Schützen & Erhalten - page 27

Schützen & Erhalten · Dezember 2002 · Seite 27
AUS DER PRAXIS
Vortrag von Dipl.Ing. Christian Wuttke, DHBV-Landesvorsitzender Sachsen, anläßlich der
IBK Baufachtagung am 25. u. 26. 09. 2002
Problemkreis Schimmelpilzbefall und
wirksame Sanierungskonzeption mit Fachbe-
triebsausführung
1.0 Einleitung
Pilze sind praktisch weltweit
verbreitet und sind aufgrund
ihrer Fähigkeit zur Zersetzung
sehr unterschiedlicher Substanz-
klassen extrem wichtig für den
natürlichen Stoffkreislauf. Sie
sind vor allem an der Zerset-
zung von kohlenhydratreichen
Substanzen maßgeblich betei-
ligt. Insbesondere besiedeln sie
lebende und tote Pflanzenbe-
standteile und sind in sehr ho-
her Konzentration im humushal-
tigen Boden enthalten. Pilze
bilden auf und in Substraten
feine Haargeflechte (Myzelien)
an denen nach kurzer Zeit Spo-
renträger und Sporen gebildet
werden. Die Sporen werden
überwiegend durch die Luft ver-
breitet. Entsprechend steigt ihr
natürliches Vorkommen in der
Luft in unserem Breitengraden
mit Vegetationsperiode sehr
stark an und nimmt im Spät-
herbst bzw. im Winter wieder
stark ab. Ihre Entwicklung wird
unter natürlichen Bedingungen
vor allem durch das Fehlen von
nutzbaren Substanzen, durch
geringe Feuchtigkeit sowie ge-
ringe Temperaturen limitiert.
Voraussetzung
für Schimmelpilz-
wachstum
„Schimmelpilze in
Innenräumen“
Die entscheidende Voraus-
setzung für ein Schimmelpilz-
wachstum in Innenräumen ist
eine hohe Materialfeuchtigkeit,
da die Temperatur und das Nähr-
stoffangebot fast immer für ein
mikrobielles Wachstum ausrei-
chend sind. Bereits Staubabla-
gerungen können unter sonst
günstigen und vor allem feuch-
ten Bedingungen zu einer wenn
auch, nur begrenzten Schimmel-
pilzentwicklung führen. Die
Ursachen für erhöhte Material-
feuchten können neben Lei-
tungshavarien und fehlerhaften
Bauausführen (z.B. mangelhafte
Abdichtung, Kontergefälle oder
bauphysikalische Fehler) auch
falsches Nutzerverhalten (Hei-
zen-Lüften) sein.
Üblicherweise wird im Zu-
sammenhang mit mikrobiellem
Wachstum der aw-Werte eines
Materials angegeben. Der aw-
Wert (Wasseraktivität) bezeich-
net die Ausgleichsfeuchte, die
ein Material bei einer bestimm-
ten Luftfeuchtigkeit annimmt
(Gleichgewichtszustand). Ange-
paßte Mikroorganismen können,
in Abhängigkeit von Material
und Temperatur, bei aw-Werten
größer 0,7 wachsen. Das bedeu-
tet, dass nicht erst beim Auf-
treten von Kondenswasser, son-
dern bereits bei einer andau-
ernden relativen Luftfeuchtigkeit
von >70 % mit einer Pilzbesied-
lung gerechnet werden muß.
Vermehrtes Auftreten
von Schimmelpilzen
Das Auftreten von Schim-
melpilzen in Gebäuden hat ins-
besondere mit der sukzessiven
Einführung von energiesparen-
den Baumaßnahmen (Auslöser
war die Ölkrise in den 70er Jah-
ren) zugenommen. Berichte in
der Presse und im Fernsehen
über die möglichen gesundheit-
lichen Auswirkungen von Schim-
melpilzen haben zusätzlich zu
einer erhöhten Aufmerksamkeit
und zu Unsicherheit bei vielen
Menschen geführt, die zuneh-
mend Sachverständige zu Rate
ziehen.
Typische Streitfälle, in de-
nen Mieter oder Vermieter Sach-
verständige einbeziehen, sind
sogenannte Kondensationsschä-
den, bei denen die Raumluft-
feuchtigkeit vornehmlich auf der
Innenseite von Außenwänden,
Kellerwänden oder Dachflächen
aufgrund deren stärkerer Abküh-
lung kondensiert und in deren
Folge Schimmelpilzschäden auf-
treten. In derartigen Fällen
werden Bausachverständige ein-
geschaltet, um zu beurteilen,
inwieweit ein bauseitiges Pro-
blem oder ein Nutzungsfehler
(z.B. ungenügendes Lüften,
Möbel zu dicht an den Außen-
wänden etc.) vorliegt. Häufig
liegt die Ursache auf beiden
Seiten und es kommt zu gericht-
lichen Auseinandersetzungen.
Im folgenden Beitrag werden
häufige Ursachen der Schim-
melbildung und deren fach-
gerechte Beseitigung darge-
stellt.
Derzeitiger allgemei-
ner Stand zur Schim-
melpilzbeseitigung
Für schimmelpilzbefallene
Bauteile wird eine Vielzahl von
Behandlungsstoffen angeboten.
Dabei werden aber keine Anga-
ben gemacht wie der Schimmel-
pilzbefall beseitigt wird und
welche Maßnahmen ergriffen
werden müssen, um eine sach-
gerechte Sanierung im Sinne der
Biostoffverordnung zu gewähr-
leisten.
Leider werden die meisten
Sanierungen von Schimmelpilz-
befall durch unqualifizierte Fir-
men durchgeführt. Das wird
noch dadurch gefördert, dass
von Herstellern „ Heimpackun-
gen“ zur Beseitigung von Schim-
melpilzen bereitgestellt werden.
Eine richtige Fachplanung
und Sanierung durch Fachbetrie-
be wird zur Zeit leider nur in
Ausnahmefällen ausgeführt.
2.0 Schimmelpilzursa-
chen und Erkennung
Neben den bekannten Ursa-
chen einer fehlenden Horizon-
tal- bzw. Vertikalsperre im
Kellerbereich oder anderen Ur-
sachen für ein feuchtes Unter-
grundmilieu sind die Hauptur-
sachen von Schimmelpilzbildung
durch den Einbau von dichten
Fenstern und die ungenügen-
de Lüftung und Heizung von
Wohnräumen bedingt. Beson-
ders geometrische Wärmebrük-
ken von Außenwänden mit un-
genügender Wärmedämmung
führen in diesen Bereichen
durch Kondensationsfeuchte zur
Schimmelbildung. In der Pra-
xis von bewohnten oder durch
Mensch genutzen Räumen wird
fast generell die Oberflächen-
temperaturmessungskontrolle in
diesen Bereichen vernachlässigt.
Der Handel bietet dafür für den
Nutzer auch kein optimales
Meßgerät zur Kontrolle an.
Selbst wenn bei einer Raum-
temperatur von 20
o
C und 65%
Luftfeuchtigkeit von dem Nut-
zer kaum eine Ursache zur
Schimmelbildung vermutet wird,
kann es in den Bereichen von
geometrischen Wärmebrücken zu
Obeflächentemperaturen unter
14
o
C und damit zur Tauwasser-
ausbildung kommen.
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