abs. 1, 357 Abs. 1 ZPO grundsätzlich ein
Anwesenheitsrecht der Parteien (Zöller/Greger,
ZPO, 27. Aufl., § 357 Rn. 1 m. w. N.:; Bundes-
verwaltungsgericht NJW2006, 2058 m. w. N.; ab-
weichend OLG Dresden NJW-RR
1997, 1354). Sofern die Verlet-
zung des Grundsatzes der Par-
teiöffentlichkeit nicht durch rü-
gelose Verhandlung geheilt wird,
führt der genannte Verfahrens-
mangel zur Unverwertbarkeit der
Beweisaufnahme und gebietet
deren Wiederholung (Zöller/Gre-
ger a.a.O. Rn. 2; Bundesverwal-
tungsgericht a.a.O. jeweils mit
weiteren Nachweisen).
Allerdings rechtfertigt ein
Verfahrensfehler eines Sach-
verständigen – wie auch bei
der Richterablehnung – nicht ohne weiteres die
Besorgnis der Befangenheit. Erforderlich ist viel-
mehr, dass sich etwa durch die Art oder Häufung
von Verfahrensfehlern zum Nachteil einer Partei
bei einer vernünftigen und besonnenen Partei der
Eindruck unsachlicher Einstellung oder willkürli-
chen Verhaltens des abgelehnten Richters ergibt
(Senatsbeschluss vom 16.5.2008, 19 W 26/08;
Münchener Kommentar/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., §
42; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl.; § 42 Rn.
24, jeweils m. w. N.).“
Im vorliegenden Fall war die unterlassene
Benachrichtigung aller Parteien wohl fehlerhaft,
aber nicht ausreichend für eine Ablehnung des
Sachverständigen wegen Besorgnis der Befan-
genheit. Es wurde bei allen Parteien in gleicher
Weise das Anwesenheitsrecht beeinträchtigt,
was wiederum zu keiner Bevorteilung bzw. Be-
nachteiligung einer Seite führt.
Dass der Sachverständige aber trotzdem we-
gen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde,
ist dadurch begründet, dass er zuließ, dass die
Antragstellerin ihm nicht nur den Zugang zum
Objekt ermöglichte, sondern zusammen mit ih-
rem Architekten beim Ortstermin über die ge-
samte Zeit anwesend war.
Durch die Gewährung der Anwesenheit der
Antragstellerin mit ihrem Architekten beim
Ortstermin besteht der Eindruck einer willkür-
lichen Benachteiligung der übrigen Verfahrens-
beteiligten, wofür der Sachverständige verant-
wortlich ist.
Dazu, warum die Anwesenheit der Verfah-
rensbeteiligten zum Ortstermin ermöglicht wer-
den muss, wird in den IfS Informationen 03/09
folgendes ausgeführt:
“Das Anwesenheitsrecht beim Ortstermin soll
den Beteiligten die Möglichkeit eröffnen, dem
Sachverständigen Fragen zu stellen und Hinweise
zu geben und so dazu beitragen, dass dem Gutach-
ten eine zutreffende Tatsachenermittlung zugrunde
liegt. Zugleich können sie sich einen persönlichen
Eindruck von der Örtlichkeit verschaffen, um so
eine ausreichende Grundlage für ihren Sachvortrag
und die rechtliche Bewertung zu erhalten. Schließ-
lich ist die Anwesenheit aller Beteiligten geeignet,
einseitige Beeinflussungen des Sachverständigen
auszuschließen (Bundesverwaltungsgericht NJW
2006, 2058 unter Hinweis auf
Höffmann, Die Grenzen der Par-
teiöffentlichkeit, insbesondere
beim Sachverständigenbeweis,
1989, S. 71).“
Der Sachverständige hat
durch seine unterlassene Be-
nachrichtigung der Parteien
und die Zulassung der Anwe-
senheit der Antragstellerin
mit ihrem Architekten beim
Ortstermin einen willkürlichen
Ausschluss der Antragsgegne-
rin und ihrer Verfahrensbevoll-
mächtigten bewirkt. Der Hin-
Der Ortstermin bei einer gerichtlichen Beauftragung
weis des Sachverständigen, dass die Anwesenheit
der Beteiligten beim Ortstermin nicht erforderlich
sei, da es nur um die Klärung von Fragen zur Sta-
tik ging, entkräftet den Vorwurf des willkürlichen
Ausschlusses und damit den äußeren Anschein
mangelnder Unparteilichkeit nicht.
Anleitungen zur sicheren Durchführung eines
Ortstermins findet man in der vom Institut für
Sachverständigenwesen (IfS) herausgegebenen
Broschüre „Die Ortsbesichtigung durch Sach-
verständige“, Köln, 6. Aufl. 2006 (siehe auch
.
Schnell zum Ortstermin – aber bitte die Verfahrens
-
beteiligten und ihre Anwälte nicht vergessen ...
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