Schützen & Erhalten - page 18

RA Dr. Harald
Volze, Frankfurt/
Main
Die hiergegen eingelegte Beschwer-
de hat das Oberlandesgericht Frank-
furt zurückgewiesen mit der Be-
gründung, dass die 2-Wochen-Frist
für einen Befangenheitsantrag
bereits abgelaufen gewesen sei und
die Befangenheit sich außerdem
nur auf die Mangelhaftigkeit des
Gutachtens erstrecke und mit dem
Beitritt des Sachverständigen auf
einer Prozessseite nichts zu tun
habe (OLG Frankfurt/Main DS 2005,
s. 30).
Das Verfahren vor dem Land-
gericht nahm daraufhin wieder
seinen Fortgang. Der gerichtliche
Sachverständige, der auf Seiten des
Bauherrn beigetreten war, wurde
angehört. Aufgrund der Ausführun-
gen des gerichtlichen Sachverstän-
digen X hat das Landgericht den
Bauunternehmer verurteilt.
Der Bauunternehmer ging dar-
aufhin in das Berufungsverfahren
vor dem Oberlandesgericht. Dort
wurde zunächst in einem ersten
Termin verhandelt. Hier waren der
Bauherr und der Rechtsanwalt des
Bauunternehmers und der Rechts-
anwalt des Sachverständigen zu-
gegen.
Da man eine Einigung zwischen
dem Bauunternehmer und dem
Bauherrn nicht erreichen konnte,
wollte das Oberlandesgericht wei-
teren Sachverständigenbeweis er-
heben und beauftragte den Bau-
sachverständigen S. mit der Erstel-
lung eines weiteren Gutachtens.
Im nachfolgenden Termin vor
dem Oberlandesgericht wurden die
Verfahrensbeteiligten überrascht
von der Mitteilung, dass das Ober-
landesgericht den gerichtlichen
Sachverständigen durch seinen
Beitritt auf der einen Seite der
Prozesspartei von Amts wegen –
vergleichbar mit einem Richter –
als ausgeschieden aus dem Verfah-
ren ansehe. Der Rechtsstreit wur-
de durch Urteil des Oberlandesge-
richts an das Landgericht zurück
verwiesen (OLG Frankfurt/Main DS
2005, S. 30).
Hiergegen wurde der Antrag auf
Zulassung der Revision gestellt.
Der Bundesgerichtshof ent-
schied, dass der gerichtliche Sach-
verständige durch seinen Beitritt
auf einer Prozessseite nicht von
Amts wegen befangen sei und ver-
wies den Rechtsstreit an das Ober-
landesgericht Frankfurt zurück, das
nunmehr in der Sache neu entschei-
den muss (BGH DS, S. 107 mit
Anmerkung Volze).
Der BGH hat aber in einem
Nebensatz deutlich gemacht, dass
er rechtliche Zweifel an der Vor-
gehensweise der Streitverkündung
gegenüber dem gerichtlichen Sach-
verständigen hat.
II. Bisherige
Lösungsmöglichkeiten
1. Das OLG München (IBR 2006,
S. 239) sieht eine Streitverkün-
dung gegenüber dem gericht-
lichen Sachverständigen als
rechtsmissbräuchlich an und
lehnt eine Zustellung des
Schriftsatzes mit der Streitver-
kündung an den Sachverstän-
digen ab.
Auch das OLG Koblenz
(BauR 2006, S. 144) lehnt eine
Streitverkündung als generell
unzulässig ab und hat den
Schriftsatz mit der Streitver-
kündung ebenfalls nicht zuge-
stellt.
Der Sachverständige hat
keine wesentlich andere Stel-
lung, als der Zeuge bei der
Wahrheitsfindung des Gerichts,
selbst dann, wenn der Bundes-
gerichtshof mehrfach hervor-
gehoben hat, dass der Sach-
verständige als Gehilfe des Ge-
richts anzusehen ist (BGH NJW
1998, S. 3355, BGH NJW 1994,
S. 801 ff. (802)).
Das OLG Celle (OLGR Celle
2006, S. 103) bejaht die Zu-
stellung der Streitverkündungs-
schrift.
2. Die zwischenzeitlich überwie-
gend vertretene Rechtsauffas-
sung, wonach der Sachverstän-
dige nicht Dritter im Sinne des
§ 72 ZPO sei und man ihm des-
halb auch nicht den Streit ver-
künden dürfe, ist nicht über-
zeugend. Dritter ist jeder, der
nicht Partei in einem Prozess-
rechtsverhältnis ist.
Dieses Prozessrechtsver-
hältnis besteht zwischen Klä-
ger und Beklagtem (Weise,
„Streitverkündung an den Ge-
richtssachverständigen“ in NJW
Spezial, Heft 4, 2006, S. 165;
Spitzer DS 2006, S. 104; Bock-
holdt NJW 2006, S. 122 (123)).
Zwar wird auch die Auffas-
3. Auch die Lösungsmöglichkeit
des Rechtsmissbrauches, wo-
nach gegenüber einem gericht-
lichen Sachverständigen keine
Streitverkündung ausgespro-
chen werden darf, erscheint
zweifelhaft (Böckermann MDR
2002, S. 1349 ff.; Rickert/Kö-
nig NJW 2005, S. 1829 ff.;
Schwab DS 2006, S. 20 ff.,
Kamphausen IBR 2005, S.
270).
Zunächst ist bekanntlich
die Rechtsmissbräuchlichkeit in
der Rechtsfindung ein außer-
ordentlich subjektives Moment,
das sich nur schwer im Voraus
bestimmten lässt. In der Re-
gel kommt es hier immer auf
den Einzelfall an.
Tatsache ist, dass die
Streitverkündung gegenüber
dem Beweismittel des Sachver-
ständigen gemäß der ZPO wohl
als zulässig angesehen werden
muss; insbesondere wurde bis-
lang die Streitverkündung ge-
genüber einem Zeugen, dessen
Aussage prozessentscheidend
ist, bisher nicht als rechts-
missbräuchlich angesehen (ge-
gen Rechtsmissbräuchlichkeit:
Bockholdt NJW 2006, S. 122;
Spitzer DS 2006).
DIE FACHBEREICHE
Sachverständige
Diese Rechtsauffassung er-
scheint mir zweifelhaft, da
Rechtsmissbräuchlichkeit ein
materiell rechtlicher Einwand
ist und kein förmlicher bei einer
förmlichen Argumentation.
Nach der ZPO gibt es keine Vor-
schrift, die die Zustellung ei-
ner Streitverkündungsschrift
verhindern kann (Bockholdt
NJW 2006, S. 122 ff. (123);
Spitzer DS, S. 144 ff. (147)).
Auch ein Zeuge, dessen
Aussage maßgeblich ist für den
Ausgang eines Rechtsstreites,
kann von einer der Prozesspar-
teien vor seiner Aussage mit
einer Streitverkündung über-
zogen werden.
sung vertreten, dass das Pro-
zessrechtsverhältnis über die
Parteien des Verfahrens hinaus
auch auf die Einbeziehung des
Gerichts erstreckt (Rosenberg/
Schwab/Gottwald, Zivilprozess-
recht, 16. Auflage, S. 12 mit
weiterer Darstellung der Betei-
ligten des Prozessrechtsverhält-
nisses).
Der Sachverständige ist als
Gehilfe des Gerichts hier nicht
mit einbezogen.
Die Rechtsauffassung, dass
der gerichtliche Sachverstän-
dige kein Dritter in der Zivil-
prozessordnung ist, dürfte
rechtsdokmatisch nicht haltbar
sein.
Schützen & Erhalten · Juni 2006 · Seite 18
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