Schützen & Erhalten · Juni 2008 · Seite 24
Stundensatz von 95,–
€
gemäß § 9
Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die
Vergütung von Sachverständigen,
Dolmetscherinnen, Dolmetschern,
Übersetzerinnen und Übersetzern
sowie die Entschädigung von ehren-
amtlichen Richterinnen, ehrenamt-
lichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen
und Dritten (Justizvergütungs- und
-entschädigungsgesetz <JVEG».
Ferner schrieb er:
„Der angesetzte Auslagenvor-
schuss von 1.500,–
€
scheint auf
den ersten Blick (1.500,–
€
: 95
€
+16% Umsatzsteuer < 15,2
€
> =
13,61 Stunden) den zu erwartenden
Zeitaufwand nicht abzudecken. Eine
verlässliche Prognose über die vor-
aussichtliche Bearbeitungszeit wird
sich erst bei der unmittelbaren Be-
fassung mit der Gutachtenerstellung
abgeben lassen.
Nach den ersten 13 Stunden
der Arbeiten an dem Gutachten
werde ich dem Gericht Mitteilung
im Sinne des § 407 a Abs. 3 Satz
2 ZPO machen und gegebenenfalls
einen Vorschuss gemäß § 3 JVEG
beantragen.“
Auf die Sachstandsanfrage des
Ausgangsgerichts vom 1. August
2005 antwortete der Beschwerde-
führer mit Schreiben vom 8. Oktober
2005, dass er seit sieben Wochen,
nämlich dem 22. August 2005, mit
den Arbeiten an dem Gutachten
befasst sei und inzwischen auf
eine Arbeitszeit von mehr als 210
Stunden komme.
Mit Beschluss vom 10. Novem-
ber 2005 setzte das Ausgangsgericht
dem Beschwerdeführer gemäß §
411 Abs. 1 Satz 2 der Zivilpro-
zessordnung (ZPO) eine Frist zur
Ablieferung des Gutachtens bis zum
10. Februar 2006.
Unter dem 16. Januar 2006 stell-
te der Beschwerdeführer eine Sach-
verständigenvergütung in Höhe von
55.333,33
€
einschließlich Umsatz-
steuer in Rechnung. Hierbei schlüs-
selte er seine Sachverständigenleis-
tungen nach Aktenstudium, Einsicht
in Gesetzestexte, Monographien,
Zeitschriften etc. in Fachbereichs-,
Universitäts- und Staatsbibliothek,
Recherchen im Internet und Einsicht
in Internetdokumente, Ausarbeitung,
Diktat, Scannen, Herunterladen aus
dem Internet, elektronische Text-
verarbeitung und Durchsicht des
Gutachtens sowie Schreibgebühren
auf und nannte jeweils die angefal-
lene Arbeitszeit. Ferner versicherte
er, die angegebene und ausgewiesene
Arbeitszeit in Höhe von insgesamt
Fachbereiche
Sachverständige
498 Stunden á 95,–
€
tatsächlich
aufgewendet zu haben.
Hierauf antwortete das Aus-
gangsgericht mit Schreiben vom
23. Januar 2006, dass die bisherige
Abrechnung in keiner Weise nach-
vollziehbar und belegt sei und gab
Gelegenheit, bis zum 10. Februar
2006 die Stunden konkret nachvoll-
ziehbar im Einzelnen darzulegen.
Mit Schreiben vom 31. Januar
2006 übersandte daraufhin der
Beschwerdeführer wunschgemäß
ein Exemplar seines 113-seitigen
Gutachtens als Grundlage für eine
Prüfung der in seiner Rechnung vom
16. Januar 2006 angegebenen Rech-
nungsposten und bot die Vorlage
von vier Aktenordnern mit Kopien
als weiteren Beleg an.
Mit Schreiben vom 6. Mai
2006 sowie vom 15. Juli 2006
beantragte der Beschwerdeführer
die Festsetzung und Auszahlung
seiner Vergütung gemäß Rechnung
vom 16. Januar 2006.
Mit Beschluss vom 11. Mai
2006 traf das Ausgangsgericht
im zugrunde liegenden Verfahren
seine Entscheidung und erklärte
den Schiedsspruch für vollstreck-
bar. Hierbei stützte es sich auf das
Rechtsgutachten des Beschwer-
deführers und folgte „den dort
ausführlich referierten Rechtsgrund-
lagen“, die das Gericht als detailliert
und überzeugend bezeichnet.
Mit weiterem Beschluss vom 3.
August 2006 hat das Ausgangsge-
richt die Vergütung des Beschwerde-
führers für die Erstattung des Gut-
achtens gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf
12.134,93
€
festgesetzt. Angesichts
der auffällig hohen Rechnung habe
Anlass bestanden, die Vergütung des
Beschwerdeführers zu überprüfen
und geringer festzusetzen. Den
erforderlichen Zeitaufwand habe
der Senat mangels näherer Darle-
gungen des Beschwerdeführers
schätzen müssen. Zudem sei der
vom Beschwerdeführer angesetzte
Zeitaufwand nicht erforderlich ge-
mäß § 8 Abs. 2 JVEG.
2. Mit Schreiben vom 23. August
2006 erhob der Beschwerdeführer
gemäß § 4 a JVEG Anhörungs-
rüge, die er insbesondere darauf
stützte, dass die Schätzungen des
Ausgangsgerichts ohne gesetzliche
Grundlage erfolgt seien und sein
zutreffender, plausibel dargelegter
Vortrag zum Zeitaufwand kein Gehör
gefunden habe.
Das Ausgangsgericht wies die
Anhörungsrüge mit Beschluss vom
23. November 2006 zurück. Sie
sei unbegründet, weil der Senat
dem Sachverständigen rechtliches
Gehör gewährt, er dieses jedoch
nicht wahrgenommen habe. Je-
denfalls sei ein solcher Verstoß für
die Entscheidung nicht ursächlich
geworden.
3. Mit der Verfassungsbeschwer-
de wendet sich der Beschwerdefüh-
rer gegen den Beschluss über die
Vergütungsfestsetzung und den
Beschluss, mit dem seine Anhö-
rungsrüge zurückgewiesen wurde.
Er rügt die Verletzung seiner Grund-
rechte und grundrechtsgleichen
Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12,
Art. 14, Art. 17, Art. 20 Abs. 3 in
Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 sowie
Art. 103 Abs. 1 GG.
4. Die Senatsverwaltung für
Justiz, die Präsidentin des Aus-
gangsgerichts sowie die Beteiligten
des Ausgangsverfahrens erhielten
Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. Die Kammer nimmt die Ver-
fassungsbeschwerde zur Entschei-
dung an und gibt ihr statt, weil dies
zur Durchsetzung des Grundrechts
des Beschwerdeführers aus Art. 3
Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs.
2 Buchstabe b BVerfGG).
1. Die Verfassungsbeschwerde
ist begründet. Soweit das Aus-
gangsgericht den weitergehenden
Antrag auf Festsetzung der Sach-
verständigenvergütung zurückge-
wiesen hat, ist das Grundrecht des
Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs.
1 GG verletzt.
Eine gerichtliche Entscheidung
verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG,
wenn die Rechtsanwendung oder das
Verfahren unter keinem denkbaren
Aspekt mehr rechtlich vertretbar
sind und sich daher der Schluss
aufdrängt, dass sie auf sachfremden
und damit willkürlichen Erwägungen
beruhen (vgl. BVerfGE 86, 59 <63».
In diesem Sinne muss eine krasse
Fehlentscheidung vorliegen (vgl.
BVerfGE 89, 1 <14». Dies ist vor-
liegend hinsichtlich der Festsetzung
der Sachverständigenvergütung des
Beschwerdeführers der Fall.
a) Die vom Ausgangsgericht auf-
grund einer Schätzung vorgenom-
mene „Kürzung von Ansprüchen“
des Sachverständigen findet keine
gesetzliche Grundlage. Abgesehen
von dem Sonderfall des § 12 Abs.
1 Nr. 3 2. Halbsatz JVEG ist eine
solche Schät-zung dem Justizvergü-
tungs- und -entschädigungsgesetz
fremd. Das Ausgangsgericht hat
außer Acht gelassen, dass es nach
der Konzeption der gesetzlichen
Regelung für das hier nach Stun-
densätzen zu bemessende Honorar
einer Schätzung der tatsächlich
aufgewandten Zeit nicht bedarf.
Maßgeblich für die Vergütung
des Sachverständigen ist nämlich
nicht die tatsächlich aufgewandte,
sondern gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1
JVEG die für die Erstattung des
Gutachtens erforderliche Zeit. Diese
ist nach einem abstrakten Maßstab
zu ermitteln, der sich an dem Auf-
wand eines Sachverständigen mit
durchschnittlichen Fähigkeiten und
Kenntnissen orientiert (vgl. BGH,
Beschluss vom 16. Dezember 2003
– X ZR 206/98 –, GRUR 2004, S.
446 m.w.N.). Eine Schätzung des
tatsächlichen Zeitaufwands als
Grundlage eines nach Stundensätzen
bemessenen Honorars ist daher der
gesetzlichen Regelung fremd.
b) Auch der zweite Begrün-
dungsansatz des Ausgangsgerichts,
den abgerechneten Zeitaufwand
als im Sinne von § 8 Abs. 2 JVEG
„nicht erforderlich“ zu bewerten,
ist in der konkreten Anwendung
rechtlich nicht vertretbar. Um
die Erforderlichkeit feststellen zu
können, hätte sich das Gericht
im Einzelnen mit dem geltend
gemachten Arbeitsaufwand des Be-
schwerdeführers auseinander setzen
müssen. Maßstab hierfür wäre – wie
der Bundesgerichtshof in ständiger
Rechtsprechung ausführt (vgl. BGH,
a.a.O., m.w.N.) derjenige Zeitauf-
wand, den ein Sachverständiger
mit durchschnittlichen Fähigkeiten
und Kenntnissen braucht, um sich
nach sorgfältigem Aktenstudium ein
Bild von den zu beantwortenden
Fragen machen zu können und nach
eingehenden Überlegungen seine
gutachterliche Stellungnahme zu
den ihm gestellten Fragen schrift-
lich niederzulegen. Dabei sind der
Umfang des ihm unterbreiteten
Streitstoffs, der Grad der Schwierig-
Es schreibt
für Sie:
Dipl. Holzwirt
Georg Brückner
Fachbereichs-
leiter Sachver-
ständige
Roggenkamp 7a
59348 Lüdinghausen
Telefon: (0 2591) 949653
Telefax: (02591) 949654
E-Mail: