Schützen & Erhalten · März 2003 · Seite 19
Erste Stimmen legen die
Vorschrift so aus, dass die Haf-
tung regelmäßig nur dann ein-
tritt, wenn das vorsätzlich oder
grob fahrlässig erstellte, Scha-
den stiftende Gutachten in ei-
ner
letztinstanzlichen Ent-
scheidung
erstattet worden ist.
Gem. §§ 839 a Abs. 2 und Abs.
3 BGB tritt die Ersatzpflicht
dann nicht ein, wenn es der
Geschädigte schuldhaft – vor-
sätzlich oder fahrlässig – unter-
lassen hat, den Schaden durch
Gebrauch eines Rechtsmittels
abzuwenden, also den Rechts-
weg in der Ursprungssache aus-
zuschöpfen.
Nach dem Willen der Geset-
zesverfasser scheiden aus dem
Anwendungsbereich der neuen
Haftungsregelungen diejenigen
Fälle aus, in denen sich die Par-
teien aufgrund eines vom Sach-
verständigen erstatteten Gut-
achten
vergleichen.
Hier gilt
dann die bisherige Rechtslage
mit der Haftung nach §§ 823
Abs. 1 und 2, 826 BGB.
Als problematisch angese-
hen wird eine mögliche Haftung
des Sachverständigen nach der
neuen Vorschrift im
Schiedsge-
richtsverfahren
. Hier wird der
Sachverständige nicht für ein
staatliches Gericht tätig. Im
Gegensatz zum Gerichtsverfah-
ren kommt hier zwischen den
Schiedsparteien und dem Sach-
verständigen ein Werkvertrag
zustande. Der Sachverständige
kann die Bedingungen frei aus-
handeln, also z. B. auch eine
Haftungsbeschränkung verein-
baren. Insofern wird z. T.
unter Ablehnung der BGH-Recht-
sprechung zur Haftungsprivile-
gierung des Sachverständigen
im privaten schiedsgerichtlichen
Verfahren ein vertraglicher Scha-
densersatzanspruch favorisiert.
Die Auswirkung der neuen
Vorschrift auf die Praxis wird
davon abhängen, wie demnächst
der
Haftungsmaßstab der gro-
ben Fahrlässigkeit
im Einzel-
nen von den Gerichten einge-
stellt wird. Dabei muss berück-
sichtigt werden, dass es nicht
Aufgabe eines Sachverständigen
ist, sachlich begründete Zwei-
fel zu überwinden und in „in-
nerer Unbefangenheit“ schnei-
dige Schlüsse aus zwiespältigen
Tatsachengrundlagen zu ziehen,
sondern die tatsächlich beste-
hende Sachlage nach bestem
Wissen und Gewissen aufzuklä-
ren und das Gericht auch nicht
über tatsächlich bestehende
Ambivalenzen im Unklaren zu
lassen. Der Sachverständige
muss, wenn ihm grobe Fahrläs-
sigkeit vorgeworfen wird, die bei
seiner Arbeit erforderliche Sorg-
falt in besonders schwerem
Maße verletzt haben. Man muss
praktisch sagen können: „Ein
solcher Fehler darf einfach nicht
vorkommen!“
Ein
Ausschluss der neuen
Haftungsvorschrift
ist
nicht
möglich.
Der Anspruch unter-
liegt der allgemeinen
Verjäh-
rung von 3 Jahren.
Die
neue Rechtslage gilt
für alle Fälle, die nach dem
01.08.2002 in Auftrag gege-
ben
worden sind. Für gericht-
liche Gutachtenaufträge, die der
Sachverständige vor dem
01.08.2002 erhalten hat, gilt
die alte Rechtslage, auch wenn
er das Gutachten erst nach dem
Stichtag fertiggestellt und über-
sandt hat.
IV. Absicherung des
neuen Haftungs-
risikos
Die Schaffung dieses neuen
Haftungstatbestandes verpflich-
tet den Sachverständigen als
Versicherungsnehmer, dies seiner
Haftpflichtversicherung
zur
Erhaltung des Versicherungs-
schutzes mitzuteilen und das
neue Haftungsrisiko bei den
regelmäßigen Verhandlungen
mit dem Versicherungsgeber
angemessen.
ZDH-Merkblatt:
Gebrauchsanweisung für öf-
fentlich bestellte und vereidigte
Sachverständige, die die Frage
zu beantworten haben, ob eine
Arbeit einen Mangel aufweist
oder ob sie mangelfrei ist.
Zugleich eine Erklärung des
Wortlautes des § 633 Abs. 2
BGB § 633 Abs. 2 BGB hat
folgenden Wortlaut:
„(2) Das Werk ist frei von
Sachmängeln, wenn es die ver-
einbarte Beschaffenheit hat.
Soweit die Beschaffenheit
nicht vereinbart ist, ist das Werk
frei von Sachmängeln,
1.
wenn es sich für die nach
dem Vertrag vorausgesetz-
te, sonst
2. für die gewöhnliche Verwen-
dung eignet und eine Be-
schaffenheit aufweist, die
bei Werken der gleichen Art
üblich ist und die der Be-
steller nach der Art des
Werks erwarten kann.
Einem Sachmangel steht es
gleich, wenn der Unternehmer
ein anderes als das bestellte
Werk oder das Werk in zu ge-
ringer Menge herstellt.“
Nach § 633 Abs. 2 BGB gibt
es drei Fallgruppen, die zur
Beantwortung der Frage, ob eine
Arbeit frei von Mängeln ist oder
nicht, den jeweils richtigen Weg
weisen. Richter und Sachver-
ständige – es kommt darauf an,
wer gefragt ist – müssen ge-
nau in der vom Gesetz vorge-
schriebenen Reihenfolge vorge-
hen. Entscheidend ist, welchen
Inhalt der den Arbeiten zugrun-
deliegende Vertrag hat: Ist die
Beschaffenheit der Arbeit
vereinbart
, dann gehört der
Streit in die
Fallgruppe 1
mit
der Rechtsfolge, dass die Arbeit,
wenn sie die vereinbarte Be-
schaffenheit hat, frei von Män-
geln ist.
– Beispiel aus der Renovierung
eines Klinikraumes:
Position 13 des Leistungs-
verzeichnisses im Angebot
eines Betriebes des Maler-
und Lackierhandwerks, durch
Zuschlag zum Vertragsinhalt
geworden:
„Wandflächen aus Gipskar-
ton mit Glasgewebetapeten
tapezieren, einschließlich
der erforderlichen Vorarbei-
ten nach BfS-Merkblatt Nr.
12 und Beschichten nach
Vorschlag des Bieters. Die
Beschichtungen müssen fol-
gende Eigenschaften haben:
1.
Widerstandsfähig sein
gegen Alkalien und Säu-
ren,
2. robust, strapazierfähig
und stoß-unempfindlich,
3. pflegeleicht und
4. seidenglänzend.“
Kommt der Sachverständi-
ge bei der Untersuchung der
Wandfläche zu dem Ergeb-
nis, dass die Wandfläche in
allen Punkten der Position
13 des Leistungsverzeichnis-
ses entspricht, dass sich der
Ist-Zustand also mit dem
Soll-Zustand deckt, dann ist
die Arbeit frei von Mängeln.
Ist wegen Fehlens einer Verein-
barung über die Beschaffenheit
lediglich der im konkreten Fall
erstrebte Verwendungszweck
feststellbar
, dann gilt die
Fall-
gruppe 2
mit der Rechtsfolge,
dass die Arbeit, wenn sie sich
für die nach dem Vertrag vor-
ausgesetzte Verwendung eignet,
frei von Mängeln ist.
– Beispiel aus der Renovierung
eines Laborraumes, in dem
laufend die Temperatur 90°
beträgt, Details der er-
wünschten Beschaffenheit
der Wandflächen aber nicht
vereinbart wurden. Kommt
der Sachverständige bei der
Untersuchung der Wandflä-
chen zu dem Ergebnis, dass
sich die ausgeführten Wand-
flächen für den Verwen-
dungszweck im konkreten
Laborraum eignen, also der
ständigen Temperatur von
90° gewachsen sind, dann
ist die Arbeit frei von Män-
geln. Auch hier kommt es
wieder darauf an, ob sich der
Ist-Zustand mit dem nur
durch den Verwendungs-
zweck beschriebenen Soll-
Zustand deckt.
Ist die Beschaffenheit nicht
vereinbart und auch der
Ver-
wendungszweck nicht fest-
FACHBEREICH SACHVERSTÄNDIGE