DHBV INTERN – Schützen & Erhalten ·September 2001 · Seite VII
Nach der Rechtssprechung
des Bundessozialgerichtes
bestehen Beitragsansprüche
zur Sozialversicherung aus
Arbeitsentgelt bereits dann,
wenn ein Anspruch des Be-
schäftigten auf das Arbeits-
entgelt besteht.
Hingegen ist es unerheblich, ob
das Arbeitsentgelt auch tatsäch-
lich ausgezahlt wird. Im Sozial-
versicherungsrecht gilt nämlich
das Entstehungsprinzip im Gegen-
satz zu dem im Steuerrecht gel-
tenden so genannten Zuflussprin-
zip. Auf Grund dieses Entstehungs-
prinzips ergibt sich das für das
Sozialversicherungsrecht maßgäb-
liche Arbeitsentgelt nicht etwa auf
Basis des tatsächlich gezahlten
Arbeitsentgeltes, sondern aus dem
für den Arbeitnehmer geltenden
Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag.
Dies gilt jedenfalls für allgemein
verbindlich erklärte Tarifverträge.
Bei nicht für allgemein verbind-
lich erklärten Tarifverträgen ist das
im Tarifvertrag festgelegte Arbeits-
entgelt hingegen nur dann maß-
geblich, wenn beide Seiten tarif-
gebunden sind.
Für die Praxis bedeutet dies,
dass Arbeitgeber, die ihren Arbeit-
nehmern – aus welchen Gründen
Beitragsrechtliche Behandlung von nicht
bezahltem Arbeitsentgelt
auch immer – ein geringeres als
das arbeitsvertraglich oder tarif-
vertraglich vereinbarte Gehalt
zahlen, damit rechnen müssen,
dass sie im Falle einer Prüfung
durch die Sozialversicherungsträ-
ger dazu aufgefordert werden, die
Sozialversicherungsbeiträge für
den nicht gezahlten Teil des Ent-
gelts nachzuentrichten.
Diese Regelung gilt selbst
dann, wenn der Arbeitnehmer auf
das Arbeitsentgelt zuvor verzichtet
hat, es sei denn, der Verzicht ist
arbeitsrechtlich zulässig, schrift-
lich nieder gelegt und nur auf
zukünftig fälligen Arbeitslohn
gerichtet. In diesem Zusammen-
hang ist darauf hinzuweisen, dass
bei einem bindenden Tarifvertrag
ein Gehaltsverzicht nur unter den
Voraussetzungen des Tarifvertrags-
gesetzes und des neuen Teilzeit-
und Befristungsgesetzes möglich
ist.
Dem Verzicht müssen also
entweder die Tarifpartner zuge-
stimmt haben oder der Vertrag
muss – dies ist im Bau an keiner
Stelle der Fall – eine Öffnungs-
klausel enthalten. Ein Verzicht auf
bereits gezahltes Arbeitsentgelt
ist im Übrigen grundsätzlich un-
zulässig.
zialer Rücksichtnahme zu beach-
ten. Dies gilt auch für größere
Betrieben, wenn das Kündigungs-
schutzgesetz deshalb keine An-
wendung findet, weil das Arbeits-
verhältnis des Arbeitnehmers nach
§ 1 Abs. 1 KSchG noch nicht länger
als sechs Monate besteht.
2. Abwägungsrelevante
Tatbestände
Typische Tatbestände der treu-
widrigen Kündigung sind insbe-
sondere ein widersprüchliches
Verhalten des Arbeitgebers, der
Ausspruch einer Kündigung zur
Unzeit oder in ehrverletzender
Form oder eine Kündigung, die den
Arbeitnehmer diskriminiert. Im
Rahmen der Abwägung darf ins-
besondere ein durch langjährige
Mitarbeit erdientes Vertrauen in
den Fortbestand des Arbeitsver-
hältnisses nicht unberücksichtigt
bleiben. Der Arbeitgeber muss
seine Entscheidung nach vernünf-
tigen, sachlichen und das billige
Ermessen wahrenden Gesichts-
punkten treffen. Dabei ist zu be-
achten, dass gerade wegen der
Herausnahme des Kleinbetriebs
aus dem Geltungsbereich des Kün-
digungsschutzgesetzes der unter-
nehmerischen Freiheit des Unter-
nehmers bei der Abwägung
erhebliches Gewicht zukommt. In
einem Betrieb mit wenigen Ar-
beitskräften hängt der Geschäfts-
erfolg mehr als bei Großbetrieben
von jedem einzelnen Arbeitneh-
mer ab. Auf dessen Leistungsfä-
higkeit kommt es ebenso an wie
auf Persönlichkeitsmerkmale, die
für die Zusammenarbeit, die
Außenwirkung und das Betriebs-
klima von Bedeutung sind. Stö-
rungen können zu Leistungsmin-
derungen führen, die bei geringem
Geschäftsvolumen spürbar auf das
Ergebnis durchschlagen. Ausfäl-
le lassen sich bei niedrigem Per-
sonalbestand nur schwer ausglei-
chen.
3. Darlegungs- und Beweislast
Findet das Kündigungsschutzge-
setz keine Anwendung, hat der
Arbeitnehmer grundsätzlich die
von ihm behaupteten Unwirksam-
keitsgründe der Kündigung dar-
zulegen und zu beweisen. Dabei
finden die Grundsätze der abge-
stuften Darlegungs- und Beweis-
last Anwendung. In einem ersten
Schritt muss der Arbeitnehmer
einen Sachverhalt vortragen, der
die Treuwidrigkeit der Kündigung
nach § 242 BGB indiziert. Hier-
zu reicht es aus, dass er die So-
zialdaten der aus seiner Sicht ver-
gleichbaren Arbeitnehmer darlegt.
Ist danach evident, dass der Ar-
beitgeber einen erheblich weni-
ger schutzbedürftigen, vergleich-
baren Arbeitnehmer als den Kläger
weiterbeschäftigt, so spricht dies
dafür, dass der Arbeitgeber das
erforderliche Mindestmaß an so-
zialer Rücksichtnahme außer Acht
gelassen hat und deshalb die Kün-
digung treuewidrig ist. Um diese
Annahme zu entkräften, obliegt
es dem Arbeitgeber in einem zwei-
ten Schritt, Angaben zu seinen
Auswahlüberlegungen zu machen
und betriebliche, persönliche oder
sonstige Gründe vorzutragen, die
ihn dazu bewogen haben, den auf
den ersten Blick sozial schutzbe-
dürftigeren Arbeitnehmer zu ent-
lassen. Erfolgt kein solcher qua-
lifizierter Vortrag durch den
Arbeitgeber, gilt der schlüssige
Sachvortrag des Arbeitnehmers als
zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Macht der Arbeitgeber hingegen
einen qualifizierten Vortrag und
entkräftet den Sachvortrag des
Arbeitnehmers, so hat der Arbeit-
nehmer in einem dritten Schritt
die Tatsachen, aus denen sich die
Treuwidrigkeit der Kündigung sei-
ner Ansicht nach ergeben soll, zu
beweisen.
Der Arbeitgeber ist im Zeit-
punkt der Kündigung nicht ver-
pflichtet, die Kündigungsgründe
in das Kündigungsschreiben auf-
zunehmen.
Das Bundesarbeitsgericht hat
in seiner Entscheidung erstmals
das Urteil des Bundesverfassungs-
gerichts zur Verfassungsmäßigkeit
der Kleinbetriebsklausel vom 27.
Januar 1998 (Az.: -1 BvL15/87-)
umgesetzt. Das Bundesverfas-
sungsgericht hatte seinerzeit be-
tont, dass Arbeitnehmer in Klein-
betrieben trotz ihrer Herausnahme
aus dem Kündigungsschutzgesetz
nicht völlig schutzlos gestellt sind.
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Kündigungsschutzgesetz